Chicago. Die US-amerikanische »Occupy«-Bewegung ruft für den 1. Mai, der in den Vereinigten Staaten nicht arbeitsfrei ist, zu einem landesweiten Generalstreik auf. Das berichtete der Fernsehsender ABC am Donnerstag (Ortszeit). Arbeiter und Studenten sollen dann nicht zur Arbeit oder in den Unterricht gehen, um dem superreichen »einen Prozent« der Bevölkerung zu demonstrieren, wie ihr Leben ohne die Arbeit der übrigen »99 Prozent« aussähe.
Zudem will die »Occupy«-Bewegung gegen den am 19. und 20. Mai in Chicago stattfindenden NATO-Gipfel mobil machen. Angekündigt sind eine Großdemonstration und »weitere Aktionen«.
Quelle: www.jungewelt.de vom 10.03.12
Wie frei sind die Gewerkschaften? Dürfen sie tun, was sie wollen? Nicht, wenn es nach den Sozialdemokraten geht – die fordern ein Tarifeinheitsgesetz. Am Donnerstag kommentierte der Tarifsekretär der Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF), Markus Siebers, auf jW-Nachfrage trocken, daß »die Genossen an der Spitze der Bewegung« stünden. Am Mittwoch hatte die SPD-Fraktion im Bundestag eine Aktuelle Stunde im Nachgang zum Streik am Frankfurter Flughafen beantragt. Obwohl CDU-Arbeitsministerin Ursula von der Leyen das Thema in den Koalitionsausschuß eingebracht hatte, verzichtete das heimliche Machtzentrum der Republik am Sonntag darauf, eine politische Entscheidung zu fällen.
Der Vizechef der SPD-Bundestagsfraktion Hubertus Heil beklagte am Mittwoch im Plenum, »daß Spartengewerkschaften sich auf Kosten von Gesamtbelegschaften einen schlanken Fuß machen können«. Er forderte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) dazu auf, schnellstmöglich ein Gesetz einzubringen, das auf den Vorschlägen der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA) und des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) beruhe. Die hatten 2010 gefordert, pro Betrieb nur noch einen Tarifvertrag anzuerkennen. Freilich ließ Heil unerwähnt, daß der DGB die Initiative 2011 zurücknehmen mußte. Der ver.di-Gewerkschaftsrat hatte das Unterfangen im Mai vergangenen Jahres gestoppt.
Dennoch unterlief ver.di-Chef Frank Bsirske den Beschluß in der letzten Woche. Er lobte das Frankfurter Arbeitsgericht für sein Verbot eines Solidaritätsstreiks von Fluglotsen mit den Vorfeldbeschäftigten beim Flughafenbetreiber Fraport – ein einmaliger Vorgang für einen Gewerkschaftsboß. Arbeitsrechtsprofessor Wolfgang Däubler sieht darin einen Versuch, die Idee eines Tarifeinheitsgesetzes politisch wiederzubeleben. Die verfassungsmäßige Tarifautonomie durch ein einfaches Gesetz einzuschränken gilt juristisch jedoch als heikel.
So äußerte sich auch CDU/CSU-Fraktionsvize Günter Frings in der Debatte vom Mittwoch. Der alte BDA/DGB-Vorschlag komme einem »schwerwiegenden Grundrechtseingriff« gleich. Diese Rechte gälten besonders für Minderheiten. Im konkreten Wortlaut sei die Koalitionsfreiheit »für alle Berufe« gewährleistet. Die beiden Streikverbote gegen die Fluglotsen und die Vorfeldarbeiter hätten außerdem gezeigt, daß es bereits jetzt ausreichende juristische Mittel gegen den »Mißbrauch des Streikrechts« gebe, so Frings.
