Wolfgang Huste Polit- Blog

Ehre, wem Ehre gebührt. Im Berliner Abgeordnetenhaus haben sich CDU und SPD dagegen ausgesprochen, Reichspräsident Hindenburg von der Liste der Ehrenbürger zu streichen. Von Kurt Pätzold

Dienstag, 17. März 2015 von Huste

Im goldenen Buch der Bundesrepublik mit der Aufschrift »Bewältigung deutscher Vergangenheit« ist auf einer bereits viel gefüllten Seite weitergeschrieben worden. Sie gehört zum Kapitel »Hindenburg«. Autoren sind die Abgeordneten der christlich-demokratischen und der sozialdemokratischen Fraktion des Berliner Abgeordnetenhauses, genauer die Mitglieder eines seiner Ausschüsse. Die haben – Ehre wem Ehre gebührt – beschlossen, dem kaiserlichen Feldmarschall und späteren Reichspräsidenten Paul von Hindenburg die Ehrenbürgerschaft der Bundeshauptstadt zu belassen, gegen das Ansinnen der Opposition, sie ihm zu entziehen. Nicht nur dieser Minderheit ist es mehr als ein bloßes Ärgernis, dass sich der Name auf dem besonderen Papier so lange erhalten hat. Das gelang ihm nicht nur dort. Die Bundesrepublik ist von Straßen, die seinen Namen tragen, geradezu übersät. In Baden-Württemberg hat sie jemand gezählt und kam auf weit über hundert. Auch im deutschen Südwesten sind mancherorts Bestrebungen im Gange, sich von diesem Erbe zu trennen. Sie gehen von Ort zu Ort unterschiedlich aus (siehe jW vom 31. Dezember 2014).

Die darüber am Ende entscheiden, könnten sich eine einfache Frage vorlegen. Wem galten eigentlich diese Jahrzehnte zurückliegenden Taufen? Was war das Verdienst, das mit ihnen auf diese Weise ins Gedächtnis von Stadtbewohnern gebracht und dort gehalten werden sollte? Sie haben den zum Kriegshelden erhobenen »Sieger von Tannenberg« geehrt, jener 1914 in Ostpreußen ausgetragenen Schlacht, zu der es im Ergebnis einer fehlgeschlagenen Rechnung des deutschen Generalstabes kam. Der hatte sich den Aufmarsch der russischen Truppen – Deutschland erklärte dem Zarenreich am 1. August 1914 den Krieg – so langsam vorgestellt, dass er glaubte, Frankreich schon erledigen und seine Truppenmacht danach nach Osten werfen zu können, bevor die gegnerischen Armeen aktionsfähig sein würden. Als die sich aber an den deutschen Zeitplan nicht hielten und über die Grenze in die nordöstliche Provinz des Reiches eindrangen, sah sich die deutsche Führung vor einem doppelten Dilemma, einem militärischen, aber auch einem propagandistischen, denn es war den dummgläubigen Deutschen doch erklärt worden, sie müssten in den Krieg ziehen, die Gefahr aus dem Osten abzuwehren. Hindenburg, vor Kriegsbeginn schon in Rente geschickt, wurde remobilisiert und als Reparaturschlosser an die Ostfront geschickt. Das Missgeschick ließ sich in Ordnung bringen. Die Eingedrungenen wurden geschlagen, gefangengenommen oder zurück über die Grenze gedrängt. Von daher rührte der Ruhm des Mannes, hinter dem die Anteile anderer wie üblich verblassten. Ist uns, das wäre die erste Frage, die sich die Abgeordneten der Berliner Regierungskoalition hätten stellen können, der Feldherr eines Eroberungskrieges, durch den aus der Großmacht Deutschland eine Weltmacht werden sollte, eine Ehrung noch wert?

Hätte sich die hauptstädtische Volksvertretermehrheit dann auf Hindenburgs weitere Spur in den Kriegsjahren gesetzt, wäre ihr geradezu ins Auge gefallen, dass der Mann, der zum Chef der Obersten Heeresleitung aufstieg, ein Kriegsverlängerer war, der sich mit seinen Entscheidungen die Verantwortung für den Tod von Zehn- und Hunderttausenden Soldaten auflud. Noch 1918, als die Kräfte des Kaiserreiches und seiner Armee erkennbar erschöpft waren, befahl die Heeresführung eine Offensive in Frankreich, nicht um den Krieg noch zu gewinnen, sondern einzig für günstigere Waffenstillstandsbedingungen. Das »Unternehmen Michael« wurde ein Debakel. Bevor dann der Krieg das deutsche Reichsgebiet erreichte, verlangten Hindenburg und sein Klüngel, dass die Zivilisten an der Reichsspitze einen Weg zum Waffenstillstand und Frieden suchten und beschritten. Dieser Rolle Hindenburgs als Soldaten mordender Kriegsverlängerer hätte die zweite Überlegung der Parlamentarier gelten können.

