Das Amtsgericht Dortmund hat auf Antrag der Staatsanwaltschaft einen Strafbefehl gegen den stellvertretenden Landessprecher der LINKEN in Nordrhein-Westfalen, Helmut Manz wegen Beleidigung von „Herrn Dr. Sarrazin“ erlassen. Manz soll Sarrazin auf einer Protestkundgebung als „Arsch“ bezeichnet haben. Das Strafmaß beträgt 50 Tagessätze zu je 30 Euro. Das bedeutet eine Geldstrafe von insgesamt 1500 Euro oder wahlweise 50 Tage Haft. Gegen den Strafbefehl hat Manz Einspruch eingelegt. Der anstehenden Gerichtsverhandlung sieht er gelassen entgegen: „Im Prozess wird sich die Verwechslung von Recht mit rechts nicht aufrecht erhalten lassen.“
Quelle: Pressemitteilung der Partei DIE LINKE. NRW vom 30.01.11
Am Dienstag, den 2.2.2011 findet eine Veranstaltung der LINKEN in Kaiserslautern statt. Da sich in der Region Kaiserslauter/Ramstein die US-Air Base Ramstein und darüber hinaus auch in Spangdahlem, Büchel kriegswichtige Einheiten und Einrichtungen der US-Army und der NATO in einem Maße ballen, dass es schier unerträglich ist, macht DIE LINKE eine Veranstaltung zu den verschiedenen Aspekten des Themenkomplexes. Aus dieser Region und Rheinland-Pfalz heraus führen die USA und die NATO ihre völkerrechts- und grundgesetzwidrigen Kriege in Afghanistan und sonst wo.
Titel: DIE LINKE. Umweltpolitik im Gespräch. Militärbasen in Rheinland-Pfalz. Eine Gefahr für Gesundheit,
Umwelt und Frieden
19.Uhr, „Licht-Luft“ Kaiserslautern
ReferentInnen: u.a. Kathrin Senger-Schäfer, MdB, Die LINKE, Tanja Krauth Vorstand Rh-Pf. Die LINKE, Landtags-Kandidatin, Tobias Pflüger, AFK, Doris Emrich, BI Fluglärm, Bodenlärm und Umweltverschmutzung
Die Vertreter von DIE LINKE. wollten dazu eine Annonce in der Tageszeitung DIE RHEINPFALZ schalten. Nach der zuerst gemachten Zusage, verwehrte man der LINKEN. den Abdruck des Anzeigen-Textes wegen einer „redaktionellen Entscheidung“.
Hier in Kopie zitiert:
Die Zeitung „Die Rheinpfalz“ weigert sich, eine Einladung zu einer Diskussionsveranstaltung abzudrucken
Die Fraktion DIE LINKE im Bundestag teilte uns mit:
Noch gestern hatten wir eine Zusage für die Schaltung der anhängenden Anzeige. Heute teilt man uns mit, dass auf Grund einer „redaktionellen Entscheidung“ die Anzeige in dieser Form nicht veröffentlicht wird. Die Rheinpfalz verlangt, den Titel der Veranstaltung zu streichen und weigerte sich sogar, unsere Internet-Adresse abzudrucken. Für eine solche zensierte Anzeige, die auch noch jeglicher politischer Botschaft beraubt wurde, wollen wir kein Geld bezahlen. Wir haben uns entschlossen, KEINE Anzeige in der Rheinpfalz zu schalten und 620 Euro zu sparen.
Hauptsache, die Busrundfahrten auf der US-Airbase Ramstein werden angepriesen, und das auch noch für den Anbieter kostenlos in Form redaktioneller Beiträge.
Quelle: die Homepage der BI, www.fluglearm-kl.de
DIE RHEINPFALZ ist kein kleines Lokal-Blatt, sondern gilt als eine der auflagenstärksten Tages-Zeitungen in Deutschland. Sie hat das Monopol vom Saarland bis zum Rhein, von der französischen Grenze bis südlich von Mainz. Hier leben ca. 2 Millionen Menschen.
Diese Zeitung druckt nichts ab, was das gute Verhältnis zu den US-Streitkräften, zur NATO und zur Bundeswehr trüben könnte. Seit Jahren will DIE RHEINPFALZ sogar den Eindrück erwecken, dass die ca. 70 000 US-Amerikaner gar nicht mehr in Rheinland-Pfalz sind. Man berichtet einfach nichts darüber.
Völkerrechtswidrige Krieg von Ramstein aus? Wir schreiben nichts! Folterflüge von Ramstein aus? So schlimm wird es schon nicht sein! Bomber-Staffeln aus Spangdahlem üben hier ihre Angriffe und bomdadieren dann monatelang die Menschen in Afghanistan und im Irak? Ach, irgendwo müssen sie doch üben, unsere tollen US-Friendssoldaten! Völkerrrechtswidrig? Grundgesetzwidrig? Sie sind aber pingelig.
Was- eine Anzeige zur Veranstaltung „Militärbasen in Rheinland-Pfalz“ ? Sowas veröffentlichen wir nicht – oder Sie ändern das komplett ab.
Tja- eine Zensur findet nicht statt. Meint man!
Fee Strieffler
Quelle: www.scharf-links.de vom 29.01.11
Berlin. Trotz der im Boomjahr 2010 nur leicht gestiegenen Löhne verweigert die Unternehmerseite einen kräftigen Nachschlag. »Wir müssen auf dem Teppich bleiben«, sagte der Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände, Dieter Hundt, am Freitag in Berlin. »Die Forderungen der Gewerkschaften für die anstehenden Tarifverhandlungen kommen aus dem Wolkenkuckucksheim und sind vollkommen illusionär.« Die Gewerkschaften verlangen nach Angaben des ihnen nahestehenden WSI-Instituts bei den kommenden Lohnrunden zwischen fünf und sieben Prozent mehr.