GdF-Mann Siebers sieht das anders. Die Arbeitskampfverbote seien auf den Druck »anderer Kräfte als nur Fraport« zurückzuführen. Nicht nur die Lufthansa, auch die Politik habe sich »eingemischt«. Die Gewerkschaft ver.di wiederum schaufele sich »ihr eigenes Grab«. Arbeitsjurist Däubler sagt, das Gericht habe die Urteile nach der allgemeinen Stimmungslage gefällt und nur eine mangelhafte Begründung geliefert. Tatsächlich mußten die Vorfeldbeschäftigten ihren Streik abbrechen und werden ihn in naher Zukunft wohl nicht wieder aufnehmen.
Trotz SPD-Vorstoß und Forderungen aus den DGB-Gewerkschaften geht Däubler nicht davon aus, daß am Ende ein Tarifeinheitsgesetz zustande kommt. Denn das würde auch gut funktionierende zwischengewerkschaftliche Kooperationen hinfällig machen – so etwa die Tarifgemeinschaft der dbb tarifunion mit ver.di, der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft und der Gewerkschaft der Polizei im öffentlichen Dienst. Außerdem sei nicht gewährleistet, daß der DGB immer die Mehrheit der Gewerkschafter in einem Unternehmen stelle und sich dann auf die Alleinvertretung berufen könne, meint der Professor. Auch die GdF arbeitete bis 2003 bei den Lohnverhandlungen mit ver.di zusammen. Mittlerweile gilt zumindest das Verhältnis zu den ver.di-Betriebsräten am Frankfurter Flughafen als vergiftet.
Quelle: www.jungewelt.de vom 09.03.12
In dieser Woche streiken die Beschäftigen des öffentlichen Dienstes. Ein Plus von 6,5 Prozent wird gefordert, mindestens jedoch 200 Euro mehr im Monat. Es gibt einen deutlichen Nachholbedarf. Die Warnstreiks müßten Anlaß sein im Bundestag zu diskutieren, wie dieser Arbeitskampf unterstützt werden kann. Und wie die Regierung gedrängt werden könnte, die Gelder für die Lohnerhöhung bereitzustellen. Bei Bankenrettungen werden die Milliarden schließlich auch im Blitztempo zur Verfügung gestellt.
Diese Debatte will die SPD nicht führen. Fraktionschef Steinmeier setzt lieber die Tarifeinheit auf die Tagesordnung und fordert, daß die Regierung diese gesetzlich regelt. Wenn zwei Gewerkschaften in einem Betrieb vertreten sind, dann soll nur einer das volle Streikrecht zustehen. Für die andere laufen alle Modelle auf eine Einschränkung, ja auf ein Verbot des Streiks hinaus.
Gerade weil es Gewerkschaften immer schwerer fällt, zu guten Ergebnissen zu kommen, ist nicht die Einschränkung, sondern die Ausweitung des Streikrechtes erforderlich. Wir brauchen die Klarstellung, daß Solidaritätsstreiks unbeschränkt legal sind. Kein Arbeitsrichter soll mehr über die Verhältnismäßigkeit richten. Auch politische Streiks gehören unbeschränkt legalisiert. In vielen anderen entwickelten Ländern ist das selbstverständlich. Ausgerechnet Deutschland hinkt hier hinterher.
Für gewerkschaftliches Handeln ist es wichtig, daß sich die Stärkeren für die Schwächeren mit einsetzen. Daß Fluglotsen, Ärzte, Piloten und Lokführer für ihre Interessen eintreten und streiken, ist ihr gutes Recht. Aber gleichzeitig ist es auch problematisch, weil sie ihre besondere Kampfkraft nur für sich und nicht gleichzeitig auch für die Krankenschwester, die Stewardeß und den Zugbegleiter einsetzen.
Aber die Zusammenführung der verschiedenen Gruppen zu gemeinsamem gewerkschaftlichen Handeln muß politisch vorangebracht werden und nicht durch die gesetzliche Beschränkung des Streikrechtes.