Die dritte betrifft Hindenburg als den Verbreiter der Mär vom »im Felde unbesiegten Heer«, das vom Dolchstoß in den Rücken getroffen wurde, jener Lüge, die im Zentrum aller Lügen und Legenden über den Ersten Weltkrieg stand. Das suchte Hindenburg zusammen mit der nicht weniger verlogenen These von Deutschlands Kriegsunschuld glaubhaft zu machen – im engeren Kreis den Reichstagsabgeordneten, die beauftragt waren, sich mit der Kriegsgeschichte zu befassen, im weiteren den Lesern seiner Memoiren. Mit deren Abfassung ließ er sich keine Zeit. Sie lagen 1920, gedruckt unter dem Titel »Aus meinem Leben«, vor. Sie halfen zusammen mit Dutzenden von Erinnerungen, die kaiserliche Generale und Offiziere zum Verfasser hatten, Millionen Deutsche um Einsichten und Lehren betrügen, die sie aus dem Weltkrieg hätten gewinnen können.

Merkwürdig: Wenn von Hindenburgs Rolle in der deutschen Geschichte geredet oder geschrieben wird, sind die Teilnehmer meist sogleich bei seiner Unterschrift unter die Ernennungsurkunde für Adolf Hitler. Das Davor ist weithin vergessen oder nie wahrgenommen worden. Davon profitieren bis auf den heutigen Tag jene Deutschnationalen mit den verschieden farbigen Parteibüchern, die Hindenburg »behalten« wollen und zur Stärkung ihrer Position landauf landab sich als jene ausgeben, die differenziert in die deutsche Geschichte und auf deren Hauptakteure blicken, denen sie Gerechtigkeit widerfahren lassen. Scharfschauend haben sie entdeckt, dass der 1925 zum Reichspräsidenten, also zum Staatsoberhaupt der Republik Gewählte um dieses Staatswesen sich einige Jahre hindurch Verdienste erworben habe. Auf deren Aufzählung wird dann freilich wie jüngst auch in dem Berliner beratenden Gremium besser verzichtet. Vor allem seine Rolle als Stütze der Regierungspraxis, die nicht mehr mit den Beschlüssen von Parlamentsmehrheiten arbeitete, sondern mit sogenannten Notverordnungen, die von der Regierung ausgearbeitet wurden und nur noch den Segen des Präsidenten brauchten und erhielten. Hindenburg funktionierte als Stütze für jene Politik, welche die Lasten der großen Krise auf die Massen abwälzte und mit der Verarmung, dem Hunger und dem Wohnungselend eine Bedingung für den Aufstieg der Nazipartei zur wählerstärksten Partei im Reich schuf. Selbst noch für den Verfassungsbruch, der in der Berufung Hitlers zum Reichskanzler lag, werden mildernder Umstände präsentiert: Die Massen hätten den Mann eben gewollt, und dem hätte er Rechnung tragen müssen. Deren angebliche Mehrheit, das lässt sich am Wahlergebnis ablesen, machte in Wahrheit ein Drittel der Wählerschaft aus.

ND Griechenland Dossier

Die Durchmusterung zutage liegender Tatsachen aus Hindenburgs Biographie könnte hinreichen, ihm jedes Gedenken in öffentlichen Räumen und jeden Platz auf einer Ehrenbürgerliste zu entziehen. Dass sich Demokraten dazu nicht verstehen, lässt fragen, wie es in ihren Köpfen aussieht. Denn, um bei den verteidigten Straßen- und Platznamen zu bleiben: Deren Erhaltung bietet nur einen Vorteil. Sie kann bei der geographischen Orientierung helfen. Wer auf sie trifft, weiß sicher, dass er sich auf dem Territorium der Bundesrepublik in ihren ursprünglichen Grenzen befindet und die Ländergrenzen von Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern in Richtung Osten noch nicht überschritten hat.

Linke-Antrag: Hindenburg aus der Ehrenbürgerliste Berlins streichen

 

Im Berliner Abgeordnetenhaus haben am vergangenen Donnerstag Grüne und Piraten den Antrag der Fraktion Die Linke unterstützt, den früheren Reichspräsidenten Paul von Beneckendorff und von Hindenburg – so sein voller Name – aus der Ehrenbürgerliste der Hauptstadt zu streichen. SPD und CDU stimmten dem nicht zu. Der Antrag im Wortlaut:

 

Das Abgeordnetenhaus wolle beschließen: Der Senat wird aufgefordert, Paul von Beneckendorff und von Hindenburg aus der Ehrenbürgerliste Berlins zu streichen. (…)

Begründung: Am 20. April 1933 wurde die Liste der Berliner Ehrenbürger um die Positionen 58 (Paul von Beneckendorff und von Hindenburg) und 59 (Adolf Hitler) erweitert. Der seinerzeitige Reichspräsident und der wenige Wochen zuvor von ihm ernannte Reichskanzler wurden in Würdigung »ihrer Verdienste um die nationale Wiedergeburt der Stadt Berlin« zu Ehrenbürgern der Reichshauptstadt. In der Sprache des »Dritten Reiches« war damit nichts anderes gemeint als die Errichtung der nationalsozialistischen Diktatur, für die Hindenburg ein entscheidender Akteur war. Er unterschrieb Verordnungen und Gesetze, die den Reichstag entmachteten, die Grundrechte aufhoben und Hitlers Herrschaft legitimierten.