Zahlreiche Wirtschaftswissenschaftler gehen davon aus, daß das massive Lohndumping in den zurückliegenden Jahre der deutschen Wirtschaft einen maßgeblich Konkurrenzvorteil auf den Märkten verschafft hatte. (Reuters//jW)
Quelle: www.jungewelt.de vom 29.01.11
Die hysterischen Reaktionen auf den Artikel unserer Vorsitzenden Gesine Lötzsch in der jungen Welt zielen auf Ausgrenzung und Diffamierung der Linken und ihrer auf soziale Gerechtigkeit und Frieden gerichteten Politik. Antikommunistische Vorbehalte in der bundesdeutschen Gesellschaft werden geschürt, um die langfristige Orientierung der Partei Die Linke auf einen demokratischen Sozialismus, auf die untrennbare Einheit von Sozialismus und Freiheit zu verunglimpfen. (…).
Die Politik unserer Partei hat in den vergangenen Jahren Wirkung gezeigt. Trotz mancher innerer Querelen gelang es, nicht nur mit einer großen Fraktion in den Bundestag einzuziehen, sondern auch in mehreren westdeutschen Länderparlamenten Fuß zu fassen. Relativ stabil steht sie bei den Umfragen um zehn Prozent und wird damit in der Wahrnehmung des Establishments zu einer Gefahr für die etablierten Parteien. Mit zunehmender Wirkung attackiert unsere Partei die unsoziale und äußerst friedensfeindliche Politik der schwarz-gelben Bundesregierung. Sie war und ist die einzige Partei, die in den vergangenen zwanzig Jahren konsequent für die innere Einheit Deutschlands sowie gegen die »Delegitimierung« der DDR kämpfte und kämpft und damit vor allem gegen die auf Diffamierung des Sozialismus gerichtete Politik der Herrschenden. Es ist eine Tatsache: Deutschland ist nach wie vor sozial und politisch zweigeteilt! Für die Partei Die Linke gilt: Dreieinhalb Jahre haben noch nicht gereicht, um eine einheitliche Partei zu formen (…)
Unsere Partei steht im Jahr 2011 vor einer weiteren großen Herausforderung: In sieben Landtagswahlen will sie erfolgreich sein! (…) Zweifellos werden in den Wahlkämpfen jene Aufgaben im Vordergrund stehen, die in der kommenden Wahlperiode möglichst realisiert werden sollen. Das sind neben sozialen Fragen, Problemen der Wirtschaftspolitik und Fragen der inneren Sicherheit sowie mit besonderer Betonung in allen Bundesländern Probleme der Bildungspolitik, des Ringens um gleiche und gute Bildungsmöglichkeiten für alle Kinder und Jugendlichen entsprechend den jeweiligen konkreten Bedingungen. Gleichzeitig sollten wir aber auch die Wahlkämpfe nutzen, um unsere friedenspolitischen Positionen stärker zu propagieren, den antikommunistischen und stärker werdenden rechtsextremistischen Tendenzen entgegenzuwirken. Als Antikriegs- und Völkerrechtspartei lehnen wir jeglichen Kampfeinsatz der Bundeswehr – mit wessen Mandat und wo auch immer – ab. (…)
Umso mehr gilt: Erfolgreich werden wir nur sein, wenn wir unsere in dem jeweiligen Wahlprogramm fixierten Aufgaben und die in der Programmdebatte erstrittenen grundlegenden Positionen offensiv erläutern, die Menschen für unsere Ziele überzeugen und sie dafür gewinnen, sich selber für ihre Interessen zu engagieren. Das erfordert einheitliches und gemeinsames Handeln aller Parteimitglieder.
Quelle: www.jungewelt.de vom 29.01.11
Meine sehr verehrten Damen und Herren !
Heute vor 66 Jahren sind russische Soldaten in Auschwitz auf ein Lager gestoßen, wo sie Tausende von Menschen völlig abgemagert und in Streifenanzügen vorgefunden hatten. Dieses Lager wurde widerstandslos eingenommen und die Soldaten gingen auf das Gelände und sahen sich um.
Sie überkam bei genauerer Betrachtung das Schaudern, was Deutsche da angerichtet hatten. Berge von Leichen und zersprengte Kaminöfen und ein Aschesee, der so groß wie ein Fußballdfeld war.
Erst langsam haben sie verstanden was hier gemacht wurde.
Trotz dieses Krieges war dies ein Schock für die russischen Soldaten und dieser Schock verbreitete sich alsbald auf der ganzen Welt und er wirkt heute noch.
Wir nennen es Holokaust, die Juden die Soa!
Mit diesem Schock kommt die Frage, wie Menschen denn so sein können? Warum in Gottes Namen können Menschen so werden, dass sie andere nur wegen ihrer Abstammung, wegen Ihrer Hautfarbe, wegen ihrer Religion oder wegen ihrer Staatszugehörigkeit wie Tiere in Wagongs nach Auschwitz fahren und vergasen und verbrennen ließen?
Meine Damen und Herren !
Auschwitz ist mehr als nur Erinnerung. Auschwitz ist eine Mahnung an uns lebende Menschen, dass wir alles dafür tun müsssen, dass dies nicht noch einmal Realität werden darf.
Keine Religion, keine politische Strömung und niemand hat das Recht, Menschen so zu behandeln!
Doch leider verhallt diese Warnung oft, weil auch heute noch Menschen aus religiösen oder politischen Gründen verfolgt, ausgegrenzt und ermordet werden!
Uns Deutsche trifft diese Tatsache besonders schwer, weil wir es waren, die durch einen Militärapparat und durch den Nationalsozialismus so etwas realisiert haben. Unsere Vorfahren haben so schlimme Dinge gemacht, dass wir es kaum in Worte fassen können. Wir stehen in der Schuld aller, die Betroffen sind. Doch leider können wir diese Toten nicht wieder lebendig machen. Um Vergebung bitten können wir nicht, weil das nicht geht, weil es uns zu sehr beschämt!
Was wir aber tun können, ist unsere Menschen daran zu erinnern, dass so etwas nicht wieder geschehen darf. Und so haben wir die Finanzierung dieser Gedenkstätten weitestgehend übernommen und wir klären unsere Jugend auf und wir gedenken dieser Verbrechen.
