MAINZ. Die Fahndung nach dem Terrortrio NSU wurde nach Aussagen eines LKA-Beamten gegenüber dem ARD-Politikmagazin REPORT MAINZ gezielt verhindert. Demnach habe der heutige LKA-Präsident Werner Jakstat 2003 die Anweisung gegeben, einem Zeugenhinweis nicht nachzugehen. Damit liegt erstmals seit Auffliegen des NSU eine konkrete Aussage vor, dass Behörden gezielt ein Ergreifen des Trios verhindert haben.
Der Informant aus dem Landeskriminalamt Thüringen schildert einen Zeugenhinweis aus dem Jahr 2003, der sich auch in den Ermittlungsakten wiederfindet. Ein alter Schulkamerad von Uwe Böhnhardt hatte diesen an einer Ampel in Jena gesehen und eindeutig identifiziert. Diese Aussage lag später auch dem LKA Thüringen vor. Doch bevor ausführliche Ermittlungen anlaufen konnten, habe der damalige LKA-Vizepräsident Werner Jakstat persönlich angerufen und die Ermittler angewiesen, nichts herauszufinden, erinnert sich der LKA-Beamte. Daraufhin seien alle Ermittlungen eingestellt worden.
Diese Aussage liegt REPORT MAINZ als eidesstattliche Versicherung vor. Im Interview sagt der Informant wörtlich:
„Der Auftrag hat gelautet: Fahrt mal raus, damit keiner sagen kann, wir hätten gar nichts gemacht. Also haben wir den Zeugen befragt. Aber wir sollten nichts ermitteln. Es wurde explizit gesagt: Kriegen Sie da nichts raus.“
Werner Jakstat, heute Präsident des LKA Thüringen, wollte sich REPORT MAINZ gegenüber nicht zu den Vorwürfen äußern, da es sich um ein Verfahren des Generalbundesanwaltes handele. Im Thüringer Untersuchungsausschuss sagte er bei einer Befragung am vergangenen Donnerstag, er habe jederzeit die Ermittlungen „bestmöglich“ unterstützt. Zu den Vorgängen im Juni 2003 verwies er auf ein Schreiben an das Thüringische Innenministerium vom September 2003. Darin nimmt er Stellung zum ausbleibenden Fahndungserfolg: Demnach hätten die Ermittlungen nicht zum Erfolg geführt, weil sich die Angaben des Zeugen auf Ereignisse bezogen hätten, die ein bis drei Jahre zurückgelegen hätten. Darüber hinaus seien sie nicht schlüssig gewesen.
Dies widerspricht allerdings Akten, die REPORT MAINZ vorliegen: Hieraus geht hervor, dass zwischen der Begegnung des Zeugen mit Uwe Bönhardt und seiner Aussage beim LKA nur acht Monate vergangen waren. Zudem bewertete ein Polizist der Polizeidirektion Jena den Zeugen damals als glaubwürdig.
Der Zeuge Mark Seehrich, der sich in REPORT MAINZ erstmals äußert, erinnert sich an die Vorgänge damals:
„Das LKA war schon richtig heiß, die wirkten schon hochmotiviert, dass sie ihn kriegen wollten. Das hat mich schon verwundert, dass das dann wieder so ruhig wurde.“
Mark Seehrich, der früher mit Uwe Böhnhardt befreundet war, ist immer noch sicher, dass er Böhnhardt damals in Jena eindeutig erkannt hat: „Ich bin stadteinwärts gefahren und habe dann auf der linken Spur diesen Hyundai gesehen, diesen roten und habe darin den Uwe Böhnhardt erkannt. Ich fuhr an der Ampel neben ihm ran, guckte rüber. Er grüßte kurz. Da war ich mir auch sicher, dass es der Böhnhardt ist. Er sah aus wie früher, war ganz ruhig und normal, nicht wie ein Straftäter auf der Flucht.“
Der CDU-Obmann im Bundestagsuntersuchungsausschuss zum NSU, Clemens Binninger, sagt REPORT MAINZ: „Es gab eine Reihe von Fehleinschätzungen und Pannen, aber ein aktives Einflussnehmen konnten wir im Untersuchungsausschuss nicht feststellen. Insofern hätte das eine neue Dimension.“
Wenige Wochen nach dem Zeugenhinweis wurde die Fahndung nach dem Trio wegen Verjährung der Taten eingestellt.
Quelle: Das Erste; Monitor. 10.12.13
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