Adolf Hitler wurde die Berliner Ehrenbürgerschaft am 16.12.1948 aberkannt. Paul von Beneckendorff und von Hindenburg steht immer noch auf der Ehrenbürgerliste. 100 Jahre nach Ausbruch des mörderischen Ersten Weltkrieges ist es überfällig, diesen Militaristen und Wegbereiter Hitlers aus der Galerie derer zu entfernen, auf die Berlin stolz sein kann. Dortmund, Köln, Halle/S., Leipzig, München und Stuttgart haben ihm inzwischen die Ehrenbürgerschaft entzogen. Berlin sollte dem Beispiel dieser Städte folgen.

Quelle: www.jungewelt.de vom 17.03.15

Dreister geht es immer. NSU-Prozess: Ex-»Blood & Honour«-Sektionschef will nie V-Mann gewesen sein. Mittlerweile benehmen sich die Neonazis vor Gericht, wie es ihnen beliebt. Von Claudia Wangerin

Freitag, 13. März 2015 von Huste

Unglaubwürdig und dreist wirken im NSU-Verfahren vor dem Oberlandesgericht München viele Zeugen, die um die Jahrtausendwende der Neonaziszene angehört haben. Prozessbeteiligte und Beobachter glaubten nach knapp zwei Jahren kaum, dass in diesem Punkt noch eine Steigerung möglich wäre. Mit Marcel Degner, ehemals Chef der »Blood & Honour«-Sektion Thüringen, wurde am Mittwoch aber doch eine neue Qualität erreicht: Das Gericht hatte beim Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz eine Aussagegenehmigung für den 39jährigen erwirkt, der nach Erkenntnissen der NSU-Untersuchungsausschüsse zur fraglichen Zeit »Vertrauensmann« des Dienstes war. Ein Beamter des Thüringer Verfassungsschutzes hatte dies an einem früheren Prozesstag eher widerwillig eingeräumt. Degner bestritt aber nun vor Gericht vehement, jemals V-Mann gewesen zu sein.

Auf die Frage, ab wann er Kontakt zu der Behörde gehabt habe, antwortete der Zeuge: »Gar nicht.« Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl hakte nach: »Haben Sie nicht für das Landesamt Thüringen als Quelle gearbeitet?« Antwort: »Nein.« Im Jahr 2001 habe er das erstmals in der Presse gelesen, »und seitdem wird mir das ständig vorgeworfen«, sagte Degner. Tatsächlich habe er einmal angebliche Mitarbeiter des Landeskriminalamtes weggeschickt, die ihn angesprochen hätten.

Auf einem Neonazikonzert am 13. November 1999 in Schorba hatte sich Degner ausgerechnet mit dem späteren V-Mann des Berliner Landeskriminalamtes, Thomas Starke, über das untergetauchte Trio aus Jena unterhalten, das zwölf Jahre später als »Nationalsozialistischer Untergrund« (NSU) bekannt wurde: Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe, die damals wegen unerlaubten Sprengstoffbesitzes gesucht wurden und im Jahr darauf zum ersten Mal getötet haben sollen.

Starke war seinerzeit Funktionär der »Blood & Honour«-Sektion Sachsen, deren harter Kern das NSU-Trio in Chemnitz versteckt hielt. Degner alias »Quelle 2100« soll sich am Rande des Konzerts bei Starke erkundigt haben, ob die Untergetauchten Geld bräuchten – obwohl er sie angeblich nicht persönlich kannte, wie er vor Gericht behauptete. Starke soll ihm damals mitteilt haben, das Trio würden jetzt »jobben«. Nach heutigen Erkenntnissen hatten sie da bereits Banken überfallen. »Quelle 2100« soll 1999 dem Verfassungsschutz über die Begegnung mit Starke und die finanzielle Lage der drei Gesuchten berichtet haben. Degner will es nicht gewesen sein. Bei seiner polizeilichen Vernehmung nach Bekanntwerden des NSU hatte der Zeuge noch erklärt, er wolle zur »möglichen Zusammenarbeit« mit dem Landesamt für Verfassungsschutz keine Angaben machen, da er sich durch Medienberichte belastet fühle. Am Mittwoch wollte er seine mutmaßlichen V-Mann-Führer auch auf Fotos nicht erkennen. Angeblich hatte er auch nie vor, den Untergetauchten Geld zukommen zu lassen, konnte aber nicht erklären, warum er dann diese Frage gestellt hatte, wenn er kein V-Mann war.

