Das schöne an der »repräsentativen« bzw. Parteiendemokratie ist, daß sie bisweilen als das kenntlich wird, was sie ist: eine Mischung aus Transmissionsriemen zur Durchsetzung von Kapitalinteressen und würdelosem Postengerangel auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten. Wer zur politischen Klasse gehört, aber von letzterem die Nase voll hat, verabschiedet sich irgendwann in die etwas stilleren, aber deutlich lukrativeren Ecken der Macht, wie z.B. Friedrich Merz, Roland Koch (beide CDU) oder auch zuletzt der FDP-»Hoffnungsträger« Andreas Pinkwart.
Letztgenannter dürfte genau gewußt haben, was er sich unbedingt ersparen wollte. Binnen knapp zwei Jahren entpuppte sich seine mit sensationellen 14,6 Prozent in die Bundesregierung katapultierte Partei der »Leistungsträger« als planloser Haufen von Karrieristen und Politdarstellern. Statt Schwert und Schild aller Raffkes der Republik zu werden, verkam die FDP mit ihrem Steuersenkungsmantra inmitten einer heftigen Finanzmarkt- und Haushaltskrise zur Lachnummer. Ihr selbstverliebter Vormann Guido Westerwelle litt – berauscht von seiner neuen Wichtigkeit – an wachsendem Realitätsverlust. Jede Landtagswahl wurde seitdem zur Zitterpartie, und in bundesweiten Umfragen stabilisieren sich die Liberalen derzeit bei vier Prozent.
Unter normalen Vorzeichen müßte eine derartige Entwicklung zu einer politischen Grundsatzdebatte führen. Doch eine solche macht nicht nur, aber besonders bei der FDP überhaupt keinen Sinn, da sie ihre Existenz ohnehin nur ihrer vermeintlichen oder tatsächlichen Fähigkeit zur Durchsetzung bestimmter Klientelinteressen – von der Hotel- bis zur Pharmabranche, vom Zahnarzt bis zum AKW-Betreiber – verdankt.
Jetzt, wo dieses Kartenhaus zusammengefallen ist, geht es nur noch um Posten. Herausgehobene Ämter haben offensichtlich nichts mit Qualifikation und Erfahrung zu tun, sondern werden zur Manövriermasse einer Politikerkaste, die ihre Pfründe mit Zähnen und Klauen verteidigt. Wer Federn lassen muß, wie die gescheiterte Fraktionsvorsitzende Birgit Homburger, wird natürlich abgefunden, z.B. mit einem Staatsministerposten im Auswärtigen Amt. Dort sitzt mit Cornelia Pieper bereits eine Altlast, der man die große Rochade mit einem attraktiven Botschafterposten schmackhaft machen könnte. Wer wie Rainer Brüderle als Wirtschaftsminister und Parteivize untragbar geworden ist, bekommt dafür die Fraktionsführung. Sein altes Ressort übernimmt dann der neue Parteichef Philipp Rösler, der das bisher von ihm geleitete Gesundheitsministerium per Erbfolge an seinen Staatssekretär Daniel Bahr übergibt. Das ganze nennt sich dann »personelle und politische Erneuerung«.
Natürlich agieren die anderen großen politischen Parteien – wenn überhaupt – nur unwesentlich appetitlicher. Aber die unbekümmerte Skrupellosigkeit dieser halbseidenen Marodeure läßt auf deren schnelles Verschwinden im politischen Orkus hoffen.
Quelle: www.jungeweltd.e vom 11.05.11
Die Bereitstellung der Einsatzkontingente wird bereits 2012 nicht mehr im heutigen Umfang möglich sein« warnt Bundeswehrgeneralleutnant Werner Freers in einem Brandbrief an den Generalinspekteur der Bundeswehr, Volker Wieker. Aufgrund sich abzeichnender Personalnot sieht Freers den Afghanistan-Einsatz der deutschen Armee gefährdet. Mit Ende der Wehrpflicht muß die Bundeswehr ihren Nachwuchsbedarf von jährlich etwa 15000 neuen Rekruten vollends aus der Zivilgesellschaft werben – und das gestaltet sich angesichts unpopulärer und gefährlicher Auslandseinsätze sowie immer neuer Militärskandale schwierig. Bei Werbeveranstaltungen versucht die Armee daher, ihre militärische Seite zu verschleiern, und wirbt mit bunten Funsportevents um frisches Blut.
Die »Schul-Liga« ist eine kommerzielle Fußball-Liga für Schülerinnen und Schüler. In Sporthallen treten die Jungs in den Kategorien U14, U16 und U21, Mädchen in den Kategorien U14W und U20W bei Turnieren gegeneinander an. Jede Mannschaft hat vier Feldspieler plus einen festen Torwart. Ein Spiel dauert zweimal sieben Minuten, die Pause beträgt drei Minuten.
Sponsor der Schul-Liga
Veranstalter der Schul-Liga ist die »KD Sportnetz GmbH & Co.KG«, ein auf Organisation und Vermarktung von Sportveranstaltungen spezialisiertes Unternehmen aus Rehlingen-Siersburg im Saarland. Finanziert wird die Schul-Liga durch die Anmeldegebühr von 75 Euro pro Team und – was wohl den weit größeren Teil ausmacht – durch Sponsoren. Seit der aktuellen Saison 2010/2011 hat die Liga den »Premiumpartner« Bundeswehr. Die deutsche Armee ist als Werbepartner sowohl bei den Turnieren vor Ort als auch in den Medien der Liga präsent.
