M31: Zehntausende in ganz Europa gegen Kapitalismus auf der Straße
Am 31.03. demonstrierten im Rahmen des europäischen Aktionstages gegen den Kapitalismus Zehntausende in über 40 Städten Europas. So beteiligten sich zum Beispiel mehr als 10.000 Menschen in Mailand und ca. 6.000 Personen in Frankfurt an den Aktionen.
M31, ein Bündnis linker antikapitalistischer Gruppen und Basisgewerkschaften hatte zu dem Aktionstag aufgerufen, um mit Protesten ein deutliches Zeichen gegen die autoritäre Krisenpolitik Europas zu setzten. Der 31. März war der Auftakt einer internationalen Vernetzung der antinationalen und antikapitalistischen Bewegung.
Die OrganisatorInnen der zentralen Aktion in Deutschland bewerten die Teilnahme von 6.000 Menschen in Frankfurt als Erfolg. Der brutale und unverhältnismäßige Polizeieinsatz verhinderte jedoch, dass die Demonstration ihr Ziel – die Stilllegung der EZB-Baustelle – erreichte.
Die Demonstration konnte nicht, wie geplant beendet werden, weil die Polizei einige zerstörte Scheiben am Rand der Demonstration als Vorwand nahm, diese anzugreifen, zu spalten und vorzeitig zu beenden.
Bei den Polizeieinsätzen wurden über 130 Menschen zum Teil schwer verletzt. Knochenbrüche, Platzwunden sowie gerissene Sehnen sind nur einige der Ergebnisse. Auch wegen des Einsatzes von Pfefferspray mussten viele Menschen behandelt werden. Aus dem mehr als 9 Stunden bestehenden Polizeikessel in der Battonstrasse, Ecke Allerheiligentor, wurden zwei Menschen mit Krankenwagen abtransportiert.
Über 450 Menschen wurden von der Polizei in Frankfurt festgenommen.
Leo Schneider, Presssprecher des M31 Bündnisses äußert sich zu den Auseinandersetzunge wie folgt:
„Die Angriffe mit Farbbeuteln und Steinen auf u.a. den Sitz der Europäischen Zentralbank, die Wache der Stadtpolizei und die Arbeitsagentur können wir in Anbetracht der immer brutaler werdenden sozialen Bedingungen nachvollziehen.
Wir verstehen diese militanten Aktionen als Ausdruck der Wut über die autoritäre Krisenpolitik in der EU. Die Staaten sanieren den Kapitalismus auf Kosten der Lohnabhängigen und sozial Schwachen. Dagegen wehren wir uns. Das Verletzen von Menschen ist dabei nicht Ziel unserer Politik.“
Quelle M31-BÜNDNIS vom 02.04.12
In Berlin trafen sich am Wochenende rund 200 Delegierte der Linksjugend ’solid zu ihrem Bundeskongreß, um die Schwerpunkte für das kommende Jahr festzulegen. Außerdem wurde ein neuer zehnköpfiger Sprecherrat gewählt. Der Jugendverband nominierte zudem Felix Pithan als jugendpolitischen Sprecher für den Vorstand der Partei Die Linke.
Im Mittelpunkt der Diskussion stand vor allem die Mobilisierung zu den Krisenprotesten. Mit »den breiten Protesten im Mai in Frankfurt solidarisieren wir uns mit den Griechen und ihrem Widerstand gegen die Diktate der Troika.«, heißt es in einem beschlossenen Antrag. Dabei setzt die Linksjugend auf antikapitalistische Forderungen wie beispielsweise die Überführung der Banken und Konzerne in öffentliches Eigentum unter demokratischer Kontrolle.
Der Kampf gegen Neonazis bleibt ein wichtiger Bestandteil der Arbeit der Linksjugend. Scharfe Kritik wurde am Umgang staatlicher Behörden mit neonazistischen Umtrieben formuliert. Die Auflösung des Verfassungsschutzes und aller Geheimdienste bleibt eine zentrale Forderung des Jugendverbandes. Ein ebenfalls angenommener Beschluß richtet sich gegen die sogenannte Extremismustheorie. Aktivitäten will ’solid rund um den 20. Jahrestag der rassistischen Pogrome von Rostock-Lichtenhagen entwickeln. Für den 25. August ist eine Demonstration in der Hansestadt geplant.