Es ist zunehmend schwieriger geworden, eine einheitliche gewerkschaftliche Interessenvertretung zu organisieren. Dies hat viel damit zu tun, daß SPD und Grüne die Handlungsmacht der Gewerkschaft geschwächt haben. Wer befristet arbeitet oder gar verliehen ist, hat es viel schwerer zu streiken. Weil so die Verhandlungsergebnisse immer schlechter wurden, fühlten sich manche Beschäftigtengruppen benachteiligt und kamen in die Versuchung, ihren Vorteil im isolierten Kampf zu suchen.
Die Hauptverantwortliche für die Schwächung der Gewerkschaften – die SPD – will die Folgen der verhängnisvollen Politik der Agenda 2010 mit der Einschränkung des Streikrechtes beantwortet. Das ist zynisch und menschenverachtend.
Michael Schlecht ist ehemaliger Chefvolkswirt von ver.di. Er ist Bundestagsabgeordneter für Die Linke, gewerkschaftspolitischer Sprecher im Parteivorstand und Chefvolkswirt seiner Bundestagsfraktion.
Quelle: www.jungewelt.de vom 09.03,12
Auf Druck der Fraktion DIE LINKE hin wird sich der Innenausschuss des Landtags nun doch mit dem Polizeieinsatz rund um den Neonazi-Aufmarsch am vergangenen Samstag in Münster befassen. „Gegenwärtig kommen laufend neue Erklärungen von Betroffenen und Zeugen des Polizeieinsatzes hinzu“, erklärt Anna Conrads, innenpolitische Sprecherin der Fraktion die Dringlichkeit der Debatte. „Viele Menschen, die sich in Münster couragiert den Neonazis in den Weg stellen wollten, erheben ernste Vorwürfe gegen die Polizei.“ Es sei daher dringend geboten, dass die Landesregierung zum Umgang der Polizei mit Anwohnern/-innen und Demonstranten/-innen in Münster Auskunft gebe.
Vor Eintritt in die Tagesordnung der Ausschusssitzung am Donnerstag wird nun das Innenministerium Stellung zu den Vorgängen beziehen. DIE LINKE bezieht sich in ihrer „Dringlichen Anfrage“ vor allem auf die Kritik von bisher 38 Anwohnern/-innen aus Münster-Rumphorst an der Abriegelung ihres Stadtteils zugunsten des Naziaufmarsches. „Außerdem wurde neben dem bereits bekannten Fall eines schwer verletzten Jugendlichen ein weiterer Fall eines Demonstranten bekannt, der erst gestern nach mehrtägiger Behandlung das Krankenhaus verlassen konnte“, erläutert Conrads. „Zudem mehren sich Hinweise darauf, dass mit Frau Remmers MdB nach ihrer Festnahme anders verfahren worden war als mit einem Großteil der weiteren Inhaftierten an diesem Tag.“ Es bestehe die Möglichkeit, dass sich ausschließlich die Bundestagsabgeordnete Remmers auf der Polizeidienststelle vollständig entkleiden musste.
Quelle: www.scharf-links.de vom 07.03.12
Peter Brückner (1922–1982) war in der alten BRD nichts Geringeres als ein Staatsfeind. 1977 wurde er von der Universität Hannover als Professor für Psychologie suspendiert, weil er sich im Unterschied zu seinen akademischen Kollegen im Rahmen der »Mescalero-Affäre« nicht von der Dokumentation eines kritischen Nachrufs auf den von der RAF erschossenen Generalbundesanwalt Siegfried Buback distanzieren wollte, der an der Universität Göttingen großen Wirbel verursacht hatte. Erst 1981 wurden die Disziplinarmaßnahmen gegen Brückner aufgehoben.