So wirbt etwa die Nationalspielerin Fatmire Bajramaj in einer Webanzeige der Bundeswehr auf der Schul-Liga-Homepage. »Im Sport und bei der Arbeit gilt: Teamwork führt zum Erfolg«, wird die bekannte junge Fußballerin, die auch Sportsoldatin und deren Arbeitgeber daher die Bundeswehr ist, in der Anzeige zitiert. Auch die Tore des Monats werden von der Bundeswehr vorgestellt – vor dem Video, das sofort nach Aufrufen von www.schul-liga.de automatisch startet, läuft ein Werbespot für eine »Karriere mit Zukunft« als Soldat.
Die Schul-Liga hat sogar ein eigenes Magazin. Auch in dem 32seitigen Heft mit dem Titel Fußball erleben ist die Armee gut vertreten: Gleich auf Seite zwei wird wieder mit dem Gesicht Bajramajs für den Dienst an der Waffe geworben: »Wir bieten zahlreiche attraktive Ausbildungs- und Berufsangebote für alle Schulabschlüsse«, heißt es da. Darunter die Nummer einer kostenlosen »Karriere-Hotline« der Armee. Im redaktionellen Teil des Magazins wirbt die Armee unter dem Titel »Gute Chancen beim Arbeitgeber Bundeswehr« mit einem Interview in eigener Sache. Auch das Thema »Auslandseinsätze« wird in einer Frage angesprochen – über die Gefährlichkeit der Einsätze wird indes kein Wort verloren. Der Werbeartikel ist nicht als »Anzeige« gekennzeichnet, was gegen journalistische Grundsätze verstößt.
Die größte Werbemaßnahme der Bundeswehr bei der Schul-Liga ist aber das Vollsponsoring der U21-Kategorie – diese trägt sogar offiziell den Namen »U21 Bundeswehr Schul-Liga« samt eigenem Logo mit Eisernem Kreuz und »Karriere mit Zukunft«-Slogan. Knapp 80 Turniere der »U21 Bundeswehr Schul-Liga« werden in über 30 Städten ausgetragen. Eine kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag brachte zutage, daß mit der »U21 Bundeswehr Schul-Liga« etwa 2500 Jugendliche ab 16 Jahren erreicht werden. Wer bei den Stadtturnieren besteht, darf am 28.Mai am Finale der »U 21 Bundeswehr Schul-Liga« in Wolfsburg teilnehmen.
Bei den Spielen dabei sind auch immer Wehrdienstberater der Armee, die mit Broschüren und Werbetafeln um neuen Nachwuchs für die Bundeswehr werben. Zudem verlost die Armee bei jedem Turnier einen Trikotsatz: »Bundeswehr – Karriere mit Zukunft« ist auf den blauen Hemden zu lesen. Die in der aktuellen Spielsaison verlosten Trikotsätze, 400 weitere T-Shirts mit Bundeswehr-Logo sowie Fußbälle kosten den Steuerzahler über 42000 Euro. Die Gesamtkosten der deutschen Streitkräfte für die Kooperation mit der Schul-Liga belaufen sich auf über 240000 Euro.
Turnier der Truppe
Seit 2005 veranstaltet die Bundeswehr alle zwei Jahre das Jugendsportevent »Bundeswehr-Beachen«. Dabei treten rund 1200 Jugendliche im Alter von 16 und 17 Jahren bei verschiedenen Funsportarten – in diesem Jahr soll Beachvolleyball und Beachsoccer gespielt werden – in Teams gegeneinander an. Das Turnier für Teilnehmer aus den südlichen Bundesländern wird vom 20. bis 22. Mai in der Pionierschule der Bundeswehr in Ingolstadt ausgetragen. Teilnehmer aus den nördlichen Bundesländern spielen vom 27. bis 29. Mai in der Sportschule der Bundeswehr im westfälischen Warendorf nahe Münster.
Für die Organisation der »Bw-Beachen«-Turniere hat die Bundeswehr seit Jahren eine externe Werbeagentur engagiert. »Nach dem Ende der Wehrpflicht steht die Nachwuchsgewinnung in einem besonderen Fokus«, so Christoph Steckhan von »Euro RSCG ABC Hamburg«. Für die Bundeswehr seien die zwei Turniere daher eine Chance, sich bei jungen Leuten zu präsentieren: »Der Gedanke ist, daß die jungen Leute zum ›Bw-Beachen‹ kommen, sich die Armee dabei angucken und eine Meinung bilden – wenn dabei ein gewisser Prozentsatz der Teilnehmer positiv beeinflußt wird, hat sich die Veranstaltung rentiert«, erklärt Steckhan weiter. Um dieses Ziel zu erreichen gibt es beim »Bw-Beachen« neben dem Sport ein umfangreiches Infotainmentprogramm. Bereits in den letzten Jahren konnten Militärhubschrauber, Kampfpanzer und Drohnen auf den Turnier-Geländen besichtigt werden, Soldaten standen für Gespräche bereit, Wehrdienstberater informierten über Armee-Laufbahnen, und abends sorgten Live-Bands für Stimmung.
Anzeigen für »Bw-Beachen ’11« finden sich in Jugendmagazinen wie Bravo-Sport, Popcorn oder der mit einer Auflage von einer Million Exemplaren größten deutschen Schülerzeitung, dem SPIESSER. Auch kostenlose Werbepostkarten wurden in Schulen ausgelegt.