Mit Spannung wurde die Debatte zu den Kriegsvorbereitungen gegen Iran und Syrien erwartet. Im Vorfeld des Kongresses hatte der Arbeitskreis BAK-Shalom versucht, prominente Kriegsgegner der Linkspartei öffentlich und mit Hilfe der bürgerlichen Medien zu diffamieren. Die Delegierten ließen sich davon wenig beeindrucken. Sie votierten mit großer Mehrheit gegen die Aufweichung antimilitaristischer Positionen. Mögliche Angriffskriege imperialistischer Mächte gegen Iran und Syrien wurden konsequent abgelehnt.
Vom mitgliederstärksten Landesverband NRW wurde auch die Unterstützung der »Stop the Bomb«-Kampagne durch den Arbeitskreis BAK Shalom thematisiert. Die Kampagne unterstellt dem Iran den Bau einer Atombombe, fordert Sanktionen und schließt auch einen Angriffskrieg gegen den Iran nicht aus. Unter der Überschrift »Keine Teaparty mit Antisemiten und Rassisten« wurde ein Antrag mit deutlicher Mehrheit verabschiedet, der die Unterstützung der Kampagne durch Neokonservative und Rassisten kritisiert. »Stop the Bomb« wird unter anderem von Sarrazin-Befürworter Henryk M. Broder und Bundeswehr-Professor Michael Wolffsohn unterstützt. Der Bundeskongreß der Linksjugend distanzierte sich von der Kampagne und forderte den BAK Shalom auf, das ebenfalls zu tun.
Quelle: www.jungewelt.de vom 03.04.12
Am gestrigen Montag abend strahlte Das Erste den 90minütigen Dokumentarfilm »Der Sturz – Honeckers Ende« von Eric Friedler aus. Für zahlreiche Medien war das Anlaß für hochgradig erregte Berichterstattung. Der NDR, der den Film produziert hatte, lieferte bereits am Freitag in einer Pressemitteilung unter dem Titel »Margot Honecker gibt erstes TV-Interview seit mehr als 20 Jahren« eine Richtlinie zum richtigen Sehen: Sie sei die »einst mächtigste Frau der DDR, Volksbildungsministerin und Gattin des letzten Diktators auf deutschem Boden«. Anlaß, »sich etwa für das Agieren der Stasi oder für die Mauertoten zu entschuldigen«, sehe »die umstrittene Rentnerin weder für sich noch die DDR-Führung«. Den Tod derjenigen, »die in die Freiheit fliehen wollten und erschossen wurden«, bezeichne sie als »Dummheit«. Der NDR zitiert sie allerdings mit den Worten: »Es läßt einen nicht ruhig, wenn ein junger Mensch auf diese Weise ums Leben kommt. Man hat sich vor allem auch immer gefragt: Wieso hat er das riskiert?«
Ebenfalls am Freitag befaßte sich die FAZ ausführlich mit dem Film. Margot Honecker spreche darin »in aller Klarheit aus, was eine Partei wie Die Linke angesichts der allgemein obwaltenden Kritik an einem Finanzkapitalismus, der Staaten in den Ruin treibt und die Demokratie bedroht, unterschwellig in die Debatte einführt: Die DDR war das bessere Deutschland (…)«. Dem FAZ-Autor kommt es vor, als liege »zwischen dem Herbst 1989 und dem Herbst 2011, in dem dieses Interview geführt wurde«, nur ein Wimpernschlag. Folgerichtig ist sein Text in der Diktion des Kalten Krieges verfaßt – bis hin zu der Wendung, Erich Honecker habe sich 1991 »zu den Russen gerettet«.