Im Zuge dessen hatte Brückner an vielen bundesdeutschen Universitäten Hausverbot, das notfalls, wie in Heidelberg, mit einem Massenaufgebot an Polizei durchgesetzt wurde. 1100 Mann gegen einen einzelnen radikalen Linken, der schließlich auf dem Marktplatz zu den Studenten sprach. Eine absurde Demonstration von Macht, den Beteiligten ist sie bis heute unvergessen. Was für eine Angst muß der Staat vor diesem Mann gehabt haben! Daß kaum noch jemand seinen Namen kennt, verwundert nicht unbedingt, ist das Vergessenmachen doch ein probates Mittel der Mächtigen, sich ihrer Widersacher wenigstens posthum zu entledigen. Dagegen hilft: Erinnern und Weiterdenken; und eben dies hatte sich die Neue Gesellschaft für Psychologie (NGfP) vorgenommen, als sie Anfang März in Berlin ihre Jahrestagung unter dem Titel »Sozialpsychologie des Kapitalismus heute; zur Aktualität Peter Brückners« veranstaltete. In mehr als 20 Vorträgen und Diskussionen wurde die Rolle der Psychologie bei der Herstellung staatskonformer Politikformen hinterfragt und versucht, die Haltung Peter Brückners am Beispiel aktueller Fragen für die Gegenwart produktiv zu machen.
Während er als Theoretiker der Neuen Linken in den 1960er Jahren zu erfassen suchte, wie die »Loyalität der Mehrheit« mit den Herrschenden gebrochen werden kann, befindet sich die Linke vierzig Jahre später allerdings derart in der Defensive, daß die Überwindung des Systems eigentlich kaum jemand mehr zu denken wagt. So provozierte auf der Konferenz das Eröffnungsreferat von Gernot Böhme über »ästhetischen Kapitalismus«, in dem er den Konsum als ökonomisch wie psychologisch systemstabilisierend beschrieb – auch wenn Linke die Stärkung der Massenkaufkraft als Ausweg aus der Finanzkrise propagieren.
Der Vortrag von Klaus-Jürgen Bruder, erster Vorsitzender der NGfP, der schon früher gemeinsam mit seiner Frau Almuth Bruder-Bezzel eine kenntnisreiche Studie zu Person und Werk Peter Brückners veröffentlicht hatte, ließ die Frage quälend offen, wer denn wohl heute in der Lage wäre, aus den Erkenntnissen Peter Brückners zur Massenloyalität politische Schlußfolgerungen abzuleiten. »Man muß eine Idee haben, wie es anders sein könnte«, beschrieb Timo Werkhofer in Anlehnung an Sartre das Problem von linker Theorie und Praxis heute.
Für viele stammte der stärkste Beitrag des Kongresses vom Soziologen Martin Kronauer. Dabei standen seine Überlegungen zur sozialen Integration als Kategorie der Gesellschaftsanalyse scheinbar im Widerspruch zu Brückner, für den soziale Integration negativ konnotiert war, als Unterwerfung unter die Regeln der Herrschaft, als ein Anpassungsprozeß, der aufzubrechen sei. Revolutionäres Potential erkannte Brückner nur in der Desintegration. Wie Kronauer die historischen Erscheinungsformen sozialer Integration analysierte und dabei die die Dialektik von Affirmation und Subversion deutlich machte, nämlich, daß sich Fragestellungen und Bewertungen mit der Veränderung der Gesellschaft entwickeln müssen, war ein analytisches Lehrstück der Sozialwissenschaft.
Sehr inspirierend war auch der Vortrag von Christoph Jünke über »Peter Brückners Versuch, uns und anderen die neue Linke zu erklären«. Allein schon aufgrund der Tatsache, daß er im Unterschied zu vielen Älteren im Saal Brückner nicht mehr persönlich erlebt hat, kam er zu anderen Fragestellungen als viele Anwesende. Doch gerade darin lag das Hoffnungsvolle dieser Konferenz, an der sich auch viele junge Studierende beteiligten. In der U-Bahn am Abend guckte Brückners »Sozialpsychologie des Kapitalismus« aus ihren Taschen. Sollen sie doch selbst entscheiden, was ihnen daraus wichtig ist.