»Ich möchte hier die Wahrheit hören«, stellte Richter Götzl klar. Bundesanwalt Herbert Diemer kündigte an, die Anklage gehe jetzt dem Verdacht der Falschaussage nach – sollte tatsächlich ein Verfahren eingeleitet werden, wäre dies ein Novum im NSU-Prozess. Nebenklageanwalt Alexander Hoffmann beantragte am Mittwoch, die Vernehmung Degners zu unterbrechen und zunächst noch einmal den Verfassungsschutzbeamten als Zeugen zu befragen, der ihn als »Quelle 2100« identifiziert hatte.

Am Donnerstag sagte vor Gericht ein früherer Schulfreund des mutmaßlichen NSU-Terroristen Uwe Mundlos aus. Das Argument, sein eigener behinderter Bruder hätte wohl im Hitlerfaschismus als »unwertes Leben« gegolten, habe Mundlos damals einfach »weggewischt«, sagte der 41jährige Zeuge. Schon früh habe Mundlos, der Sohn eines Informatikprofessors, selbst Computerspiele geschrieben, in denen es darum gegangen sei, »Juden abzuschießen«.

Quelle: www.jungewelt.de vom 13.03.15

»Suizid« angeordnet. NSU-Ausschuss in Baden-Württemberg: Staatsanwalt legte noch am Todestag des Neonaziaussteigers Florian Heilig das Ermittlungsergebnis fest: Selbstmord. Von Wolf Wetzel

Freitag, 13. März 2015 von Huste

Die Hintergründe des Todes von Florian Heilig beschäftigen in dieser Woche erneut den NSU-Untersuchungsausschuss des baden-württembergischen Landtages. Die Parlamentarier sollen das Agieren der rechten Terrorgruppe »Nationalsozialistischer Untergrund« (NSU) im Ländle und die Umstände des Todes der Polizeibeamtin Michèle Kiesewetter aufklären, die 2007 in Heilbronn erschossen wurde. Sie gilt als zehntes und letztes Opfer des NSU. Wenige Stunden, bevor ihn Beamte des Landeskriminalamtes dazu befragen konnten, soll sich der Neonaziaussteiger Heilig am 16. September 2013 in seinem Auto selbst verbrannt haben. So jedenfalls die offizielle Darstellung.

Im Untersuchungsausschuss kommen erste Details der »Aufklärungsarbeit« ans Licht. Im Rahmen des Todesermittlungsverfahrens wollten die Polizeibeamten bei der Staatsanwaltschaft das beantragen und durchführen, was in solchen Fällen zum Standardprogramm gehört: die Durchsuchung des Zimmers von Florian Heilig im Lehrlingswohnheim, die Sicherstellung der Kommunikationsdaten (Handy- und Ortungsdaten) und die Sicherstellung und Auswertung des Laptops, der sich im Kofferraum befand. Was eigentlich kaum der Rede wert sein sollte, stieß in diesem Fall auf »unerklärlichen« Widerstand. Obwohl die zahlreichen Spuren noch nicht ausgewertet worden waren, auch kein Brandgutachten vorlag, hat Staatsanwalt Dr. Stefan Biehl, Mitglied der politischen Abteilung 1 der Staatsanwaltschaft Stuttgart, noch am selben Tag angewiesen, den Fall als Suizid zu behandeln. Das hatte zur Folge, dass die von der Polizei erwünschten weiteren strafrechtlichen Ermittlungen abgelehnt, also unterbunden wurden.

Begründet hat Staatsanwalt Biehl diese Entscheidung zur Unterlassung vor dem Stuttgarter Untersuchungsausschuss am Montag damit, dass ihm konkrete Hinweise auf andere Straftaten, wie etwa Nötigung oder Bedrohung von Florian Heilig, gefehlt hätten. Dabei hatte es offensichtlich genügend »Hinweise« gegeben. Denn die Ermittlungen wurden sofort ans LKA abgegeben und dort lag alles in einer Hand: »Wir waren uns der Brisanz des Falls bewusst«, sagte einer der angehörten Polizisten dem Ausschuss. Es war also kein normaler Fall, sondern »Chefsache«: »Die Polizei setzte eine Ermittlungsgruppe ein, bei der Obduktion war der Staatsanwalt dabei – Dinge, die in normalen Todesermittlungsverfahren unüblich sind«, betonte der Erste Kriminalhauptkommissar Helmut Hagner.

Nennen wir nur drei Gründe dafür, die für den Fall von einem »normalen Todesermittlungsverfahren« abheben:

1. Wenn ein ehemaliger Neonazi Aussagen (gegen ehemalige Kameraden) macht und aus diesem Grunde im Aussteigerprogramm des LKA Stuttgart ist, ist er gefährdet und muss mit Bedrohungen und Angriffen rechnen. Das weiß sogar ein Staatsanwalt. Dr. Biehl hatte zu diesem Zeitpunkt kein Motiv, das für ein »persönliches Drama« sprechen würde. Er wusste jedoch um die Gefährdung des nun toten Zeugen. Diese war nicht abstrakt, sondern sehr konkret.