Eine ähnliche Hilfestellung zum korrekten Verständnis veröffentlichte die Süddeutsche Zeitung am Montag. Der Autor Gustav Seibt »beginnt« dort, das Ehepaar Honecker »physiognomisch zu lesen: als Chiffre einer autoritären Blockwart- und Hausmeisterpsychopathologie, die sich über ein ganzes Land zu legen vermochte.« Man müsse sagen, Margot Honecker sei keine Winifred Wagner. Die »Hitler bis zu ihrem Ende verehrende Bayreuther Festspielleiterin« sei »umso viel flackernd-interessanter wie das Dritte Reich verheerend-abgründiger war als der sowjetische Kasernenstaat DDR.« Analog berichteten Internetportale wie Spiegel online und tagesschau.de.
Am selben Tag veröffentlichte der Spiegel außerdem unter dem Titel »Gehörnte Böcke« einen Artikel über Akten der DDR-Staatssicherheit zum langjährigen Verteidigungsminister des Landes, Heinz Hoffmann. Die Zeitschrift kolportiert u.a. aus einem Bericht über »Saufgelage« in der Militärführung des ostdeutschen Staates (in den 60er Jahren) Details wie das folgende: »Ein General setzte sich im Suff neben seinen Stuhl, ein anderer fiel hin und kam nicht wieder hoch (…).«
Geschichtsbetrachtung dieser Art scheint allerdings nicht die erwünschte Wirkung zu entfalten. Dafür sprechen zahlreiche kritische Leserkommentare im Internet. Auf tagesschau.de hieß es: »So wie hier die Aufarbeitung erfolgt, wäre das auch im Blick auf die alte Bundesrepublik notwendig. (…) Ich habe erlebt, wie viele Freunde und Bekannte Berufsverbot erhielten, ich habe erlebt, wie Kommunisten ihrer Überzeugung wegen ins Gefängnis mußten. Ich habe selbst erlebt, wie in Heimen für sogenannte schwer erziehbare Jugendliche geprügelt und unmäßiger Druck ausgeübt wurde. (…) Wann wird sich jemand aus dem Kreis der Journalisten da rantrauen?«
Quelle: www.jungewelt.de vom 03.04.12
Mit einem Spitzentrio geht DIE LINKE in den Landtagswahlkampf in Nordrhein-Westfalen. Auf Listenplatz eins kandidiert die Landessprecherin Katharina Schwabedissen, auf den folgenden Plätzen die Vorsitzenden der Landtagsfraktion Wolfgang Zimmermann und Bärbel Beuermann. Alle drei wurden ohne Gegenkandidaturen nominiert. „DIE LINKE hat nicht ein Gesicht, DIE LINKE hat nicht drei Gesichter, DIE LINKE hat viele Gesichter“, sagte die 39-jährige Schwabedissen nach der Wahl des Trios. Unter dem Applaus der über 200 Delegierten stimmte sie die Partei auf den Wahlkampf ein: „Wir sind gekommen, um zu bleiben. Wir werden kämpfen. Und wir werden bleiben!“
Hauptforderungen der Partei im Wahlkampf sind ein landesweites Sozialticket für 15 Euro, gute und gebührenfreie Kita-Plätze für alle Kinder, höhere Löhne sowie die Einführung einer Millionärsteuer zur Finanzierung von Investitionen.
Bereits am Vormittag hatte der Bundesvorsitzende Klaus Ernst in einer kämpferischen Rede die Notwendigkeit des Wiedereinzugs seiner Partei in den Landtag begründet: „SPD und Grüne sind weit davon entfernt, soziale Politik zu machen. Nur solange es eine starke LINKE gibt werden sie wenigstens getrieben das zu tun, was sie versprochen haben.“ Die FDP bezeichnete Ernst in Zusammenhang mit ihrer Verhinderung einer Transfergesellschaft für die Schlecker-Beschäftigten als „asoziale Trümmertruppe“. DIE LINKE sei „die einzige Kraft, die sich wirklich für die Menschen einsetzt“.
Die Kölner Schlecker-Betriebsratsvorsitzende Henriette Kökmen rief dem Parteitag zu: „DIE LINKE ist die einzige Partei, die zu uns gestanden hat. Dafür danke ich Euch!“ Kökmen war gestern in DIE LINKE eingetreten. „Es kann nicht sein, dass es da über Jahre Missmanagement gibt und die Leute unten müssen dran glauben!“ Sarah Wagenknecht rief die Parteimitglieder dazu auf, „den Widerstand auf die Straße (zu) tragen“.