»Bw-Beachen ’09« ließ sich die Bundeswehr stolze 340000 Euro – also knapp 285 Euro pro Teilnehmer – kosten. Ähnlich hoch werden die Kosten wohl auch in diesem Jahr sein, denn wie jedes Jahr ist das Jugendsportevent für die Teilnehmer kostenlos – neben Verpflegung und Unterbringung wird auch die Anreise per Bahn bezahlt. In den Jahren ohne »Bw-Beachen« findet jeweils das »Bw-Olympix« statt – dabei werden noch mehr Funsportarten angeboten.
Quelle: www.jungewelt.de vom 10.05.11
NATO-Kriegsschiffe haben ein Boot mit afrikanischen Flüchtlingen 16 Tage lang hilflos im Mittelmeer treiben lassen. Von 72 Menschen überlebten nur neun. Über das bisher von westlichen Medien ignorierte Drama berichtete am Sonntag abend erstmals die britische Tageszeitung The Guardian. Nach den Erkenntnissen des Londoner Blattes war das Flüchtlingsschiff am 25. März im Hafen der libyschen Hauptstadt Tripolis gestartet, um die rund 300 Kilometer entfernte italienische Insel Lampedusa zu erreichen. An Bord befanden sich 47 Äthiopier, sieben Nigerianer, sieben Eritreer, sechs Ghanaer und fünf Sudanesen. Unter den Passagieren waren zwanzig Frauen und zwei kleine Kinder.
Nach 18 Stunden Fahrt geriet das kleine Schiff in Seenot und verlor Treibstoff, heißt es im Guardian-Bericht. Mit einem Satellitentelefon informierten Flüchtlinge den in Rom lebenden eritreischen Priester Moses Zerai. Der Pater alarmierte die italienische Küstenwache, die die Lage des Bootes feststellte und Zerai versicherte, daß alle zuständigen Stellen unterrichtet worden seien.
Tatsächlich tauchte wenig später ein mit dem Wort »Army« beschrifteter Hubschrauber über dem Flüchtlingsschiff auf. Die Besatzung ließ Wasserflaschen und Pakete mit Keksen herab und gab dem Kapitän durch Zeichen zu verstehen, er solle auf Kurs bleiben und die Ankunft eines Rettungsschiffs abwarten. Dieses erschien jedoch nicht. Bei der NATO war bisher nicht zu ermitteln, zu welchen Streitkräften der Hubschrauber gehörte.
Am 27. März war der Treibstoff verbraucht, es waren kaum noch Wasser und Nahrung vorhanden, und das Schiff trieb nur noch mit den Strömungen. Am 29. oder 30. März befand sich das Boot in Sichtweite eines Flugzeugträgers. Nach Angaben von Überlebenden stiegen zwei Düsenjäger auf und überflogen das Boot in niedriger Höhe, während die Flüchtlinge ihnen verzweifelt zuwinkten. Auch jetzt kam jedoch keine Hilfe.
Nach Guardian-Recherchen handelte es sich vermutlich um den französischen Flugzeugträger Charles de Gaulles, der zu diesem Zeitpunkt dort operierte. Französische Marinestellen bestritten gegenüber der Zeitung zunächst, daß sich der Träger zur fraglichen Zeit in diesem Gebiet befunden habe. Als die Journalisten anhand von Meldungen das Gegenteil bewiesen, verweigerten die Franzosen jeden weiteren Kommentar. Ein NATO-Sprecher erklärte der Zeitung, daß bei der Allianz keine Notrufe des Flüchtlingsbootes eingegangen seien und daß es keine Berichte über diesen Zwischenfall gebe.
Während der folgenden zehn Tage starben die meisten Insassen des Schiffs an Durst und Hunger. Als das Boot am 10. April wieder an die libysche Küste getrieben wurde, lebten nur noch elf Menschen. Einer von ihnen starb unmittelbar nach der Landung, ein weiterer wenig später im Gefängnis, wohin die Überlebenden zunächst gebracht worden waren.
Das internationale Recht verpflichtet alle Nationen, Schiffbrüchigen zu Hilfe zu kommen. Darüber hinaus rechtfertigt die westliche Militärallianz ihren Krieg gegen Libyen ausdrücklich mit dem Schutz und der Rettung von Menschenleben.
Quelle: www.jungewelt.de vom 10.05.11
Eine Wiener Studie kommt zu dem Ergebnis, dass im Falle eines Austritts von Caesium 137 aus dem Atomkraftwerk im belgischen Tihange auch die Region Prüm evakuiert werden müsste. In Nordrhein-Westfalen wird über die Konsequenzen aus diesem Gutachten diskutiert.
Lüttich. Nach der Reaktor-Katastrophe im japanischen Fukushima hat die Bundesregierung die Alt-Meiler vorläufig vom Netz genommen. Doch selbst ein schneller Atom-Ausstieg, den Schwarz-Gelb zurzeit zu favorisieren scheint, würde den Kreis Euskirchen und die Eifel nicht vor den Folgen eines möglichen Gaus (größter anzunehmender Unfall) bewahren. Das Atomkraftwerk (AKW) Tihange in Belgien liegt nur 107 Kilometer von Euskirchen und 83 Kilometer von Hellenthal entfernt. Zum Vergleich: Das nächstgelegene deutsche AKW Biblis liegt in 157 Kilometern Entfernung zur Kreisstadt Euskirchen.