Indem wir heute gedenken, wollen wir auch diejenigen warnen, die heute immer noch Ideologien verbreiten, die so ähnlich sind, wie die der Nazis!
Möge dies in Zukunft nie wieder geschehen!
Ich danke Ihnen !
Quelle: Internet
Kairo. Folgt Ägypten Tunesien? Zumindest demonstrierten am Dienstag im ganzen Land Tausende Menschen gegen die Regierung von Hosni Mubarak, des autokratisch herrschenden Präsidenten. Sie trotzten einem riesigen Aufgebot an »Sicherheitskräften« in einer Stärke von bis zu 30000 Polizisten, das bereits in der Nacht zum Dienstag in den Straßen Kairos aufgezogen war. Allein in der Hauptstadt Kairo beteiligten sich etwa 15000 Menschen – so die zurückhaltenden Schätzungen offizieller Stellen. Demonstranten hielten ihre Losungen wie »Mubarak tritt ab« (Foto aus Kairo) oder »Tunesien ist die Lösung« hoch. Im Laufe des Tages setzte die Polizei Tränengas und Wasserwerfer ein, um die Menschen auseinanderzutreiben. Als die Massen eine Absperrung durchbrechen wollten, prügelte die Polizei mit Schlagstöcken auf die Menschen ein.
Es war die größte Demonstration in Ägypten seit Jahren, von der es anfänglich geheißen hatte, die Polizei wolle sich zurückhalten und es Tausenden Demonstranten erlauben, eine Absperrung zu durchbrechen. Auch in den Städten Alexandria, Mansura und Ismailija sowie in Assuan, Assiut und Al-Mahdia gab es Demonstrationen. Zu den Forderungen gehörten der Rücktritt von Innenminister Habib Al-Adli, dessen Polizei und Sicherheitsdiensten schwerste Menschenrechtsverstöße vorgeworfen werden, die Aufhebung des seit Jahrzehnten geltenden Ausnahmezustands und eine Erhöhung des Mindestlohns. Mehrere Gruppen hatten zu einem »Tag der Revolte gegen Folter, Armut, Korruption und Arbeitslosigkeit« aufgerufen. (AFP/dapd/jW)
Quelle: www.jungewelt.de vom 26.01.11
Berlin. Als Konsequenz aus den Bundeswehr-Affären fordert die Linksfraktion mehr Befugnisse für den Wehrbeauftragten des Bundestags. Es gebe seit vielen Jahren eine »ungeheure Arroganz des Verteidigungsministeriums« gegenüber dem Amt des Wehrbeauftragten, kritisierte die Parlamentarische Geschäftsführerin der Linksfraktion, Dagmar Enkelmann, am Dienstag in Berlin. Die Linksfraktion spricht sich u.a. dafür aus, den jährlichen Bericht des Wehrbeauftragten durch mehrere Zwischenberichte zu ergänzen. Bislang dürfe der Wehrbeauftragte einmal im Jahr seinen Bericht vorlegen, der stets weitgehend folgenlos bleibe. (dapd/jW)
Quelle: www.jungewelt.de vom 26.01.11
Vor einem Jahr wurde frech gegen die Krisenpolitik protestiert: „Wir zahlen nicht für eure Krise!“ Die heutige Demonstration geht davon aus, dass das Gegenteil der Fall ist: „Die Kosten der Finanz- und Wirtschaftskrise werden auf den Schultern der kleinen Leute abgeladen. Restriktive Sparprogramme, Kürzungen der Sozialleistungen, Einschnitte in öffentliche Daseinsvorsorge und das Bildungssystem verschlechtern die Lebens- und Arbeitsbedingungen.“ (DGB-Demo-Aufruf, www.herbstaktion.dgb.de)
Die Gewerkschaften mit all ihrer Organisationsmacht haben das nicht verhindert. Denn sie haben es nicht verhindern wollen. DGB-Chef Sommer findet es absolut in Ordnung, dass seine Leute für die Krise zahlen, die sie nicht verursacht haben. Er ist richtig stolz auf die Opfer, die sie für die Rettung der Banken, des deutschen Kapitalismus und für den Aufschwung der Gewinne bringen.
„Nachdem die Finanzhaie und Wirtschaftsspekulanten die Welt an den Rand des ökonomischen Abgrunds geführt haben, da waren wir, da waren die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gut genug, den ganzen Laden zu retten. Was wäre denn gewesen, ohne unseren Lohnverzicht bei Kurzarbeit, ohne milliardenschwere Bankenrettungspakete, für die letztlich alle Steuerzahler geradestehen müssen. Es ist unstreitig, dass ein Wirtschaftseinbruch von fünf Prozent dieses Land in eine soziale und wirtschaftliche Katastrophe gestürzt hätte, wären wir nicht gewesen. Ohne die Opfer der Arbeitnehmerschaft hätten wir heute keinen Aufschwung.“
Solchen Mist erzählt der DGB-Chef vor Demonstranten am 6. November in Hannover. Für ihn ist es nur logisch, dass die Arbeitnehmer in der Krise den Kapitalismus retten, in dem sie die elende Rolle des „Kostenfaktors Arbeit“ spielen. Sauer ist Kollege Sommer allerdings, wenn der Dank des Vaterlands ausbleibt, den er dafür erwartet hätte. Er ist allen Ernstes darüber beleidigt, dass Regierung und Kapital die Lohnopfer der Arbeitnehmer gerne einkassieren und zum Dank noch mehr davon verlangen. Was hat er denn erwartet? Hat er noch nie etwas vom Interessengegensatz von Arbeit und Kapital gehört? Sind Gewerkschaften nicht einmal gegründet worden, weil die Arbeiter in diesem Interessengegensatz nicht unter die Räder kopmmen?