Hej,
heute ist der erste Europäische Aktionstag gegen Kapitalismus, Nationalismus und gegen das Elend, das aus Deutschland kommt. Der Beginn einer neuen Antiautoritären Internationalen. Menschen aus verschiedenen Strömungen der emanzipatorischen Linken haben eine gemeinsame Plattform erarbeitet, so dass heute in mehr als 40 Städten und in Dutzenden europäischer Länder demonstriert wird und Solidaritätsaktionen sogar in New York und Moskau stattfinden.
Beim nächsten Mal sind vielleicht auch Gruppen aus Ägypten, Brasilien, Indien, Südafrika und der Westsahara dabei. Unsere Solidarität ist grenzenlos:
Wir scheißen auf den Nationalstaat und wollen, dass alle Menschen frei und sozial gleich leben.
Risse im System tun sich auf. Die Weltwirtschaftskrise hat die Legitimation des Kapitalismus und seiner Staaten angefressen. Die kapitalistische Produktionsweise gilt endlich nicht mehr als »Naturgesetz«. Hinter der verharmlosenden Kategorie »Globalisierung« erscheint der Imperialismus in seiner wirklichen Brutalität.
Aus der letzten Weltwirtschaftskrise rettet sich der Kapitalismus in Faschismus und Weltkrieg. Welche »Lösung« wird ihm diesmal einfallen?
Wir beobachten seine Brutalisierung und den Verfall bürgerlicher Demokratien in immer autoritärere Systeme.
Der Kapitalismus ist die Krise unseres Lebens. Indem die kapitalistische Produktionsweise, wie Marx sagt, die beiden einzigen (Spring)Quellen des Reichtums, die menschliche Arbeitskraft und die Natur für seinen Profit gnadenlos verwertet, beraubt der Kapitalismus sich tendenziell seiner eigenen Grundlage.
Er versucht dieser Gefahr zu entgehen, in dem er der Erde noch mehr Ressourcen abpresst. Das geschieht um den Preis der Vernichtung der stofflichen Grundlage unserer Existenz. Und er tritt die menschliche Arbeit bis unter die Hungergrenze und macht immer mehr Menschen für ihr ganzes einziges Leben ökonomisch überflüssig.
Wer dem Elend, das auch aus Deutschland kommt, etwa aus Afrika zu entfliehen sucht, zerschellt an den hochgerüsteten Grenzen Europas. Im »Mittelmeer der Leichen« sind letztes Jahr — allein nach UN-Angaben — 1.500 Menschen auf der Flucht ertrunken. In Wahrheit mehr, über all die Jahre die Zahl der EinwohnerInnen einer ganzen Stadt. Gejagt, bedroht und abgeschoben werden die Flüchtlinge durch die, von Deutschland und der EU finanzierte, paramilitärische Agentur Frontex.
Die Weltwirtschaftskrise ist das Ergebnis einer Überproduktionskrise des Kapitalismus, welche zum Kapitalismus gehört wie Fliegen zur Kuhscheisse. Wer nur gegen die Banken wettert, hat nicht begriffen, wie Kapitalismus funktioniert. — Wie zum Beispiel der Träger dieses Schildes hier unten gegen die »Zinsknechtschaft« hier unten nichts weiß von Profit, Mehrwert, Ausbeutung. — Der Kapitalismus ist nicht zu reformieren. Auch kleinere Verbesserungen presst man ihm nur ab, während und indem man an seiner Abschaffung arbeitet!
Denn es gibt keinen automatischen Fortschritt. Wir stecken mitten in einer autoritären Entwicklung hin zu einem vollendeten, bisher einmaligen Inhumanismus.
Die einzige Hoffnung liegt im Kampf um Befreiung.