In einer Studie der Universität für Bodenkunde Wien beschäftigt sich Petra Seibert mit einem simulierten Super-Gau im AKW Tihange. Bei einem Austritt von Caesium 137 und ungünstiger Wetterlage würden Aachen und die Eifel-Gemeinden Monschau, Hellenthal und Prüm zum ,,langfristig unbewohnbaren Gebiet“.
Ein derartiges Katastrophen-Szenario zeitigt politische Reaktionen: Die Grünen aus Düren forderen eine sofortige Abschaltung des belgischen Meilers. Die Aachener SPD kritisiert eine mögliche Laufzeitverlängerung. In Weilerswist fordert Liane Traue (Grüne) Bürgermeister Peter Schlösser auf, die belgische Regierung mit Nachdruck zum Abschalten des Alt-Meilers zu bewegen. Der Gemeinderat solle eine entsprechende Resolution beschließen.
Rückendeckung erhält Traue von ihrem Parteifreund, Oliver Krischer. Der Dürener Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende des Fördervereins Nationalpark Eifel ist Mitglied des Ausschusses für Reaktorsicherheit: ,,Die Reaktorblöcke in Tihange sind mit 26, 29 und 36 Jahren sehr alt. Die Wahrscheinlichkeit eines Unfalls steigt alleine schon durch den Verschleiß der Bauteile.“ Er zweifelt zudem die Erdbebensicherheit des Kraftwerks an. ,,Die von der Atomaufsichtsbehörde angegebene Sicherheit bis zu 5,9 auf der Richterskala ist in Anbetracht des Bebens von 1992 im nur 90 Kilometer entfernten Roermond mit eben diesem Wert nicht zufriedenstellend.“
Mehrere Störfälle
Laut MdB Detlef Seif (CDU) ist der Traue-Antrag ,,formal falsch“. Außenpolitik sei Sache des Bundes. ,,Ich habe zwar Verständnis, aber es macht keinen Sinn, wenn jede Kommune nach Belgien schreibt.“ Seif hält es indes für richtig, die ,,Risiken der Kernenergie“ schnell zu überwinden. Das dürfe aber nicht zulasten der Energieversorgungs-Sicherheit, der Strompreise und des Klimaschutzes passieren. Außerdem würden zur Stunde die Energieminister in Budapest über den ,,Stresstest“ beraten, also die Sicherheitsüberprüfung aller AKW in der EU.
Von Minister-Gipfel und freiwilligem Stresstest verspricht sich Krischer indes herzlich wenig: ,,Das ist purer Aktionismus. Wir haben in Europa Regeln für die Krümmung von Bananen, aber keine einheitlichen Standards für die Sicherheit von AKW.“
,,Wir wollen die alten Meiler abschalten“, betonte MdB Gabriele Molitor (FDP), ,,aber wir müssen auch dafür sorgen, dass wir dann keine Kern-Energie von alten Meilern aus den Nachbarländern beziehen“. Dies würde nämlich bedeuten, dass Alt-AKW wie Tihange und Cattenom länger am Netz blieben.
Laut Krischer kam es in Tihange in der Vergangenheit zu mehreren Störfällen. Das aktuell gültige Gesetz von 2003 sehe vor, dass die belgischen Atomkraftwerke nach 40 Jahren Laufzeit geschlossen werden sollten – also Tihange 1 im Jahr 2015. 2009 hätten aber Energie-Minister Paul Magnette und Premier Herman Van Rompuy vor dem Hintergrund leerer Staatskassen gegen entsprechende Millionenzahlungen des Kraftwerk-Eigentümers eine Laufzeitverlängerung von zehn Jahren beschlossen. Diese Regierung sei aber Anfang 2010 gestürzt worden, bevor sie die Laufzeitverlängerung habe festzurren können. Daher gelte zunächst weiterhin der Ausstieg nach 40 Jahren Laufzeit. Landrat Günter Rosenke kündigte Mittwoch an, er wollte das ,,Thema Tihange“ im Rahmen der Landräte-Konferenz in Aachen ,,mit meinen Kollegen besprechen“. Im Falle eines Falles seien ja auch mehrere Landkreise betroffen.
Keine Erkenntnisse
Gibt es im Fall einer Katastrophe in Tihange Notfallpläne? Krischer stellte diese Frage dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Die Antwort aus Berlin liegt vor. ,,Das belgische Kraftwerk Tihange ist knapp 60 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt. Gemäß Rahmenempfehlung für den Katastrophenschutz in der Umgebung kerntechnischer Anlagen reichen Katastrophenschutz-Planungen bis zu einer Entfernung von 25 Kilometer um die jeweilige Anlage. Dies gilt auch für ausländische, nahe der Grenze zu Deutschland gelegene Kernkraftwerke (…)“ Und weiter: ,,Nur für die Katastrophenschutz-Maßnahme ,Jodblockade‘ (Einnahme von Jodtabletten) wurde in Deutschland für ,Jugendliche bis 18′ und ,Schwangere‘ ein Planungsradius von 100 km festgelegt.“ Krischer wollte auch von der Bundesregierung wissen, welche Informationen sie über Sicherheitseinrichtungen (Notkühlsysteme) und Risikolagen (Erdbeben, Hochwasser oder Flugzeugabstürze) der Druckwasser-Reaktorblöcke Tihange 1 bis 3 hat.