„Deutschland in Schieflage“ – „Gerechtigkeit ist etwas anderes.“
Heute haben die Arbeiter eine Gewerkschaft, damit es eine Instanz gibt, die erstens die Opfer organisiert und verantwortet, die das Kapital für seinen Aufschwung braucht, die zweitens das Jammern über den Undank der Bosse und der Regierenden übernimmt und die drittens auch dabei noch einen sehr höflichen und patriotischen Ton anschlägt. Eine moderne Gewerkschaft fordert nicht materielle Vorteile für ihre Leute – unterlegt mit der Drohung, was sie alles lahmlegen und kaputt machen könnte, wenn ihre Forderungen nicht erfüllt werden. Die Kampforganisation der Arbeiterklasse, die anders könnte, appelliert wie ein ohnmächtiger Bittsteller an die Obrigkeit, sie möge Gerechtigkeit walten lassen und auf die arbeitenden Menschen die Rücksicht üben, die dann noch möglich ist, wenn für die Bankenrettung, den Euro und den Aufschwung vorrangig alles Nötige getan ist. An die materiellen Interessen der eigenen Mannschaft erinnert der DGB nur sehr zurückhaltend, eingewickelt nämlich in die Sorge um die Gleichgewichtslage des deutschen Staatsschiffs, um den inneren Zusammenhalt dieser Ausbeutungsgesellschaft und den Erhalt ihrer sozialen Ordnung. Über eine Demonstration, die sich dermaßen bescheiden und patriotisch präsentiert, können Merkel, Westerwelle und die Kapitalfunktionäre nur lachen: Es ist die Botschaft, dass sie nichts zu fürchten haben, wenn sie gerade so weitermachen wie bisher.
Die Forderungen des Herbstes: Große Phrasen – schäbiger Inhalt.
„Wir brauchen einen Kurswechsel“ – „Gute Arbeit“
„Gutes Auskommen im Alter“ – „Ein gutes Gesundheitssystem für alle!“
Warum werden derart selbstverständliche Ansprüche ans Leben in diesem reichen Land immerzu gefordert und doch nicht verwirklicht? Warum ist eine Arbeit, die einen nicht gleich auffrisst und deren Entgelt ein schönes Leben samt Wohlstand im Alter ermöglicht, für Arbeitnehmer nicht oder nur in Ausnahmefällen zu haben? Würden sich Gewerkschafter dieser Frage ehrlich stellen, müssten sie einräumen:
Sogar diese bescheidenen Ansprüche sind unverträglich mit dem kapitalistischen System.
Was soll „gute Arbeit“ auch heißen in einer Wirtschaft, in der die Nicht-Besitzenden davon leben müssen, dass sie Dienste für die Vergrößerung fremder Vermögen leisten? Nur wenn und nur so lange, also auch nur damit Kapitaleigner einen Gewinn aus ihnen herauswirtschaften, gibt es für die Lohnabhängigen Gelegenheiten zum Geldverdienen. Der Lohn muss knapp sein, damit er sich rentiert; Leistungsdruck und Arbeitshetze sind ebenso systembedingt wie die bleibende Existenzunsicherheit. Und im Alter stellt sich heraus, dass – egal ob die Rente privat, betrieblich oder über Sozialkassen organisiert ist – die meisten Arbeitnehmer im Leben nicht genug verdienen können, um als Rentner „ein gutes Auskommen“ zu haben.
Der DGB aber denkt nicht daran, seine humanen Phrasen ernst zu nehmen:
Der DGB fordert „gute Arbeit für alle“ und meint einen Mindestlohn von 7,50 €. Ist das gutes Geld für gute Arbeit, wenn ein Vollzeit-Arbeiter von ca. 1200,– € brutto im Monat sein Leben bestreiten muss? Die Forderung hat gute Aussichten: Die schwarz-gelbe Regierung verordnet selbst in vielen Branchen Mindestlöhne, die Opposition will sie in allen.
Der DGB sagt: „Leiharbeit ist moderner Sklavenhandel“ und will dann gar nicht die Leiharbeit, sondern nur ihren „Missbrauch“ verboten bekommen: Ihr korrekter Gebrauch liegt vor, wenn Leiharbeiter nach Basistarifen der Firmen entlohnt werden, in denen sie arbeiten. Das soll es sein? Ist die Welt voll guter Arbeit, wenn Leute, die täglich gefeuert werden können, für die Tage/Wochen/Monate, die sie in einer Firma sind, „equal pay“ erhalten? Auch in dieser Sache steht der DGB nicht allein: Arbeitsministerin von der Leyen bastelt selbst an einem Gesetz gegen den Missbrauch der Leiharbeit.
Der DGB fordert: „Altersarmut darf keine Perspektive für Millionen sein.“ – und wendet sich so gegen die Rente mit 67. Es stimmt schon, dass die Verschiebung des gesetzlichen Rentenbeginns um zwei Jahre die Altersarmut verschlimmern wird; es stimmt aber nicht, dass die immer wieder abgesenkte Rentenformel „gutes Auskommen im Alter“ sichern würde, wenn nur die allerletzte Verschlechterung unterbliebe. Hierzu versprechen SPD, Grüne und Linke lauwarme Unterstützung.
Die Arbeitnehmer haben sich in Krise und Aufschwung viel wegnehmen lassen und sind ärmer als zuvor. Jetzt fordert der DGB für sie einen „fairen Anteil“ an dem Aufschwung, der auf ihre Kosten geht. Das ist die aussichtsreichste seiner Forderungen, denn FDP-Wirtschaftsminister Brüderle empfiehlt selbst schon um circa 3 % höhere Löhne.
So geht vernünftige und realistische Gewerkschaftspolitik: Jeder Verschlechterung der Lebenslage der Lohnabhängigen läuft man mit dem Antrag hinterher, dass es doch bitte so schlecht bleiben sollte, wie es gestern war. Und stets tritt man dabei für staatliche Regelungen ein, die man vor ein paar Jahren als nicht hinnehmbare Angriffe auf den Sozialstaat beklagt hatte. Forderungen stellt man so, dass sie ein Bisschen über das hinaus gehen, was die Regierung sowieso plant. So hat auch ein Gewerkschaftsbund, der gar nichts mehr stören will, gute Chancen, wenigstens teilweise Gehör zu finden. Es fragt sich nur, ob Arbeiter und Angestellte dafür eine Gewerkschaft brauchen.