»Reform« ist heute nichts Fortschrittliches mehr und Fortschritt kein historischer Automatismus. Die ‚Dialektik von Reform und Revolution‘ von der Rosa Luxemburg noch sprach, ist durch die weltweite Entwicklung des Kapitalismus außer Kraft gesetzt. Die »Sozialreform« wurde praktisch aus ihrem revolutionären Bezugsrahmen gelöst. Sie trägt nicht mehr bei zur »selbsttätigen Assoziierung der lohnabhängigen Massen«, sondern wurde ein Instrument der Konterrevolution. Jeden dreckigen Krieg nennen sie heute ‚Menschenrechtsaktion‘, jede soziale Verelendung verkauft man uns als ‚Sozialreform‘.
Wir sind in einem Stadium gesellschaftlicher Entwicklung, in dem alle technischen und wissenschaftlichen Mittel entwickelt sind, um die Welt eine menschenwürdige werden zu lassen, um Humanismus radikal zu verwirklichen. Es sind aber gleichzeitig alle Techniken entwickelt, um die Erde für die Menschen zur Hölle werden zu lassen.
Aber die Ruinierung des Menschen und der Natur sind für den Kapitalismus profitabler als unser Glück, unsere Freiheit und unsere soziale Gleichheit. Es ist eben nicht die Frage fehlender Alternativen, sondern eine der Herrschaft von Staat und Kapital – und wann und mit welcher Orientierung wir mit dieser Herrschaft brechen.
Weil wir keine orthodoxen Vorstellungen haben, – weder von unserem Kampf noch von unserer Zukunft –, setzen wir auf emanzipatorische soziale Prozesse.
Es wird keine Situation geben, in der die Träger_innen der sozialen Revolution fertig ausgebildet in den Startlöchern stehen. Nichts ist fertig, wenn die Auseinandersetzung beginnt. Die gesellschaftlichen Träger der Umwälzung formieren sich erst im Prozess der Umwälzung selbst.
Eine solche Einübung geschieht hier, heute.
Wo immer wir am Ende dieses Tages stehen — oder sitzen — werden:
Es ist großartig, dass es zum ersten Mal gelungen ist, aus eigener Kraft, unabhängig auch von staatstragende Organisationen, diesen ersten »Europäischen Aktionstag gegen den Kapitalismus« zu organisieren.
Emanzipatorische Linke haben begonnen, miteinander zu arbeiten, über alle Sprachgrenzen hinweg.
Das kann uns niemand mehr nehmen.
No pasaran!
Dies ist erst der Anfang!
Danke.
Von Jutta Ditfurth ist soeben das Buch »Worum es geht. Flugschrift« erschienen. Rotbuch Verlag, Berlin. 48 Seiten, 3,99 €,
Ihr Ziel, die Baustelle des Neubaus der Zentrale der Europäischen Zentralbank in Frankfurt am Main, haben die Demonstranten am Sonnabend nicht erreicht. Leo Schneider, Sprecher des »M 31«-Bündnisses, wertete den Tag dennoch als Erfolg. Es sei ein deutliches Zeichen gegen die aktuelle deutsche und europäische Politik gesetzt worden, sagt er.
Der Aktionstag beginnt gegen 14.00 Uhr. »Nun können wir zeigen, wie gut wir uns selbst organisieren können. Bitte begebt euch auch auf die linke und rechte Seite des Lautsprecherwages, damit andere nachrücken können«, tönt eine resolute Frauenstimme von einem quergestellten LKW-Anhänger. Die Kaiserstraße gegenüber dem Hauptbahnhof ist gefüllt mit Menschen. Vom LKW-Anhänger werden Grußbotschaften aus anderen europäischen Ländern verlesen, in denen am 31. März ebenfalls Aktionen stattfinden. Einige Teilnehmer haben es sich auf den Stühlen der Straßencafés bequem gemacht. Andere verteilen Flugblätter mit ihren Thesen zur Krise. Kurz nach 15 Uhr setzt sich der Zug in Bewegung, antikapitalistische Sprechchöre erschallen. Demonstranten so weit das Auge reicht. »Das hört ja gar nicht wieder auf«, ruft ein am Rand stehender Passant erstaunt. »Hier kommt der Aufstand«, ist auf einem neongrünen Hochtransparent zu lesen. Ein Aufstand gegen eine Krisenpolitik, die »die Wettberwebsfähigkeit des europäischen Kapitals auf dem Rücken der Lohnabhängigen saniere«, erklärt Schneider.