2. Wenn man im und um den ausgebrannten Wagen herum keinen Autoschlüssel findet, dann darf sich auch ein Staatsanwalt fragen, wie ein Todeswilliger das Fahrzeug fahren und abstellen konnte. Da es alles, nur nicht selbstmordtypisch ist, die Auto- und Wohnungsschlüssel unauffindbar wegzuwerfen, bevor man sich umbringt, muss der Wahrscheinlichkeit nachgegangen werden, dass sich eine »zweite Person« in den Besitz der Schlüssel gebracht hat.

3. Wenn Zeugen, die tatsächlich befragt wurden, eine Person auf dem Fahrersitz, eine Person auf dem Beifahrersitz, eine Person vor dem Auto gesehen haben, dann ist nicht auszuschließen, dass es sich eben nicht um ein und dieselbe Person gehandelt hat. Genau das war und ist den Zeugenaussagen auch nicht zu entnehmen.

Jeder Staatsanwalt weiß, dass bereits einer der genannten Punkte allein Grund genug ist, der Möglichkeit eines Mordgeschehens nachzugehen. Dass Dr. Biehl weder aus persönlichem Eigensinn noch aus Willkür so handelte, sollte man ihm nachtragen: Er ist weisungsgebunden, also dem Justizministerium unterstellt. Dort wird er erfahren haben, warum er nichts finden durfte, das eine normale Ermittlung in alle Richtungen nach sich hätte ziehen müssen.

Staatsanwalt Biehl kann auch ganz anders, wenn man ihn lässt und es erwünscht ist: Gegen Antifaschisten kann er alles auffahren, was seine Kompetenzen und Möglichkeiten hergeben. Auch Hausdurchsuchungen bei Journalisten bereiten ihm keine Probleme – so war es etwa 2011, als er nach Beweismitteln gegen Linke suchte. Durch die Stuttgarter Zeitung auf die strafprozessual vollkommen unnötige Aktion angesprochen, erwiderte Biehl trocken: »Wenn Beweisverlust droht, muss man eben schnell handeln.«

Im Zuge einer Demonstration gegen das Bahnhofsprojekt »Stuttgart 21« am 20. September 2010 wurden u. a. Wasserwerfer eingesetzt. Es kam zu schweren Verletzungen, ein Demonstrant ist seitdem blind. Dieser brutale Polizeieinsatz ging als »Schwarzer Donnerstag« in die Geschichte der S-21-Bewegung ein. Staatsanwalt Biehl stand mit Rat und Tat den beschuldigten Beamten bei und riet ihnen, in Zukunft Reizgas einzusetzen: Denn das wäre »rechtmäßig gewesen« und hätte »weniger Verletzte« gefordert (siehe: »Die guten Tipps vom Staatsanwalt Biehl«, in: Kontext, Ausgabe 179 vom 3. September 2014).

Biehl hat all das nicht geschadet. Man kann vielmehr – mit Fug und Recht – sagen, dass er dafür belohnt wurde: Laut Südwest Presse wechselte er zur Bundesanwaltschaft.

Internationale Untersuchung

Politischer Mordanschlag ist nicht gleich politischer Mordanschlag, zweifelhafte Ermittlungen sind nicht gleich zweifelhafte Ermittlungen: Das Europaparlament hat eine »unabhängige internationale Untersuchung« der Todesschüsse auf den früheren russischen Vizepremier Boris Nemzow in Moskau gefordert. Dazu könnten die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), der Europarat und die Vereinten Nationen beitragen, hieß es in einer Entschließung der Abgeordneten am Donnerstag. Weiter machten die Parlamentarier »systematische Verstöße« gegen die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit in Russland aus. Grundsätze für faire Gerichtsverfahren und die Unabhängigkeit der Justiz würden von der Staatsführung missachtet. Der 55jährige Nemzow war am 27. Februar auf einer Brücke im Zentrum der russischen Hauptstadt hinterrücks erschossen worden. Medien und Politiker in der EU machten umgehend den Kreml für den Mord an dem Kreml-Kritiker verantwortlich – so wie bei Terroranschlägen in der Vergangenheit grundsätzlich eine Beteiligung des russischen Geheimdienstes unterstellt wurde.

Die Verwicklung von deutschen Geheimdiensten in politisch motivierte Morde wird dagegen als »Verschwörungstheorie« abgetan. Die rechte Terrorgruppe »Nationalsozialistischer Untergrund« (NSU) wird für eine Mordserie an Migranten in den Jahren 2000 bis 2006, mehrere Sprengstoffanschläge sowie den Polizistenmord von Heilbronn im Jahr 2007 verantwortlich gemacht. Auf Anweisung staatlicher Stellen wurden gezielt Akten vernichtet, die eine Verwicklung von Geheimdiensten in die Terrorserie belegen könnten. Ein früherer Landesinnenminister hält schützend seine Hand über einen früheren Verfassungsschutzmitarbeiter, der an einem der Tatorte zur Tatzeit zugegen war. Ein Staatsanwalt bringt binnen Stunden das Todesermittlungsverfahren im Fall eines im Auto verbrannten Neonaziaussteigers zum Ende und legt sich auf »Suizid« fest …