Quelle: GegenStandpunkt Verlag 2010
Die von der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt mit dem spanischen Konzern ACS abgeschlossene Vereinbarung zur Sicherung von Arbeitsplätzen ist nach Einschätzung von Juristen praktisch wertlos. Das ARD-Politikmagazin „Report Mainz“ des SWR zitiert den Wirtschaftsrechtler Uwe Schneider von der TU Darmstadt mit den Worten: „Ich habe mir den Vertrag angesehen, der ist so viel wert, wie die Niete in der Lotterie, nämlich gar nichts.“
Auch der Arbeitsrechtler Manfred Löwisch kam laut „Report Mainz“ zu dem Ergebnis, die Vereinbarung sei kaum haltbar. Das Papier sei „in wesentlichen Punkten rechtswidrig und damit nichtig“. Letztlich handele es sich um Absichtserklärungen, „aus denen man rechtlich wenig herleiten kann“.
Die IG BAU hatte im Dezember vergangenen Jahres ohne Wissen des Konzernbetriebsrates eine Vereinbarung mit ACS über die künftige Zusammenarbeit nach einer Übernahme von Hochtief durch die Spanier abgeschlossen. In dem bis Ende 2013 befristeten Papier wurde unter anderem festgeschrieben, dass der Konzernsitz in Essen verbleiben soll und ACS den Hochtief-Vorstand unterstützen werde, wenn er auf betriebsbedingte Kündigungen verzichten würde.
Streit zwischen Gewerkschaftern
Die Vereinbarung hatte zu einem heftigen Streit zwischen der IG BAU und dem Hochtief-Betriebsrat geführt, der sich durch den Alleingang der Gewerkschaft hintergangen fühlte. Erst am vergangenen Freitag hatten beide Seiten ihren Konflikt beigelegt und sich bei einem Treffen in Frankfurt darauf verständigt, bei der Vertretung der Arbeitnehmerinteressen künftig wieder an einem Strang zu ziehen.
ACS hat sich durch sein Übernahmeangebot nach eigenen Angaben inzwischen 31,6 Prozent der Hochtief-Anteile gesichert. Viele Experten sehen deshalb kaum noch Chancen für Deutschlands größten Baukonzern, die feindliche Übernahme durch die Spanier zu verhindern.
Quelle: www.tagesschau.de vom 25.01.11
Wie hält es die SPD mit Thilo Sarrazin? Zunächst schien die Angelegenheit klar. Die Parteiführung distanzierte sich deutlich von den Thesen ihres Parteigenossen. Der Vorsitzende Sigmar Gabriel höchstpersönlich erklärte in einem Zeit-Artikel vom 16. September 2010, warum der in Teilen der Partei seit langem unbeliebte Autor mit seinem Buch »Deutschland schafft sich ab« (München 2010) nicht mehr auf dem Boden sozialdemokratischer Grundüberzeugungen stehe. Vor allem wirft er ihm vor, die Herstellung von Gleichheit als Aufgabe der Politik aufgegeben zu haben und die Herrschaft von Menschen über Menschen mit seiner Schrift sogar zu rechtfertigen. »Es ist ein Buch über ›oben‹ und ›unten‹ in unserer Gesellschaft und darüber, warum es nicht nur gerecht, sondern auch aus biologischen Gründen völlig normal ist, daß es dieses ›Oben‹ und ›Unten‹ gibt«, stellte Gabriel fest.
Sarrazin stoße daher keine Integrations-, sondern eine Selektionsdebatte an, die in letzter Konsequenz die Demokratie selbst gefährde. Er habe keine Denkanstöße geliefert, sondern die Schrift sei Ausdruck einer intellektuellen Entgleisung. »Würde diese gesellschaftsfähig, dann wäre der Titel des Buches in der Tat völlig berechtigt und zugleich eine düstere Prognose. Denn dann schafft Deutschland sich tatsächlich ab, jedenfalls in seiner heutigen, demokratischen, aufgeklärten Verfassung.« Für eugenische Vorstellungen, die das Wohl der Gesellschaft von der staatlichen Förderung von Geburten nur in bestimmten Gruppen abhängig machen, sei in der SPD kein Platz. »Wer uns empfiehlt, diese Botschaft in unseren Reihen zu dulden, der fordert uns zur Aufgabe all dessen auf, was Sozialdemokratie ausmacht: unser Bild vom freien und zur Emanzipation fähigen Menschen. Und wer uns rät, doch Rücksicht auf die Wählerschaft zu nehmen, die Sarrazins Thesen (oder dem, was davon veröffentlicht wurde) zustimmt, der empfiehlt uns taktisches Verhalten dort, wo es um Grundsätze geht – und darüber jenen Opportunismus, der den Parteien sonst so häufig vorgeworfen wird.«
So weit, so gut. Doch gab es in der Sache Sarrazin in der SPD von Anfang an auch gewichtige Verteidiger des von Gabriel als Emanzipationsverweigerer Geschmähten, deren offene Parteinahme wohl auch weniger aus taktischem Kalkül, denn aus einer langjährigen Gesinnungskumpanei herrührt. »Wenn die SPD ihn ausschließen will, stehe ich bereit, ihn vor der Schiedskommission zu verteidigen«, kündigte etwa Klaus von Dohnanyi an (Süddeutsche Zeitung, 6.9.2010) und setzte seine Ankündigung dann auch in die Tat um. Zu den ganz frühen Sarrazin-Unterstützern gehört ein ehemaliger sozialdemokratischer Bundeskanzler. Er hätte Sarrazin in weiten Teilen zustimmen können, »wenn er sich ein bißchen tischfeiner ausgedrückt hätte«, sagte Helmut Schmidt in einem Zeit-Interview (12.11.2009) nach Sarrazins ersten bekanntgewordenen Attacken gegenüber muslimischen Migranten in der Zeitschrift Lettre International.