Als sich der Zug der EZB-Zentrale nähert, herrscht gespannte Ruhe. Von irgendwo aus der Menge rollt ein qualmender Gegenstand vor die Füße einer am Straßenrand stehenden Gruppe von Bereitschaftspolizisten. Erschreckt springen einige Passanten beiseite, es handelt sich jedoch nur um einen so genannten Nebeltopf. »Ein Mal Rauch«, spricht ein Polizist in sein Funkgerät. Als die Demonstration am Gebäude vorüber gehen, fliegen schwarze und beige Farbomben gegen das Haus. »Wir brauchen einen starken antikapitalistischen Widerstand von unten«, ruft ein Redner vom Lautsprecherwagen. Er wird übertönt von lauten »Stopp«-Rufen. Von hinten sind Böller zu hören. Die Menge strömt zurück. An einem Platz haben nach Augenzeugenberichten Autonome die Glasfront eines Geschäftshauses mit Steinwürfen zerstört. Nachdem wieder Ruhe in den Zug eingekehrt ist, flüchtet plötzlich ein einzelner Streifenpolizist in eine Nebenstraße. Er schaut sich verzweifelt um und ruft aufgeregt nach Hilfe. Gelbe Farbe auf seiner Mütze zeugt davon, dass er von einem Wurfgeschoss getroffen wurde. Er muss auf der Intensivstation eines Krankenhauses behandelt werden, teilt ein Polizeisprecher am Samstagabend mit.
Die Demonstration ist nun auf beiden Seiten von einem behelmten Polizeispalier umgeben. Dennoch treffen Steine die Scheiben der Wache der Frankfurter Stadtpolizei und einer Leiharbeitsfirma. Auf Höhe des Allerheiligentors stürmen maskierte Polizeieinheiten in die Demonstration und trennen unter Schlagstock- und Pfeffersprayeinsatz etwa 200 Demonstranten vom restlichen Zug. Aus der Gruppe seien Straftaten begangen worden, heißt es zur Begründung.
Mehr als sechs Stunden wird die Menge unter offenem Himmel eingekesselt und Person für Person einer erkennungsdienstlichen Behandlung unterzogen. »Dixi-Klos sind auf dem Weg. Bis dahin finden wir in dringenden Fällen eine Lösung«, schallt es lapidar aus dem Polizeilautsprecherwagen. Als »offensichtlich rechtswidrig« bewertet das Bündnis die Maßnahme der Polizei. Anwälten sei der Zugang zu den Eingeschlossenen verwehrt worden.
Nach fast zwei Stunden setzt sich der Zug der restlichen Demonstranten auf einer veränderten Wegstrecke Richtung Polizeipräsidium in Bewegung. Nach wenigen hundert Metern stoppt die Polizei am Mainufer die Demonstration endgültig. Die Teilnehmer verteilen sich in Gruppen in der Stadt. Die Polizei bleibt bis zum Abend massiv präsent. Einschläge von Pflastersteinen und Farbbeutelspuren an den Fassaden zahlreicher Büro- und Geschäftshäuser zeigen später, die Beamten konnten am Samstag nicht überall sein. Das Bündnis M 31 hat die nächsten Proteste für Mitte Mai mit mehreren Aktionstagen angekündigt.
Quelle: Neues Deutschland, 01.4.2012
Eine neue Agitprop- Methode in Deutschland? Statt unpolitischer Graffitis an Häuserwänden findet man auf Geldscheinen Kurznachrichten wie „FDP? Niemals!“ oder „Kapitalismus kann töten!“. Oder: „DIE LINKE! Was sonst?“. Andere fabrizieren kleine Kunstwerke, z.B. „Kapitalismus )-:, Sozialismus (-:“ usw. . Die Bürgerinnen und Bürger werden kreativ, suchen immer neue Möglichkeiten, sich politisch auszudrücken, jenseits des politischen Mainstreams, der pro kapitalistischen, antikommunistischen und antisozialistischen Medien.