Quelle: www.jungewelt.de vom 08.03.12
Am 29. Februar verbot das Arbeitsgericht Frankfurt am Main einen Streik, der einen halben Monat die Schlagzeilen beherrschte, ohne dass die Medien wirklich darüber berichteten. Statt dessen lies man vor laufenden Kameras verhinderte Flugpassagiere über die angeblich unverschämten Forderung der in der Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF) organisierten Beschäftigten der Verkehrszentrale, der Vorfeldkontrolle und der Vorfeldaufsicht bei der Fraport AG lamentieren. Kein Wort davon, dass diese schlechter bezahlt werden als an anderen deutschen Flughäfen, kein Wort auch davon, dass ein Schlichtungsergebnis des von Fraport vorgeschlagenen Schlichters Ole von Beust – der fiel bis dato nicht unbedingt als Vorkämpfer für Arbeiterinteressen auf – von den Fraportmanagern verworfen wurde.
Mit einem Schlag wurde wieder deutlich, dass es in Deutschland kein demokratisches Streikrecht gibt wie in den meisten westeuropäischen Staaten, sondern allenfalls ein durch Richterrecht eng umrissenes Arbeitskampfrecht. Weil zwei unter vielen Forderungen der GdF noch unter die Friedenspflicht fielen, drohen nun Fraport und Lufthansa an, die GdF mit Schadensersatzforderungen de facto zu ruinieren. Zeitgleich hatte das Gericht einen Solidaritätsstreik der Fluglotsen verboten, obwohl ein positives Urteil des Bundesarbeitsgerichts von 2007 nach Ansicht von Arbeitsrechtlern den zugelassen hätte.
Im Kapitalismus gibt es eine strukturelle Überlegenheit der Kapitalisten, hergeleitet aus ihren Rechten als Eigentümer. Ob sie wann und wo ihr Kapital anwenden und für was und mit wieviel Personal, dass ist ihre Entscheidung, die grundsätzlich keiner rechtlichen Prüfung unterliegt. Im Zuge ihres Direktionsrechts bestimmen sie weitgehend, was Beschäftigte während der von ihnen verkauften Arbeitszeit zu tun und zu lassen haben. Auch ein Streik schafft hier kein Gleichgewicht. Allenfalls die Unterbrechung der Mehrung des Profits bewegt das Kapital zu Zugeständnissen. Kein Arbeitsgericht verbietet den Einsatz von Streikbrechern, wie in dem Fall geschehen, aber den Solidaritätsstreik als Antwort darauf.
Die DKP verteidigt das Prinzip der Einheitsgewerkschaft, das auch heißt: ein Betrieb, eine Gewerkschaft, ein Tarifvertrag. Deshalb sieht sie Branchengewerkschaften kleiner Beschäftigtengruppen letztlich als Schwächung der Arbeiterbewegung an. Sie wird aber keiner kämpfenden Belegschaft die Solidarität verweigern. Und sie kritisiert Urteile, die sich letztendlich gegen die gesamte Gewerkschaftsbewegung auswirken können.
Nachdem die Gewerkschaften aufgrund heftiger Diskussionen vor allen in der Mitgliedschaft von ver.di die gemeinsame Initiative von DGB und BDA zur gesetzlichen Regelung der Tarifeinheit aufgekündigt haben, gräbt nun Frau von der Leyen als Bundesarbeitsministerium den politischen Leichnam wieder aus. Und Herr Steinmeier von der SPD setzt bei der Reanimation noch einen drauf indem er einen interfraktionellen Antrag androht, falls die Koalition die Tarifeinheit nicht auf den Weg brächte. Ausgerechnet Steinmeier, dessen Partei mit der Hartz- Gesetzgebung die Tür dazu aufstieß, mittels Zeit- und Leiharbeit die Tarifeinheit in den Betrieben durch unterschiedliche Bezahlung bei gleicher Arbeit zu unterlaufen.