Mindestens zehn Menschen haben die NSU-Terroristen ermordet: Enver Şimşek (9. September 2000 in Nürnberg), Abdurrahim Özüdoğru (13. Juni 2001 in Nürnberg), Süleyman Taşköprü (27. Juni 2001 in Hamburg), Habil Kılıç (29. August 2001 in München), Mehmet Turgut (25. Februar 2004 in Rostock), İsmail Yaşar (9. Juni 2005 in Nürnberg), Theodoros Boulgarides (15. Juni 2005 in München), Mehmet Kubaşık (4. April 2006 in Dortmund) und Halit Yozgat (6. April 2006 in Kassel) sowie Michèle Kiesewetter (25. April 2007 in Heilbronn).

Die Abgeordneten des Europaparlaments sind in den vergangenen Jahren nicht einmal auf die Idee gekommen, in diesen Fällen eine »unabhängige internationale Untersuchung« zu fordern. Die Tatorte waren zu weit weg vom Kreml.

Quelle: www.jungewelt.de vom 13.03.15

Die interventionistische Linke Bielefeld macht in einer Pressemitteilung vom Montag darauf aufmerksam, wie der lokale Staatsschutz versucht, die Blockupy-Proteste in Frankfurt am Main zu kriminalisieren:

Freitag, 06. März 2015 von Huste

In den vergangenen Tagen erhielten mindestens drei Bielefelder Busunternehmen Post der Kriminalinspektion Staatsschutz des Polizeipräsidiums Bielefeld. In dem Schreiben werden die Busunternehmen aufgefordert mitzuteilen, ob am 18.3. Fahrten nach Frankfurt am Main geplant werden und ggf. die persönlichen Daten der anmietenden Person, der Organisation, die Zahl der Fahrgäste, Zeitpunkte der Abreise und Ankunftszeit in Frankfurt preiszugeben. Begründet wird dieses Vorgehen damit, dass an diesem Tag bei den Blockupy-Protesten gewalttätige Ausschreitungen zu erwarten seien.

Wir weisen diese Kriminalisierung schon im Vorfeld der geplanten Blockupy-Proteste entschieden zurück. Das Blockupy-Bündnis hat sowohl im Vorfeld der Aktivitäten am 18.3.2015 in Frankfurt am Main als auch schon bei den zurückliegenden Aktionstagen 2012 und 2013 deutlich gemacht: Von uns Aktivistinnen und Aktivisten geht keine Eskalation aus.

Statt dessen hat die Frankfurter Polizeiführung im Jahr 2013 durch die Verhinderung der angemeldeten Großdemonstration von 10.000 Menschen nach schon 500 Metern bewiesen, was sie vom Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit hält: nicht viel! Das eskalierende Vorgehen der Polizei wurde damals selbst in der bürgerlichen Presse recht gut dokumentiert.

Wir sehen in diesem Vorgehen den Versuch, Ermittlungsdaten schon im Vorfeld einer Demonstration zu erheben und Busunternehmen einzuschüchtern. In unserem Fall hat das Unternehmen Mietrach das Angebot zur Beförderung bereits zurückgezogen. Allerdings gehen wir davon aus, dass der Horizont des Bielefelder Staatsschutzes nicht weit genug reicht, um eine solche Maßnahme eigenständig zu ersinnen. Vielmehr nehmen wir an, dass eine Art Amtshilfeersuchen aus Frankfurt dahinter steckt.

Wer Banken mit öffentlichen Mitteln rettet, muss es ertragen, dass diejenigen, die unter dem Diktat einer oktroyierten Austeritätspolitik leiden, protestieren und ihr Recht auf Meinungsäußerung auf europäischem Boden wahrnehmen. Wir erwarten in Frankfurt über 1.500 Mitstreiter aus anderen EU-Ländern.

Wer in der Krise anderen Sparen diktiert und mit 1,3 Milliarden Euro ein Symbol der kapitalistischen Ausbeutung in den Himmel baut, muss ertragen, dass dieses Symbol auch als solches verstanden wird und den Widerstand der antikapitalistischen Commune und anderer hervorrruft. Dennoch wollen wir auch klarstellen: Der Protest und der Widerstand werden am 18.3.2015 nach Frankfurt zurückkehren. Wir werden nach Frankfurt zurückkehren! Wir fahren am 18.03. um drei Uhr am Bielefelder Bahnhof los. Und Busfahrkarten gibt es unter kontakt@il-bi.de

