Wolfgang Huste Polit- Blog

Honni, Stasi, Schießbefehl. Von Arnold Schölzel

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Am gestrigen Montag abend strahlte Das Erste den 90minütigen Dokumentarfilm »Der Sturz – Honeckers Ende« von Eric Friedler aus. Für zahlreiche Medien war das Anlaß für hochgradig erregte Berichterstattung. Der NDR, der den Film produziert hatte, lieferte bereits am Freitag in einer Pressemitteilung unter dem Titel »Margot Honecker gibt erstes TV-Interview seit mehr als 20 Jahren« eine Richtlinie zum richtigen Sehen: Sie sei die »einst mächtigste Frau der DDR, Volksbildungsministerin und Gattin des letzten Diktators auf deutschem Boden«. Anlaß, »sich etwa für das Agieren der Stasi oder für die Mauertoten zu entschuldigen«, sehe »die umstrittene Rentnerin weder für sich noch die DDR-Führung«. Den Tod derjenigen, »die in die Freiheit fliehen wollten und erschossen wurden«, bezeichne sie als »Dummheit«. Der NDR zitiert sie allerdings mit den Worten: »Es läßt einen nicht ruhig, wenn ein junger Mensch auf diese Weise ums Leben kommt. Man hat sich vor allem auch immer gefragt: Wieso hat er das riskiert?«

Ebenfalls am Freitag befaßte sich die FAZ ausführlich mit dem Film. Margot Honecker spreche darin »in aller Klarheit aus, was eine Partei wie Die Linke angesichts der allgemein obwaltenden Kritik an einem Finanzkapitalismus, der Staaten in den Ruin treibt und die Demokratie bedroht, unterschwellig in die Debatte einführt: Die DDR war das bessere Deutschland (…)«. Dem FAZ-Autor kommt es vor, als liege »zwischen dem Herbst 1989 und dem Herbst 2011, in dem dieses Interview geführt wurde«, nur ein Wimpernschlag. Folgerichtig ist sein Text in der Diktion des Kalten Krieges verfaßt – bis hin zu der Wendung, Erich Honecker habe sich 1991 »zu den Russen gerettet«.

Eine ähnliche Hilfestellung zum korrekten Verständnis veröffentlichte die Süddeutsche Zeitung am Montag. Der Autor Gustav Seibt »beginnt« dort, das Ehepaar Honecker »physiognomisch zu lesen: als Chiffre einer autoritären Blockwart- und Hausmeisterpsychopathologie, die sich über ein ganzes Land zu legen vermochte.« Man müsse sagen, Margot Honecker sei keine Winifred Wagner. Die »Hitler bis zu ihrem Ende verehrende Bayreuther Festspielleiterin« sei »umso viel flackernd-interessanter wie das Dritte Reich verheerend-abgründiger war als der sowjetische Kasernenstaat DDR.« Analog berichteten Internetportale wie Spiegel online und tagesschau.de.

Am selben Tag veröffentlichte der Spiegel außerdem unter dem Titel »Gehörnte Böcke« einen Artikel über Akten der DDR-Staatssicherheit zum langjährigen Verteidigungsminister des Landes, Heinz Hoffmann. Die Zeitschrift kolportiert u.a. aus einem Bericht über »Saufgelage« in der Militärführung des ostdeutschen Staates (in den 60er Jahren) Details wie das folgende: »Ein General setzte sich im Suff neben seinen Stuhl, ein anderer fiel hin und kam nicht wieder hoch (…).«

Geschichtsbetrachtung dieser Art scheint allerdings nicht die erwünschte Wirkung zu entfalten. Dafür sprechen zahlreiche kritische Leserkommentare im Internet. Auf tagesschau.de hieß es: »So wie hier die Aufarbeitung erfolgt, wäre das auch im Blick auf die alte Bundesrepublik notwendig. (…) Ich habe erlebt, wie viele Freunde und Bekannte Berufsverbot erhielten, ich habe erlebt, wie Kommunisten ihrer Überzeugung wegen ins Gefängnis mußten. Ich habe selbst erlebt, wie in Heimen für sogenannte schwer erziehbare Jugendliche geprügelt und unmäßiger Druck ausgeübt wurde. (…) Wann wird sich jemand aus dem Kreis der Journalisten da rantrauen?«

Quelle: www.jungewelt.de vom 03.04.12

Dieser Beitrag wurde am Dienstag, 03. April 2012 um 15:14 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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Ein Kommentar

  1. Betr..Arnold Schölzel
    Was einem Angst machen sollte ist diese Besessenheit,
    Menschen auf eine gefühlslose Masse zu reduzieren,
    die der Ideologie zu entsprechen hat und nicht umgekehrt, bis in seiner ganzen Konsequenz kein menschliches Antlitz mehr zu erkennen ist.
    Wer für sich in Anspruch nimmt, 17 Millionen Bürger der DDR ungefragt für sich in Geiselhaft zu nehmen, ist ein ideologisch arroganter und abgehobener Überzeugungstäter.
    Der sich im Wesentlichen nur materiell von den Günstlingen und Profiteuren einer herrschenden Klasse Unterscheidet, in deren Auftrag er denunzierte!
    Wenn man seiner Anschauung konsequent folgt, dann stellt sich heraus,
    das genau er seine Weltanschauung verraten hat, nämlich an die, die den wahren Sozialismus
    verraten haben, nämlich die dekadente und verkrustete DDR Führung.
    Man möchte ihn mal an Trotzki erinnern.
    Der Verrat an seinen Wegbegleitern mit dem Hinweis, es sozusagen als Politikum gesehen zu haben,
    ist ein pervertierender Fakt, der jegliche Menschlichkeit vermissen lässt.
    Ich fürchte, da stellt sich Dekadenz und Güntslingstum in der Praxis humaner da, als seine politische Besessenheit.
    Da sollte derjenige vielleicht doch mal seinen psychologischen Werdegang innerhalb des Elternhauses strukturell aufarbeiten!

    Comment: Rolf Rattay – 18. Dezember 2013 @ 00:47

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