Wolfgang Huste Polit- Blog

Tragödie statt Revolution. Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen – auch in der Ukraine: Dort sitzen dessen Vertreter mittlerweile in der Regierung. Die Linke sollte dies ernst nehmen. Von Ulla Jelpke

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In der Ukraine hat sich keine »demokratische, proeuropäische Revolution« vollzogen, sondern eine Tragödie. Der Sturz der – unzweifelhaft korrupten – Janukowitsch-Regierung hat zur Einsetzung einer ebenso unzweifelhaft korrupten Nachfolgeregierung geführt. Außenpolitisch ist das eindeutig ein Punktsieg der EU und der NATO gegen Rußland. Innenpolitischer Hauptsieger des Konfliktes sind indes faschistische Kräfte. Die Parteinahme des Westens gegen Janukowitsch und für die »vereinigte Opposition« hat dazu geführt, daß zum ersten Mal in der Geschichte der Ukraine Faschisten faktische (Mit-)Regierungsgewalt innehaben.

Das bedeutet eine Zäsur im Nachkriegseuropa, die vom Westen überwiegend ignoriert, aber auch von der Linkspartei bislang nicht genügend ernst genommen wird. Offensiv aufgegriffen wird diese Folge der Proteste nur von Rußland, dem dann stets »Propaganda« unterstellt wird. Auch für die Bundesregierung scheint die Machtübernahme durch Faschisten kein Problem darzustellen. Das ist insoweit konsequent, als sie schon im vergangenen Jahr daran gearbeitet hat, die ultrarechte Partei Swoboda auf europäischem Parkett einzuführen, etwa indem Faschistenchef Oleg Tjagnibok zum freundlichen Gespräch in die deutsche Botschaft eingeladen wurde. Während der Maidan-Proteste stand die Botschaft ständig in Kontakt mit Oppositionspolitikern. Im Februar 2014 ließ sich Außenminister Frank-Walter Steinmeier erstmals gemeinsam mit Tjagnibok ablichten. Dessen Partei stellt in der neuen Regierung den Vizepremier sowie die Minister für Umwelt und Landwirtschaft, außerdem den Generalstaatsanwalt. Bildungsminister ist der parteilose, aber ebenfalls Swoboda nahestehende Universitätsrektor der Kiewer Mohyla-Akademie.

Viel zu leise Töne kommen in diesem Zusammenhang von der Führung der Linkspartei. Beständig wird zum Dialog mit allen Akteuren und für eine friedliche Lösung aufgerufen. Das ist an sich nicht falsch, und doch fehlt die entschiedene Anklage der Faschisten. Es mangelt an der klaren Ansage, daß für faschistische Brandstifter, die sich auf Nazihelfer wie Stepan Bandera berufen, das gleiche gilt wie hierzulande: Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!

Zu den größten Problemen gehört das Fehlen einer linken Kraft in der Ukraine, die eine Lösungsperspektive zeigen könnte. Die Erwartung vieler Demonstranten auf dem Maidan, eine Annäherung an die EU zöge automatisch eine Zunahme von Wohlstand und Freiheit für alle nach sich, war unglaublich naiv. Bis heute gibt es keine linke Kraft, die diese Illusionen zerstreuen könnte. Janukowitsch selbst hat die Wunschvorstellungen befördert, indem er jahrelang die Annäherung an die EU propagierte und erst im allerletzten Moment die Reißleine zog. Brüssel seinerseits hat nicht gezögert, sich die Naivität der Maidan-Demonstranten zunutze zu machen und sie als Speerspitze gegen Janukowitsch zu verwenden.

Die von der Europäischen Union stetig ermunterte Protestbewegung wechselte im Lauf der Ereignisse ihren Charakter: Aus einer Demonstration für die Unterzeichnung des EU-Assoziierungsabkommens wurde eine, die offen zum Sturz der Regierung aufrief. Die von der Verfassung gezogenen Grenzen wurden dabei immer offener mißachtet. Radikalisierung und Militarisierung der Proteste gehen zu einem großen Teil auf die faschistischen »Unterstützer« des Maidan zurück. Die demokratischen Kräfte unter den Demonstranten haben von Anfang an Faschisten bei ihrem Widerstand gegen Janukowitsch und Co. geduldet. Diese sind mittlerweile von extremen Außenseitern zu einem gesellschaftlich breit akzeptierten Faktor avanciert.

Aber nicht nur Swoboda gelang der Sprung vom Westen in die Mitte der Ukraine. Das gilt auch für noch offener faschistische Organisationen wie etwa den »Rechten Sektor«. Dessen Fahnen waren auf dem Maidan bald unübersehbar, selbst instrumentalisierte Zeichen wie »Wolfsangeln« fanden ihren Weg nach Kiew. Der »Rechte Sektor« ist eine militante Kampfformation, die inzwischen über etliche tausend Anhänger verfügt, einige von ihnen mit militärischer Erfahrung. Diese Kräfte haben auf dem Maidan eine, wenn vielleicht nicht zahlenmäßige, so doch politische Dominanz gewonnen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätten die verbliebenen Demokraten auf dem Platz erkennen müssen, daß sie in extrem schlechter Gesellschaft sind. Es ist bekannt, daß eine kleine Minderheit auf dem Maidan Linke waren, die versuchten, das Geschehen mit emanzipatorischen Inhalten zu beeinflussen. Es ist offensichtlich, daß sie damit gescheitert sind.

Siehe auch www.antikapitalistische-linke.de

Quell: www.jungewelt.de ovm 10.03.14

Dieser Beitrag wurde am Montag, 10. März 2014 um 12:19 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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