Antwort: ,,Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse vor.“
Die belgische Atompolitik sorgte im Kreis Euskirchen Mitte der 1990er Jahre für Unruhe, als der belgische ,,Nationale Dienst für radioaktiven Abfall und angereichertes Spaltmaterial“ prüfte, ob sich ein 900 Hektar großes Areal in der belgischen Grenzgemeinde Amel, wenige Kilometer von der Gemeinde Hellenthal entfernt, als mögliches Endlager für schwachradioaktiven Atommüll eigne, der bis dahin im Meer versenkt worden war. Gegen diesen Standort, einer von insgesamt 98, die in Belgien unter die Lupe genommen wurden, regte sich auf beiden Seiten der Grenze erheblicher Widerstand. Höhepunkt der Proteste war im September 1994 ein großer Sternmarsch der Bürger. Zu einem Endlager in Amel kam es allerdings nicht.
Quelle: www.volksfreund.de vom 09.05.11
Ürzig/Zeltingen, 9. Mai 2011
Mit Entsetzen hat die Bügerinitiative Pro-Mosel die Zustimmung zu den Koalitionsvereinbarungen zwischen den rheinland-pfälzischen Grünen und der SPD zur Kenntnis genommen, in der der Weiterbau des Hochmoselüergangs beschlossen wurde.
Hier wurde ein Projekt, das nach den Grundsätzen der Grünen eigentlich nicht tragbar sein dürfte, mit in die Verhandlungsmasse für den Koalitionspoker eingebracht.
Die offizielle Begründung für die Zustimmung, das Land müsse mit hohen Regressforderungen im Falle eines Ausstiegs rechnen, folgt einer aus CDU-Kreisen aufgebauten Drohgebärde, die jedoch nicht belastbar ist. Die vorgelegten Zahlen sind einerseits völlig überhöht und die Wahrscheinlichkeit, dass der Bund das Land in Regress nehmen würde, eher gering. Mit einem Stopp dieser noch in den Anfängen begriffenen Baumaßnahme würde der Bund mehrere hundert Millionen Euro, je nach Schätzung sogar bis zu einer halben Milliarde einsparen. Zudem wäre der größte Teil des bisher Gebauten auch ohne Hochbrücke sinnvoll.
Die Redebeiträge während der Delegiertenversammlung der Grünen am 8. Mai 2011 in Neuwied, insbesondere der des Bundespolitikers Volker Beck, förderten den eigentlichen Grund für die Grüne Zustimmung zutage: Kurt Becks Hartnäckigkeit. Wird die ‚Basta-Politik‘ nun auch zum Leitfaden der neuen Landesregierung?
„Ökologisch schädlich, ökonomisch unsinnig, ästhetisch eine Zumutung“ – unter diesem Motto hatte die Grüne Partei den Widerstand gegen das Brückenprojekt seit mehr als 10 Jahren begleitet. In einem Handstreich wurden diese Bedenken nun anderen Interessen untergeordnet.
In einem Flugblatt der Grünen von 1982 heißt es: „Die Schäden für die Landwirtschaft, Weinbau und Fremdenverkehr sind unvertretbar groß, ja existenzgefährdend. Die Vernichtung von Arbeitsplätzen und Existenzen in der Landwirtschaft führt aber auch anderweitig zu Arbeitsplatzverlusten.“ (1)
2001 kritisierten die Grünen die Landesregierung sehr deutlich: „Damit bewahrheiten sich auch die Vorwürfe von Bündnis 90/ Die Grünen an die Landesregierung, dass dieser mit der B50neu mitnichten an einer regionalen Entlastung unserer Gegend liegt, sondern allein an dem Denkmal ‚höchste 4-spurige Brücke Europas mit 2- spurigen Zufahrten'“. (2)
In ihrem aktuellen Blog bringt Eveline Lemke den Widersinn der jetzigen Entscheidung ihrer Partei deutlich zum Ausdruck: „Die Hochmoselbrücke ist, wenn sie demnächst steht, eine Zumutung für die Kulturlandschaft Moseltal, für die Mosel-Winzer, für den Mosel-Tourismus und für unser Land. Wir werden alles dafür tun, dass sie das letzte Projekt der längst überholten Verkehrspolitik der 60er und 70er Jahren ist.“ (3)
Georg Laska von Pro-Mosel: „Wir mahnen die rheinland-pfälzischen Grünen an ihre Verantwortung. Die Zustimmung zum Hochmoselübergang macht die Grünen mitverantwortlich für alle mit dieser Baumaßnahme verbundenen Schäden, Beeinträchtigungen und finanziellen Risiken. Besonders schmerzlich ist für viele Menschen die Verschandelung einer Jahrtausende alten Kulturlandschaft und der damit verbundene Imageverlust für die Moselregion.“
Die Bürgerinitiative Pro-Mosel wird den Kampf gegen das ‚Skandalprojekt‘ fortsetzen, auch wenn die einstigen Unterstützer zu Gegnern werden sollten. Insbesondere bleibt es bei der Forderung nach einem Stresstest, mit Erstellung aller fehlenden Gutachten und unter Berücksichtigung aktualisierter Fakten.