Ideologische Neuausrichtung
Schon während der frühen Phase seiner Kanzlerschaft war es zu einer ersten Kooperation zwischen Helmut Schmidt und Thilo Sarrazin gekommen. Damals ging es um nichts weniger als um eine ideologische Neuausrichtung der Partei, die sich bereits mit dem Godesberger Programm von 1959 weit von ihren marxistischen Wurzeln entfernt hatte. Im Umfeld des Parteitags von 1975 versuchten rechte Sozialdemokraten der Partei den letzten Rest linken Denkens auszutreiben. Als theoretisches Ersatzangebot zum Marxismus, rebellischen Juso-Forderungen nach mehr Gleichheit und Gesellschaftsanalysen der Frankfurter Schule brachten sie den sogenannten Kritischen Rationalismus des Philosophen Karl Popper in Stellung. Dessen Konzept der offenen Gesellschaft verwarf alle Denkansätze, die auf eine Überwindung kapitalistischer Herrschaft zielten, als gefährliche utopische Irrlehren und stellte selbst die Philosophie Hegels unter Totalitarismusverdacht.
Da es sich beim damaligen SPD-Bundeskanzler heute wie damals um einen bekennenden Popperianer handelt, muß es nicht verwundern, daß Helmut Schmidt höchstpersönlich ein Vorwort zu dem von Thilo Sarrazin sowie Georg Lührs, Frithjof Spreer und Manfred Tietzel herausgegebenen Buch »Kritischer Rationalismus und Sozialdemokratie« (Bonn-Bad Godesberg 1975) beisteuerte. Damals gab es aber auch Widerspruch aus der SPD. Heidemarie Wieczorek-Zeul stieß sich am 14. November 1975 in einem Beitrag für Die Zeit (»Ein ABC für Sozialdemokraten«) daran, daß die Herausgeber besagten Bandes ihr Feindbild politisch links verorteten. Bei dem Personenkreis handele es sich mit Ausnahme von Tietzel um Mitarbeiter des Forschungsinstituts der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung. »Wer sich die im vorliegenden Band ausgebreiteten Glaubenssätze zu eigen macht, wird kaum noch geneigt sein, sozialdemokratisch zu wählen oder gar der Sozialdemokratischen Partei als Mitglied anzugehören – es sei denn, er will aus ihr eine ganz normale konservative Partei machen«, urteilte die damalige Bundesvorsitzende der Jusos. Die Funktion des in dem Buch vorgestellten Kritischen Rationalismus bestimmte die Rezensentin in der »Rechtfertigung einer Politik, die angesichts schrumpfenden wirtschaftlichen Wachstums versucht, das ›Anspruchsniveau‹ für Reformen zu senken und staatliche Tätigkeit auf bloßes Reagieren gegenüber den Entscheidungen der privaten Unternehmen, auf Orientierung am ›Machbaren‹ zu reduzieren.«
Von konservativer Seite wurde die erste öffentlich wahrgenommene publizistische Wortmeldung Sarrazins dagegen sehr begrüßt. Felix von Cube schrieb in der gleichen Ausgabe der Zeit: »Sofern sich die SPD bisher einer marxistischen und damit pseudowissenschaftlichen Legitimation bediente, hat sich in den letzten Monaten ein beachtlicher Legitimationswandel vollzogen. Unter dem Titel ›Kritischer Rationalismus und Sozialdemokratie‹ wird – mit Zustimmung des Bundeskanzlers – die Politik der SPD auf eine neue Basis gestellt.«
Nur sieben Jahre später gab der unterdessen zum Leiter des Ministerbüros im Bonner Finanzministerium aufgestiegene Thilo Sarrazin wiederum in der Zeit eine Kostprobe, welche Resultate das derart gelobte neue Denken in der SPD hervorzubringen vermochte. Der stets auf maximale politische Wirkung bedachte Finanzexperte polemisierte gegen einen angeblich zu üppig verteilenden Sozialstaat und Angehörige sozial benachteiligter Bevölkerungsgruppen: »Schleichend hat sich eine Mentalität herausgebildet, die immer gedankenloser die Sorge für wachsende Teile des Lebensunterhalts als staatliche Aufgabe betrachtet, während das Bewußtsein schwindet, daß die Verantwortung für die materielle Gestaltung der eigenen Lebensumstände zuallererst eine individuelle Herausforderung ist.« (Sarrazin, Thilo: »Eine schleichende Krankheit«, In: Schwartz, Patrick: Die Sarrazin-Debatte, Hamburg 2010)
Neoliberale Vordenker
In späteren Jahren wurde es für sozialdemokratische Spitzenpolitiker selbstverständlich, öffentliches Eigentum zu verscherbeln, die Lebensrisiken von abhängig Beschäftigten zu individualisieren und private Unternehmen von Steuern und Sozialabgaben zu befreien. Eine Schlüsselrolle bei der Durchsetzung der neoliberalen Programmatik in der SPD spielte der Ökonom Ulrich Pfeiffer. Über ihn schrieb der Spiegel (vom 20.12.2010): »Wenn Sarrazin einen Freund hat, dann den Gründer des Berliner Forschungsinstituts empirica. Die beiden haben sich 1976 getroffen, Pfeiffer war damals Abteilungsleiter im Bauministerium in Bonn, Sarrazin Referent im Bundesfinanzministerium.«
Wer aber ist dieser Ulrich Pfeiffer? Die Berliner Zeitschrift MieterEcho porträtierte ihn im Jahr 2000 als einen Vertreter der neuen Eliten der Deregulierung. Bereits in den siebziger Jahren sei der in verschiedenen Bundesministerien beschäftigte SPD-Vordenker stark auf marktwirtschaftliche Modelle aus den USA fixiert gewesen. Die Arbeitsweise des Unternehmens stellte das MieterEcho wie folgt dar: »Scheinbar belegt durch harte Strukturdaten in Gestalt von ›Sachzwängen‹, stellt empirica die große Umverteilung öffentlicher Besitzstände in private Hände immer wieder als objektive Modernisierungsnotwendigkeit dar.«1 In der SPD habe Pfeiffer lange Zeit zu der Gruppe um den Bundestagsabgeordneten Peter Conradi gehört. Seine Spezialität seien Konzepte zur aktiven Mittelstandsförderung gewesen, die er als Bestandteil des sozialen Wohnungsbaus darstellte. Die vermeintlich Logik dahinter lautete: Der private Hausbau draußen an der Peripherie trage schließlich zur Entspannung der Marktlage in der Innenstadt bei. »Pfeiffer betrachtete ein möglichst geringes soziales Gefälle und einen ausgewogenen Kontext als wesentliche Garantien für soziale Kontrolle und Sicherheit der Nachbarschaften.« Die Nähe seines baupolitischen Ansatzes zum Konzept sogenannter Gated Communities, in denen sich die Wohlhabenden aller Herren Länder vom gemeinen Volk zu separieren suchen, ist unübersehbar. Da Pfeiffer im Laufe der 80er Jahre seine marktliberale Argumentation zu sehr forcierte, geriet er zeitweilig in Distanz zur damaligen SPD, ohne daß er und sein 1989 gegründetes Beratungs- und Forschungsunternehmen empirica die Zusammenarbeit mit einflußreichen Kreisen in der Partei je abgebrochen hätten.