Die DKP sieht die Schaffung der Tarifeinheit als gewerkschaftliche Aufgabe, nicht aber als gesetzgeberische Spielwiese für Politiker, für die ein Streik immer „droht“, wie ein Erdbeben, ein Unwetter oder ein Großbrand, die nicht bereit sind, das unbeschränkte Streikrecht als Grundrecht arbeitender Menschen anzuerkennen. Ohne Streikrecht verkommen Tarifauseinandersetzungen zu kollektiver Bettelei; denn guten Argumenten haben sich die Kapitalisten noch nie gebeugt.
Im Februar verabschiedeten Gewerkschafter, Politiker und Wissenschaftler den „Wiesbadener Appell“ für ein umfassendes Streikrecht. Bezüglich der Beschränkungen in Deutschland heißt es dort unter anderem: „Diese Illegalisierungen, Einengungen, Einschränkungen und Verbote stehen im krassen Widerspruch zu dem Artikel 23 der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen, den Übereinkommen 87 und 98 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), dem Artikel 6 Abs. 4 der Europäischen (Menschenrechts- und) Sozialcharta. Insbesondere das Verbot aller Streiks, die nicht auf den Abschluss von Tarifverträgen gerichtet sind, bildet eine schwere Verletzung dieser Bestimmungen. Diese Verbote bedrohen unsere Demokratie, da sie als schwere Menschenrechtsverletzung zu qualifizieren sind.“
Der Appell kann hilfreich sein wenn es darum geht, in den Gewerkschaften darüber zu diskutieren, wie die Voraussetzungen geschaffen werden können, sich das Streikrecht zu nehmen. Wie schon immer in der Geschichte werden Arbeiter- und Gewerkschaftsrechte nicht verliehen, sondern müssen erkämpft werden.
Quelle des Textes: Volker Metzroth (Vorabdruck aus der UZ vom 09.03.2012)
Rund 110 NPD-Funktionäre haben in den vergangenen zehn Jahren etwa 120 Straftaten begangen oder wurden solcher beschuldigt. Das berichtete am Dienstag abend »Report Mainz«. Im Durchschnitt verging demnach kein Monat, ohne daß ein NPD-Repräsentant eine Straftat verübt hat oder daß gegen einen von ihnen ermittelt wurde. Rund 35 Straftäter oder Beschuldigte gehören oder gehörten einem NPD-Landes- oder dem Bundesvorstand an, also den obersten Parteigremien.
Die Redaktion hatte dazu Agenturen, Zeitungs-, Hörfunk- und Fernsehberichte der vergangenen zehn Jahre ausgewertet. Propagandadelikte wie das Zeigen des Hitlergrußes oder Holocaustleugnung wurden dabei nicht berücksichtigt. Registriert wurden nur Ermittlungsverfahren, Strafbefehle und Urteile. An der Spitze der Straftaten steht mit 70 Fällen die Körperverletzung. Des weiteren tauchen Delikte wie Freiheitsberaubung, Waffen- und Sprengstoffbesitz, Raub und Erpressung auf.