1) http://www.pro-mosl.de/html/projekt/nein-zur-A-60.pdf
2) http://pro-mosel.de/html/projekt/kommt_nicht.pdf
3) http://eveline-lemke.de/herzlich-willkommen/?no_cache=1&expand=353061&displayNon=1&cHash=9d379cfd21f945864cdacc257d4e747a
Weitere Informationen:
http://pro-mosel.de
http://material.pro-mosel.de
Berlin (ots) – In vielen deutschen Städten und Gemeinden ist die Straßenbeleuchtung veraltet und muss dringend erneuert werden. Um Kommunen bei der Beschaffung moderner, energieeffizienter Straßenbeleuchtung zu unterstützen, stellt die Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena) im Rahmen ihrer Initiative EnergieEffizienz ein neues Online-Angebot auf www.energieeffizienz-im-service.de zur Verfügung.
Rund 570 Millionen* Euro zahlen deutsche Kommunen jedes Jahr für die Beleuchtung der Straßen. Durch Modernisierung und Austausch veralteter Anlagen lassen sich bei gleichzeitiger Verbesserung der Beleuchtungsqualität Stromverbrauch und -kosten deutlich senken. Mit dem „Lotsen energieeffiziente Straßenbeleuchtung“ können Mitarbeiter kommunaler Verwaltungen nachvollziehen, wie eine Kommune veraltete Straßenbeleuchtung erfolgreich sanieren oder austauschen kann. Dabei werden für alle Schritte – Ist-Analyse, Planung und Finanzierung, Ausschreibung und Vergabe sowie Wartung – umfangreiche Hintergrundinformationen, Handlungsempfehlungen und Tools angeboten.
Die rund 11.300 Kommunen in Deutschland wenden pro Jahr über 4 Milliarden kWh Strom – und damit 7 Prozent ihres jährlichen Stromverbrauchs – für Straßenbeleuchtung auf. Rund 40 Prozent der dafür anfallenden Stromkosten, umgerechnet rund 229 Millionen Euro, könnten nach einer Schätzung des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB) durch die Modernisierung veralteter Straßenbeleuchtung eingespart werden.
Die Initiative EnergieEffizienz ist eine Kampagne der dena und wird gefördert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie. Der „Lotse energieeffiziente Straßenbeleuchtung“ wurde in Zusammenarbeit mit dem Zentralverband der Elektroindustrie, dem Forum Contracting sowie dem DStGB erarbeitet und wird unterstützt durch die KfW Bankengruppe.
* Quelle: Deutscher Städte- und Gemeindebund (DStGB).
Pressekontakt:
Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena), Gunnar Will
Chausseestraße 128a, 10115 Berlin
Tel: +49 (0)30 72 61 65-723, Fax: +49 (0)30 72 61 65-699
E-Mail will@dena.de, Internet: www.dena.de
Duisburg/Köln — Elektroautos ließen sich einer Untersuchung zufolge schon heute im großen Stil in den deutschen Stadtverkehr integrieren. Größere Investitionen in die Infrastruktur der Kommunen seien dazu nicht nötig, erklärte die Universität Duisburg-Essen unter Berufung auf erste Ergebnisse einer Großstudie. Noch bis Sommer untersucht die Hochschule gemeinsam mit dem Autobauer Ford am Beispiel der Stadt Köln die Möglichkeiten und Schwierigkeiten von Elektroautos in deutschen Städten.
Die Forscher fuhren demnach zunächst mit Elektroautos sogenannte „Musterstrecken“ in der Stadt ab. Am Computer hätten sie anschließend deren Ergebnisse so hochgerechnet, als wären rund zehn Prozent der Autos auf den Straßen E-Autos.
Auf Basis dieser Daten fanden die Wissenschaftler den Angaben zufolge heraus, dass ein Auto innerhalb der Stadtgrenze im Schnitt rund 30 Kilometer am Tag zurücklegt. Eine Batterieladung von 20 Kilowattstunden reiche unter Normalbedingungen mehr als vier Tage. „Das Reichweitenproblem der Batterie existiert bei Stadtverkehren nicht“, folgern die Wissenschaftler. Von außerhalb kommende Pendler wurden nicht mitgerechnet.
Da die Fahrzeuge nur alle drei bis vier Tage nachgeladen werden müssten, genügten den Angaben zufolge für 200 Autos weniger als 70 Ladestationen. Dazu reichten die übliche Haushaltssteckdose an Wohnort oder Arbeitsplatz aus. Zusätzliche Ladestationen im Innenstadtbereich seien nicht notwendig.
Der Stromverbrauch aller E-Autos liegt den Erkenntnissen der Studie zufolge mit 56.575 Megawattstunden im Jahr etwa bei 3,2 Prozent des Energieverbrauchs der Privathaushalte in Köln. Für die Kapazität des vorhandenen Stromnetzes stelle dieser Mehrverbrauch kein Problem dar.
Quelle: Deutscher Kommunal-Informationsdienst vom 03.05.11
Der Tag der Befreiung ist für Die Linke ein Tag des ehrenden Gedenkens an die Opfer rassistischer und politischer Verfolgung und an den antifaschistischen Widerstand. Der 8. Mai 1945 markiert den entscheidenden Sieg über faschistische Barbarei und Krieg. Er beendete das millionenfache Morden der Nazis. Von deutschem Boden darf nie wieder Krieg ausgehen, schwor damals die Mehrheit der deutschen Bevölkerung. Leider ist dieses Versprechen in der Nachkriegszeit im Jugoslawien-Krieg gebrochen worden.