Quelle: www.jungewelt.de vom 06.03.15

Tarifeinheit: CDU überholt SPD links

Freitag, 06. März 2015 von Huste

Berlin. Die Regierungskoalition verändert den Gesetzentwurf zur Tarifeinheit womöglich. Die CDU kündigte bei der ersten Beratung des Gesetzes am Donnerstag im Bundestag etwaige Änderungen an. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) verteidigte hingegen ihren Entwurf gegen Kritik und Ablehnung. Mit dem Gesetz will die Regierung die Durchsetzungskraft kleinerer Gewerkschaften wie die der Lokführer (GDL) beschneiden. In Betrieben mit mehreren Tarifverträgen für gleiche Beschäftigtengruppen soll nur noch der Vertrag der Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern gelten. Kritiker meinen, dann verliere die kleinere Gewerkschaft Daseinsberechtigung und Streikrecht. Der sozialpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Karl Schiewerling (CDU), setzte sich nun für eine Änderung ein. Auch der kleinen Gewerkschaft könne der Streik nicht verboten werden. (dpa/jW)

Quelle: www.jungewelt.de vom 06.03.15

»Das ist nicht solide, das ist Misswirtschaft«. Linke weiter gegen militarisierte Außenpolitik: Vertragsstrafe für Rüstungskonzern hätte ein Viertel der Summe für Kindergelderhöhung abgedeckt. Gespräch mit Gesine Lötzsch. Interview: Claudia Wangerin

Freitag, 06. März 2015 von Huste

Gesine Lötzsch ist Abgeordnete der Fraktion Die Linke und Vorsitzende des Haushaltsausschusses im Deutschen Bundestag

Als Vorsitzende des Haushaltsausschusses haben Sie das Nein Ihrer Fraktion zur Anschaffung von 186 Militärhubschraubern der Typen NH90, MH90 und »Tiger« mit den Worten begründet, es sei verantwortungslos, der Bundeswehr mehr Geld zu versprechen, ohne die unhaltbaren Zustände in ihr zu beenden. Finden Sie es mit Blick auf Ihr Parteiprogramm gut oder schlecht, wenn die Armee aufgrund technischer Mängel nicht überall einsatzfähig ist?

Die Linke war immer gegen eine Interventionsarmee. Folgerichtig haben wir uns im Haushaltsausschuss natürlich gegen eine Vertragsanpassung bei der Beschaffung der Hubschrauber ausgesprochen. Der Skandal ist doch, dass das Verteidigungsministerium Steuergelder aus dem Fenster wirft und gleichzeitig der Finanzminister erklärt, dass er bereit ist, noch mehr Geld in dieses Fass ohne Boden zu stecken. Beim »Tiger« beträgt die Kostensteigerung 10,6 Prozent und beim NH 90 sogar 19,45 Prozent. Das ganze Paket kostet mehr als acht Milliarden Euro. Dafür bekommt die Bundeswehr Hubschrauber, die nur sehr bedingt einsetzbar sind.

Wieviel weniger müsste nach Ihrer Einschätzung für die Ausrüstung einer reinen Verteidigungsarmee ausgegeben werden?

Das ist natürlich schwer zu berechnen. Der Hubschrauber »Tiger« zum Beispiel war nicht für den Auslandseinsatz ausgelegt. Deshalb wurden für den mörderischen Afghanistan-Krieg extra Triebwerke bestellt, die auch in hochgelegenen und heißen Gegenden funktionieren. Bei vielen Waffensystemen ist nicht ohne weiteres zu sagen, ob sie ausschließlich der Landesverteidigung dienen oder auch für Auslandseinsätze geeignet sind. In den Haushaltsberatungen 2014 haben wir Kürzungsvorschläge für die Bundeswehr in Höhe von 3,2 Milliarden Euro gemacht.

Oskar Lafontaine hat beim Erfurter Programmparteitag statt einer Interventionsarmee ein ziviles »Willy-Brandt-Korps« für internationale Katastrophenhilfe vorgeschlagen. Spielt es noch eine Rolle in der innerparteilichen Debatte?

Ja, unsere Fraktion diskutiert zur Zeit einen Antrag zum »Willy-Brandt-Korps«.

Quelle: www.jungewelt.de vom 06.03.15

Sie bemängeln unter anderem, dass das Verteidigungsministerium im aktuellen Fall auf Vertragsstrafen für die Rüstungskonzerne verzichtet hat. Wird damit nicht der Eindruck erweckt, die Anschaffung der Hubschrauber an sich sei unbedingt nötig?

Nein, ich bin der Meinung, dass es keinen Grund gibt, Airbus die Vertragsstrafe einfach zu erlassen. Wir brauchen dieses Geld. Ich frage mich, warum der Finanzminister solche Geschenke an Airbus akzeptiert. Derselbe Finanzminister erzählt uns immer wieder, dass er in Europa Vorbild sein muss, wenn es um eine solide Haushaltspolitik geht. Was er da macht, beziehungsweise zulässt, ist nicht solide, das ist Misswirtschaft.

In welcher Größenordnung hätten sich solche Vertragsstrafen bewegen können?

Es geht um rund 100 Millionen Euro. Mit dem Betrag könnten wir schon ein Viertel der Kindergelderhöhung für das nächste Jahr bezahlen. Wenn unsere Abrüstungsvorschläge angenommen werden würden, dann könnten wir das Kindergeld natürlich ganz anders anheben.

Sie haben eine neue Führungskultur, Transparenz, Integrität und politische Verantwortung als Bedingungen für Geldzuwendungen an das Heer genannt. Was verstehen Sie darunter?