Für den ehemaligen Richter am Bundesverfassungsgericht Siegfried Broß sind das Delikte, »die die Unantastbarkeit von Leben, Gesundheit und persönlicher Freiheit von Menschen betreffen und insofern schwerwiegend sind«. Professor Broß war als Richter vor neun Jahren maßgeblich an der Einstellung des damaligen NPD-Verbotsverfahren beteiligt. Er könne sich nicht erinnern, daß ihm seinerzeit vergleichbares Material über Straftaten von NPD-Funktionären vorgelegen hätte, sagte der Jurist im Interview mit »Report Mainz«. Ein längst überfälliger Ansatz sei diese Statistik, äußerte der Staatsrechtler Jörn Ipsen von der Universität Osnabrück in der Sendung. Überrascht habe ihn, daß »diese Statistik auf Recherchen eines Fernsehjournalisten beruht und nicht längst durch Verfassungsschutzbehörden vorgelegt worden ist.«
Die Feststellung, daß von der Partei und ihren Funktionären systematisch Gewalt ausgeht, ist von erheblicher Bedeutung für die Einleitung eines neuerlichen NPD-Verbotsverfahrens und dessen Erfolgsaussichten. Darüber entscheiden in gut zwei Wochen auf einer Sonderkonferenz die Innenminister und wiederum eine Woche später die Ministerpräsidenten der Länder bei ihrem Treffen. Aufgrund der neuen Sachlage hält der Staatsrechtler Ipsen »die Bundesregierung für verpflichtet, ein neues Verbotsverfahren einzuleiten«. (jW)
www.jungewelt.de vom 08.03.12
Am 2. Februar wurde die Demonstration „Keine Straße, keine Stadt, kein
Haus für Nazis!“ bei der Behörde angemeldet. Seitens der Behörde gab es
keine Reaktion gegenüber dem Anmelder. In der Regel gibt es eine
Bestätigung der Anmeldung und die Bitte um ein Kooperationsgespräch
zwischen Anmelder und Ordnungsbehörde.
Nach einer journalistischen Anfrage der Rheinzeitung wurde von Seiten der
Versammlungsbehörde mitgeteilt, dass lediglich eine Anmeldung der Neonazis vorliegt. Der Verdacht liegt nahe, dass Polizei und Ordnungsamt die Anmeldung der antifaschistischen Demonstration bewusst ignoriert haben.
Trotz der behördlichen Schikane bewegt sich, aufgrund der antifaschistischen Mobilisierung, etwas in der Region und es sind immer
mehr Menschen bereit, aktiv das Schweigen zu brechen und neonazistische
Gewalt wahrzunehmen. Auch am 24.3 wird es neben unserer emonstration
zahlreiche Aktivitäten gegen Rechts geben.
Wir führen diese Demonstration durch, weil es seit Jahren Angriffe auf
Menschen gibt, die nicht in das menschenverachtende Weltbild der Neonazis passen. Rund um das „Braune Haus“ hat sich in der Region eine gewaltätige Neonazigruppierung gebildet, die offen ihre Sympathie gegenüber der NSU
äußert und bei vielen Menschen in der Region eine Stimmung der Angst
verbreitet. Um die Behörde zu einer Antwort auf die Anmeldung zu bewegen wurden jetzt an folgende Verantwortliche die Anmeldung versandt:
-Landrat und Leiter der Kreisverwaltung Ahrweiler: Dr. Jürgen Pföhler
-Polizeiinspektion Bad Neuenahr-Ahrweiler
-Stadt Bad Neuenahr – Amt für Öffentliche Sicherheit und Ordnung
(Ordnungsamt)
-Kreisverwaltung Ahrweiler – Ordnungsbehörde
Wir sind gespannt. ob die Behörden weiterhin die Anmeldung ignorieren.
Um eine erfolgreiche Demonstration durchzuführen und die Nazis zu
schwächen sind wir auf den öffentlichen Druck, die Medien, die Aktiven vor
Ort und die UnterstützerInnen angewiesen.
Quelle: Bündnis 24.März 2012 vom 06.03.12
Am 24.03 gemeinsam gegen AB Mittelrhein und das „Braune Haus“. Das
Schweigen brechen.
Neonazis aus der Deckung holen – auch in der Provinz.