Das Erstarken rechtsextremer und antisemischer Kräfte in Deutschland und in Europa erfüllt uns mit Sorge. Deshalb müssen alle demokratischen und antifaschistischen Kräfte das höchste Gut – Leben in Frieden und Demokratie – energisch verteidigen. Die Linke fordert das NPD-Verbot.
Für Die Linke gilt: Niemals ist Krieg ein Mittel zur Lösung von Konflikten. Deshalb müssen alle deutschen Soldaten sofort weltweit aus den Kriegsgebieten abgezogen werden. Die Linke streitet konsequent für Frieden und Demokratie.
* Peter Dürrbeck, Mitglied der Geschichtskommission der DKP, schrieb im Internetportal www.kommunisten.de zum Tag der Befreiung:
Das verbrecherische Kriegsabenteuer des Zweiten Weltkriegs endete in der totalen Niederlage. In der Nacht vom 8. zum 9. Mai 1945 unterzeichnete Generalfeldmarschall Keitel in Berlin-Karlshorst die bedingungslose Kapitulation. In diesen Tagen gedenkt man in den Ländern Europas des 66. Jahrestages der Befreiung von der Nazibarbarei und des Sieges über den Faschismus. Erinnert wird an die Opfer der Shoa, an die Millionen in Konzentrationslagern, Zuchthäusern und Folterkammern der Gestapo bestialisch Ermordeten, an die Gefallenen der Roten Armee und der anderen Truppen der Antihitlerkoalition. Hätten damals das faschistische Deutschland und seine Verbündeten gesiegt, wäre die Menschheit in der Barbarei versunken. Dies abgewendet zu haben, dafür schulden wir – und mit uns die ganze Welt– vor allem der Sowjetunion, die die Hauptlast im Kampf gegen den Faschismus und bei seiner Zerschlagung trug, für immer großen Dank. »Nie wieder Faschismus – Nie wieder Krieg«, das war vor 66 Jahren die Erkenntnis vieler Menschen. Sie ist heute immer noch hoch aktuell. (…)
Der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Landtag Mecklenburg-Vorpommerns, Harry Glawe, erklärte zum 8. Mai laut Nachrichtenportal MVregio:
Der 8. Mai 1945 ist unbestritten der Tag der Befreiung Deutschlands von der nationalsozialistischen Barbarei. (…) Für die Menschen im Osten Deutschlands bedeutete der 8. Mai 1945 jedoch zugleich auch den Beginn einer weiteren Diktatur. Diese Diktatur ging mit Geschichtsumdeutungen und verordnetem Schweigen einher. Unter dem Zeichen von Hammer und Sichel begann neues Unrecht. (…) Die Opfer der beiden deutschen Diktaturen dürfen nicht vergessen werden. Am 8. Mai gilt es, der Opfer der Diktaturen zu gedenken. Verdrängen wir dabei nicht, daß mit dem 8.Mai 1945 für Millionen von Deutschen die Vertreibung aus ihrer Heimat in den heutigen osteuropäischen Staaten begann.
Quelle: www.jungewelt.de vom 09.05.11
Erneut ist die rechtsextreme Partei »pro NRW« mit dem Versuch gescheitert, einen »Großaufmarsch« gegen die angebliche Islamisierung Deutschlands durchzuführen. Statt der angemeldeten 2500 Rechten kamen am Samstag nur etwa 300 Rassisten zu einem »Marsch der Freiheit« in Köln. Den ganzen Tag über kam es in der Domstadt zu Aktionen von Nazigegnern. Bereits am Samstag morgen blockierten Antifaschisten die Bahngleise am Bahnhof Leverkusen-Opladen und verzögerten damit die Abreise einer dort wartenden Gruppe von »pro NRW«-Anhängern um mehr als zwei Stunden.
Mehrere antifaschistische Bündnisse hatten dazu aufgerufen, sich den Rechten, die in Köln in Fraktionsstärke im Stadtrat sitzen, in den Weg zu stellen. An einem ökumenischen Gottesdienst und einer im Anschluß durchgeführten Kundgebung, zu dem das Bündnis »Köln stellt sich quer!« direkt in der Nähe des Aufmarschortes der Rechten aufgerufen hatte, beteiligten sich etwa 500 Personen. »Eine Ordnung, die Ausgrenzung akzeptiert«, sei das Problem und nicht etwa die nichtdeutschen Bürger Kölns, konstatierte zum Beispiel Hannelore Bartscherer vom örtlichen Katholikenausschuß. Die Teilnehmer kritisierten zudem, daß der Aufmarsch der antimuslimischen Rassisten ausgerechnet in der Nähe des Deutzer Bahnhofs starten durfte. Von dort aus war während des deutschen Faschismus die Deportation der jüdischen Bürger der Domstadt durchgeführt worden.
In der gesamten Innenstadt kam es zu weiteren spontanen Kundgebungen und Protesten von Antifaschisten und Gewerkschaftern, an denen sich insgesamt rund 2000 Menschen beteiligten. Obwohl die Polizei, die mit 3000 Beamten im Einsatz war, die Aufmarschstrecke der Rechtsextremen weiträumig abgesperrt hatte, gelang es kleineren Gruppen von Nazigegnern immer wieder, direkt an der Route der Rassisten zu protestieren. In einem Fall setzten die Beamten Pfefferspray ein, als rund 30 Demonstranten versuchten, eine Absperrung zu durchbrechen. Mindestens zwei Personen, die gegen das Vermummungsverbot verstoßen haben sollen, wurden festgenommen.