Marktfixierung
Symptomatisch für seinen großen Einfluß auf die Partei in wirtschaftspolitischen Fragen ist der Umstand, daß Pfeiffer bis 2008 Sprecher des Managerkeises der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) war, dem nach eigenen Angaben rund 1300 Manager und Unternehmer angehören, von denen viele nicht Mitglied der SPD sind. »Zum Vorstand gehören aktive und auch ehemalige Manager großer Konzerne und Organisationen wie E.on, RWE, Evonik oder Deutscher Sparkassen- und Giroverband.
Seiner Selbstdarstellung nach bringt diese institutionelle Mischform aus wirtschaftspolitischem Think tank und Unternehmerlobby das Führungspersonal von Unternehmen und ihren Verbänden mit SPD-Politikern zusammen, um »unternehmerischen Sachverstand und betriebliche Erfahrungen in den wirtschaftspolitischen Diskurs öffentlichkeitswirksam« einzubringen3. Die Spezialität des Kreises seien »Hintergrundgespräche mit Spitzenvertretern aus Politik, Wirtschaft und Medien, um die Positionen des Managerkreises verstärkt in die politische Diskussion einzubringen.« Die dafür notwendige Infrastruktur wird durch die Abteilung Zentrale Aufgaben der Friedrich-Ebert-Stiftung zur Verfügung gestellt. Pfeiffers Stellvertreter in der Funktion des Sprechers war Sarrazin, der den Arbeitskreis im Jahr 1991 mit gegründet hatte. »Das langjährige Mitglied des Managerkreises Dr. Thilo Sarrazin hat in den letzten Jahren an vielen Thesenpapieren des Managerkreises mitgearbeitet und damit maßgeblich zu den Positionen des Kreises beigetragen«, heißt es in einer Presserklärung des Managerkreises zur Vorstandswahl vom 21.September 2010.
Aber was sind die Ideen und Konzepte, die von Sarrazin, Pfeiffer und ihren Mitstreitern im SPD-Umfeld ausgebrütet werden? Der Blick in eine von Ulrich Pfeiffer herausgegebene Publikation namens »Eine neosoziale Zukunft« (Wiesbaden 2010) zeigt deutlich, daß es um die Fortsetzung, ja Verschärfung der von der SPD-Grünen-Regierung der Basta-Politiker Gerhard Schröder und Joschka Fischer forcierten Politik gegen die Interessen der Mehrheit der Bevölkerung geht. In dem Sammelband verkündet Pfeiffer einmal mehr »das Ende sozialpolitischer Großzügigkeiten« (Pfeiffer 2010, S. 7) und beklagt die »eher Schaden stiftenden Regulierungen von Märkten« (ebd., S. 8). Zu den gemeinsamen Grundpositionen der Autoren, bei denen es sich zum überwiegenden Teil um Mitarbeiter des empirica-Instituts oder Mitglieder des SPD-nahen Managerkreises handelt, gehört der Glaubenssatz, daß Märkte nach »neosozialem Verständnis ein Wert an sich« sind (ebd., S. 19). Soziale Verbesserungen wollen sie daher nicht durch Marktregulierungen, sondern durch mehr »Leistungswettbewerb« erreichen (ebd., S. 57). Soziale Gleichheit halten die Autoren weder für ein erreichbares noch für ein wünschbares Politikziel. »Eine meritokratische, im fairen Wettbewerb entstandene Ungleichheit bleibt Voraussetzung einer wohlfahrtssteigernden Entwicklung und eines leistungsfähigen Sozial- und Bildungsstaats und wird nicht beseitigt werden können.« (ebd., S. 21) Sozialstaatszahlungen werden in dieser Perspektive vor allem als ein Übel angesehen, durch das »Leistungsanreize bei den Begünstigten und den Belasteten« (ebd., S. 13) verringert würden. Neosoziale Konzepte zu entwickeln, heiße daher vor allem, die soziale Marktwirtschaft neu zu interpretieren. Diese habe allzu lange dafür herhalten müssen, »die Abwehr von Härten zu begründen« (ebd., S.14). Die Autoren geben sich alle Mühe, eingeführte Begriffe umzudeuten und in ihr Gegenteil zu verkehren. So werden hilfebedürftige Menschen von Warnfried Dettling abwechselnd als »Transfervirtuosen«, »neue Unterschicht der Sozialstaatskunden«, »Kneteabsahner« oder als »Transfermultis« denunziert, »die verschiedene Berechtigungen mit sich herumtragen« (Dettling, Warnfried: »Sicherheit und Anerkennung«, in: Pfeiffer 2010, S. 65). Derselbe Autor führt den Begriff der Wohlfahrtsgesellschaft ein, durch die er den Sozialstaat ergänzt sehen will. Dabei gehe es um die Idee der Reziprozität, um das Prinzip der Gegenseitigkeit in sozialen Beziehungen: »Wer auch immer etwas an Solidarität von Staat und Gesellschaft bekommt, sollte nach Möglichkeit etwas zurückgeben.« (ebd., S. 67)
Neosoziale Zwangsarbeit
Hauptzweck der Übung ist die Senkung der Löhne auf das Niveau der Grundsicherung, was für einen Alleinlebenden einem Bruttostundenlohn von fünf Euro in der Vollzeittätigkeit entspreche, so Hilmar Schneider, der in dem Sammelband die Werbetrommel für das aus den USA importierte Konzept der »Workfare« rührt. Diese Idee bestehe darin, »Bezug von Sozialleistungen an eine Pflicht zur Gegenleistung in Form von Arbeit im weitesten Sinne zu koppeln. Sozialleistungen müssen gleichsam verdient werden. Durch dieses (…) Prinzip erhöht sich die Bereitschaft zu niedrig entlohnten Tätigkeiten radikal.« (Schneider, Hilmar: »Soziale Verantwortung am Arbeitsmarkt«, in: Pfeiffer 2010, S. 127) Der wichtigste Vorteil des Modells sei, daß eine deutliche Entlastung der Sozialkassen erreicht werde, wovon »die globale Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmer« profitiere, die durch zu hohe Beitragssätze zur Sozialversicherung strapaziert werde (ebd., 134).