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Webseite: http://24maerz2012.blogsport.de
Kontakt: 24maerz2012@riseup.net
Zum sozialwissenschaftlichen Begriff „Extremismus der Mitte“ folgende ergänzende Anmerkung: Damals war es die Harzburger Front, heute die erzkonservative, schwarz-gelbe Regierung und ihr willfähriges „Umfeld“, die mithilft, „klassisch“ rechtes Gedankengut in die sogenannte „Mitte“ der Gesellschaft zu transportieren und damit auch zu etablieren! Damals war es der erzkonservative, eher reaktionär agierende Hugenberg-Konzern, der die Medienmacht inne hatte, heute sind das Springer, Bertelsmann, SPIEGEL und Co, die eine solche (konservative, neoliberale, antisozialistische und antikommunistische) Funktion täglich einnehmen! Sie verbinden sich – wenn auch nicht gezielt und bewußt – zumindest teilweise mit der Ideologie der äußersten Rechten und mit der Denke der Rassisten, in dem sie daran mitwirken, dass sich rechtsradikale Elemente mit Elementen des Konservatismus verbinden bzw. fatal vermischen (nie vergessen: Ein Element unter vielen anderen innerhalb aller (!) Faschismen ist der Konservatismus!). Aus meiner Sicht ist für diese demokratiefeindliche Tendenz Sarrazin ein fleischgewordenes Beispiel. Sie, die Konservativen, dulden und fördern solche (oftmals populistisch, aber bürgerlich-brav verpackten) „Denkansätze“, wie sie zum Beispiel von Sarrazin propagiert werden- sogar in ihren eigenen Reihen! Eine grauenhafte, höchst gefährliche Entwicklung, die der Demokratisierung der Demokratie konträr gegenüber steht! Diese negative Entwicklung finden wir sinngemäß in ganz Europa! Den Gewerkschaften, allen demokratisch gesinnten Individuen, Parteien und NGOs, sollte es sehr bewusst sein, dass ein Kotau vor der „extremistischen Mitte“, in Form einer „realistischen“ Anpassung an den gesellschaftlichen Status quo, konkreter: am Bewußtseinszustand der Arbeiterklasse, insbesondere, wenn dieser „Kotau“ populistisch daher kommt – um z.B. auch bei den Rechten Wählerstimmen abzufischen – ein äußest gefährliches Spiel mit dem Feuer darstellt! Innerhalb der „extremistischen Mitte“ liegt der virulente Keim für einen neu erstarkenden Faschismus! Auch hier gilt der Satz: „Es ist deutlich einfacher, gemeinsam eine kleine Flamme zu löschen, statt einen großen Flächenbrand.“. Die praktische Umsetzung dieser simplen Erkenntnis bedeutet für mich: Energischer, deutlicher (!) Protest und ziviler Widerstand, wenn rechtsradikale oder rassistische Sprüche/Inhalte, oftmals bürgerlich verbrämt und daher ein wenig entschärft, in den Medien auftauchen- oder im Alltag auf der Straße, innerhalb von Gesprächen und Kundgebungen.
Strasbourg. Der bisherige Vorsitzende der Linksfraktion im Europaparlament (GUE/NGL), Lothar Bisky, hat am Dienstag aus gesundheitlichen Gründen seinen Rücktritt von seinem Amt erklärt. Als seine Nachfolgerin schlug er die frühere PDS-Vorsitzende Gabriele Zimmer vor. Da die deutsche Partei Die Linke die stärkste nationale Delegation in der GUE/NGL stellt, steht ihr die Besetzung des Fraktionsvorsitzes zu. Wie jW erfuhr, war über die Nachfolge Biskys seit Tagen unter deutschen Abgeordneten beraten worden. Dazu seien jedoch nicht die offiziellen Gremien genutzt und keine Delegationssitzung einberufen worden, um nicht die Abgeordneten Sabine Wils und Sabine Lösing informieren zu müssen, die zur Mehrheit der Delegation in Opposition stehen. Auch der Linke-Parteivorstand in Berlin wurde demnach über Biskys geplanten Rücktritt und dessen Vorschlag zur Nachfolge nicht in Kenntnis gesetzt. Die Linke-Vorsitzenden Gesine Lötzsch und Klaus Ernst erklärten am Dienstag abend, Biskys Rücktritt zu »respektieren«. (jW)
Quelle: www.jungewelt.de vom 07.03.12