Zwar war es »pro NRW« gelungen, Redner der rechtsextremen »Tea-Party«-Bewegung aus den USA und vom belgischen »Vlaams Belang« zu gewinnen, das öffentliche Interesse an der Kundgebung tendierte jedoch gen Null. Ähnliche Aufzüge der Rassisten waren bereits 2008 und 2009 an den Protesten von Nazigegnern und der mangelnden Teilnahme gescheitert.
Quelle: www.jungewelt.de vom 09.05.11
Die US-Regierung hat am Sonnabend fünf Videofilme zur Veröffentlichung freigegeben, die angeblich Osama bin Laden in seiner Villa im pakistanischen Abbottabad zeigen. Das soll dazu dienen, immer noch bestehende Zweifel an der offiziellen Schilderung der Ereignisse abzubauen. Vor allem sollen die Aufnahmen beweisen, daß der Al-Qaida-Führer wirklich in dem Haus gelebt und dort jahrelang eine »aktive Kommando- und Kontrollzentrale« unterhalten hat.
Einer der Filme zeigt bin Laden in eine Wolldecke gehüllt auf dem Fußboden eines anscheinend kalten, karg eingerichteten Raumes sitzend, wie er auf einem winzig kleinen Bildschirm Nachrichten über sich selbst betrachtet und dabei eine Fernbedienung in der Hand hält. Die Umgebung macht den Eindruck einer Rumpelkammer oder einer Gefängniszelle und sieht jedenfalls nicht nach der Kommandozentrale oder nach dem Wohnraum eines reichen Mann aus, der bin Laden angeblich immer noch war.
Bewegtbilder
Ein anderer Film zeigt den sagenumwobenem Terroristenchef beim Verlesen einer Ansprache, die angeblich an die Bevölkerung der USA gerichtet war. Seltsam ist allerdings, daß zu seinen Lebzeiten seit seinem Verschwinden aus Afghanistan im Dezember 2001 nicht eine einzige Videoaufnahme von bin Laden verbreitet wurde: Alle seine angeblichen Botschaften waren lediglich Audios, zu denen ein Standfoto gezeigt wurde.
Die jetzt von der US-Regierung veröffentlichten fünf Videos, auch die Ansprache, sind alle ohne Ton. Es gibt auch keine Texttranskripte. Ein Regierungssprecher sagte, man wolle Al-Qaida nach dem Tod ihres Führers keine Propagandaplattform bieten. Angesichts der Tatsache, daß einige Dutzend tatsächliche oder angebliche Interviews und Aufrufe bin Ladens im Internet zu finden sind, ist diese Begründung äußerst unglaubwürdig.
Das in Abbottabad eingesetzte amerikanische Killerkommando hat nach Aussagen der US-Regierung den größten »Schatz« an Daten über das Al-Qaida-Netzwerk abgeschleppt, der jemals erbeutet wurde. Unter anderem soll es sich um zehn Computer, zehn Mobiltelefone und rund hundert Memory-Sticks handeln. Einige Dutzend Computerspezialisten und Experten für verschiedene Sprachen aus mindestens sieben verschiedenen US-Sicherheits- und Geheimdiensten seien nun an der Arbeit, um die riesige Materialmenge zu analysieren. Das kann einige Wochen oder Monate dauern und wird voraussichtlich sehr viele gut getimte Propagandahits produzieren.
Schon ein schneller, flüchtiger Blick auf die Fundstücke genügte aber dem Ministerium für Innere Sicherheit, um sofort bekanntzugeben, Al-Qaida habe offenbar Angriffe auf das Eisenbahnnetz der Vereinigten Staaten geplant, möglicherweise in Verbindung mit dem zehnten Jahrestag des 11. September. Offenbar soll dem naheliegenden Eindruck vorgebeugt werden, Präsident Barack Obama habe nur aus politischer Effekthascherei einen Frührentner – bin Laden war 54 – abknallen lassen, der schon seit Jahren keine aktive Rolle mehr spielte.
Operative Führung
So läßt die US-Regierung auch schon ohne Prüfung des Datenmaterials an die Mainstreammedien gezielt »durchsickern«, die durch den Überfall von Abbottabad gewonnenen Erkenntnisse zeigten, »daß bin Laden sehr viel stärker in die personelle und operative Führung von Al-Qaida involviert war, als während der letzten zehn Jahre zeitweise angenommen worden war«. So habe er beispielsweise den »Ablegern« seiner Organisation in Somalia und im Jemen ganz genau mitgeteilt, was sie tun und lassen sollten.
Konkrete Beweise für diese Behauptungen blieb Washington bisher schuldig. Schließlich müssen die erbeuteten Daten ja erst einmal analysiert werden. Aber ein bißchen Stoff muß man den Medien selbstverständlich jetzt schon zuschieben.
Indessen wächst in Pakistan die Wut über das selbstherrliche Agieren des übermächtigen Verbündeten. »Diese Operation trampelt auf unserer Ehre und Würde herum«, erklärte der Oppositionsführer im Parlament, Chaudry Nisar Ali. Der Präsident und der Premierminister müßten dagegen klar Stellung nehmen – oder zurücktreten.
Quelle: www.jungewelt.de vom 09.05.11