Thilo Sarrazin hat in »Deutschland schafft sich ab« mit dieser kapitalfreundlichen Umdeutung des ursprünglich aus der linken Tradition stammenden und solidarisch gemeinten Prinzips der gegenseitigen Hilfe die Forderung einer Arbeitspflicht für Transfergeldbezieher begründet. Wer dieser gar nicht oder nur unpünktlich und unzuverlässig nachkomme, dem will er die Grundsicherung konsequent, schnell und nach sehr strengen Maßstäben kürzen oder gleich ganz streichen (Sarrazin 2010, S. 182 f.). »Das Entgelt für die Arbeitsleistung muß die Grundsicherung selber sein und die Konsequenz von Nicht-Arbeit der Leistungsentzug.« (ebd., S. 185) Die neosoziale Zukunft, der sich Sarrazin und die anderen Autoren aus dem Umfeld der Friedrich-Ebert-Stiftung verbunden fühlen, impliziert eine Gesellschaft, in der die lohnabhängigen Schichten vom Staat zu willfährigen Arbeitsrobotern konditioniert werden. Um das zu erreichen, sollen finanzielle Transfers »mit Anreizen und Prozessen« verknüpft werden, »welche die Situation und das soziale Verhalten verändern« (Dettling, a.a.O., S.70). Notleidende Transfergeldempfänger sollen beispielsweise dazu verpflichtet werden, sich weiterzubilden, ihre Kinder in Einrichtungen zu schicken oder selbst in einer Kindertagesstätte einfache Leistungen zu erbringen (Dettling, a.a.O., S. 70). Eltern, deren Kinder die Schule schwänzen, sollen auch dann mit empfindlichen Geldbußen belegt werden, wenn »dadurch das sozioökonomische Existenzminimum unterschritten wird«. (Sarrazin 2010, S. 233).
Kontinuität garantiert
Ursprünglich war vorgesehen, daß Sarrazin die Nachfolge seines Freundes Ulrich Pfeiffer als Vorsitzender des Managerkreises antritt. Nach den Auseinandersetzungen im Umfeld seiner Äußerungen in der Kulturzeitschrift Lettre International und der Veröffentlichung von »Deutschland schafft sich ab« sah man davon ab.4 Zum neuen Sprecher wurde am 21.September 2010 statt dessen ein gewisser Klaas Hübner gewählt worden. Der Unternehmer aus Neugattersleben (Sachsen-Anhalt) war von 2002 bis 2009 Abgeordneter des Deutschen Bundestags, stellvertretender Fraktionsvorsitzender und hat sich als Sprecher des rechten Parteiflügels, des Seeheimer Kreises, einen Namen gemacht. Nach ihrem Ausscheiden aus dem Vorstand des Managerkreises bleiben sowohl Ulrich Pfeiffer als auch Thilo Sarrazin weiterhin Mitglieder des sogenannten Steering-Komitees und werden auf diese Weise die inhaltliche Arbeit des Managerkreises weiterhin begleiten, heißt es in einer Presserklärung der Vereinigung. Bei soviel Kontinuität muß es auch nicht verwundern, daß der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel, der Sarrazin noch kurz zuvor scharf angegriffen hatte, in einem Interview mit Spiegel online weitgehend auf dessen Sozialdisziplinierungskurs einschwenkte: »Aber natürlich müssen wir auch fordern. Egal ob Deutscher oder Ausländer: Wer seine Kinder nicht regelmäßig und pünktlich in die Schule schickt, dem schicken wir die Polizei vorbei und der zahlt auch empfindliche Bußgelder – auch dann, wenn er Hartz-IV-Bezieher ist.« Nicht die ungerechten Verhältnisse müssen geändert, sondern die Menschen für diese passend gemacht werden. Diese Auffassung scheint in der oberen Funktionärs- und Führungsebene der SPD vorherrschend zu sein. Aus Sozialdemokraten sind rücksichtslose Neosozis geworden.
Anmerkungen:
1 www.bmgev.de/mieterecho/280/themen/13.pyhtml
2 www.morgenpost.de/berlin-aktuell/article1391299/SPD-Organisation-wirft-Sarrazin-aus-Vorstand.html
3 www.managerkreis.de/
4 www.morgenpost.de/berlin-aktuell/article1391299/SPD-Organisation-wirft-Sarrazin-aus-Vorstand.html
Quelle: www.jungewelt.de vom 25.01.11