Ich habe die vernichtende Kritik der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG aufgegriffen. Die kommt zu dem Schluss, dass beim Management von Rüstungsprojekten Führungskultur, Transparenz, Integrität und politische Verantwortung fehlen. Jede andere Organisation würde nach einer solchen Kritik aufgelöst werden. Wenn Die Linke die Bundeswehr in gleicher Weise kritisiert, dann wir das als Polemik abgetan. Wenn aber die Vorwürfe von der KPMG kommen, dann müsste jedem klar sein, dass es sehr schlecht um die Bundeswehr bestellt ist. Ich glaube, dass der Druck einiger Politiker auf die Bundeswehr sehr groß ist, High-Tech-Schrott von Airbus zu kaufen. Als Linke werden wir die Regierung immer wieder dafür kritisieren, dass sie die Außenpolitik militarisiert. Wir werden aber auch immer wieder kritisieren, dass diese Militarisierung letztendlich nur den Rüstungskonzernen unverdient die Steuergelder in die Taschen spült.

Ein Land schmiert ab. Die Wirtschaftslage der Ukraine nähert sich der Katastrophe. Zinsen auf Rekordhoch, Währung am Boden, Bankrott in Sicht. Von Reinhard Lauterbach

Freitag, 06. März 2015 von Huste

Mitte Februar gab es in Kiew eine neue Form von Demonstrationen. Schuldner von Devisenkrediten versammelten sich zu einem sogenannten Finanzmaidan vor der Nationalbank. Sie verlangten den Rücktritt von Nationalbankchefin Walerija Gontarewa. Die habe durch ungeschickte Interventionen am Devisenmarkt die Landeswährung Griwna (UAH) in den Keller geschickt. Für einige Tage lag der Kurs der Griwna zur US-Währung bei 40, dem Fünffachen des Werts vor dem Euromaidan, also den Protesten gegen den damaligen Präsidenten Wiktor Janukowitsch vor gut einem Jahr. Das bedeutet, dass die ukrainische Währung inzwischen 80 Prozent ihres Außenwerts eingebüßt hat. Tagelang gab es keine legale Möglichkeit, Devisen zu kaufen, die zahllosen kleinen Wechselstuben stellten mangels Angebot den Betrieb ein. Spontan entstand wieder ein Valuta-Schwarzmarkt mit Kursen, die um 20 Prozent über den offiziellen lagen. Ukrainische Staatsanleihen sanken an den Finanzmärkten auf 42 Prozent ihres Nennwerts.

Die Demonstration der wütenden Schuldner wurde nach zwei Tagen von der Polizei auseinandergejagt, und die Nationalbankchefin überstand auch einen Abwahlantrag im Parlament. Doch Anfang dieser Woche erhöhte Gontarewa den ukrainischen Leitzins auf unbezahlbare 30 Prozent. Natürlich glaubt niemand, dass irgendjemand im realen Wirtschaftsverkehr diesen Zins tatsächlich zahlt. Es ist ein verzweifelter Versuch, Banken und Unternehmen zu veranlassen, ihr Geld in ukrainischer Währung zu belassen, und so den akuten Ausbruch einer Krise des ukrainischen Finanzsystems hinauszuzögern. Die ist latent ohnehin schon im Gang. 20 ukrainische Banken mussten im vergangenen Jahr ihre Schalter schließen, Anfang der Woche ging das viertgrößte Institut, die Delta-Bank, in Konkurs, und selbst die vergleichbar solide aufgestellte »Privatbank« des Oligarchen Igor Kolomojskij musste sich um einen Notkredit der Zentralbank bemühen. Der Grund ist ein starker Anstieg der »notleidenden« Unternehmenskredite. Der wiederum ist nicht erstaunlich, wenn man bedenkt, dass die Wirtschaftsleistung bzw. das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Ukraine im 2014 um 20 Prozent zurückgegangen ist und selbst langjährige Filetstücke der ukrainischen Volkswirtschaft wie der Raketenproduzent »Piwdenmasch« in Dnipropetrowsk wegen ausbleibender Aufträge aus Russland Kurzarbeit einführen müssen.

Die Devisenreserven der Zentralbank sind unterdessen auf unter sechs Milliarden US-Dollar gesunken, die im wesentlichen schon für die Rückzahlung fälliger ukrainischer Anleihen zurückgehalten werden müssen. Denn von denen sind allein in diesem Jahr 5,4 Milliarden fällig. Zusätzlich hat die Ukraine Gasschulden gegenüber Russland in Milliardenhöhe, von denen sie als eine eher symbolische Geste unter Druck der EU Ende Februar 15 Millionen US-Dollar zurückgezahlt hat – nach Angaben des russischen Konzerns Gasprom entspricht der Betrag der ukrainischen Gasrechnung eines Tages. Kiew stellt sich stur und hofft offensichtlich, mit der Hilfe westlicher Geldgeber irgendwie über die Runden zu kommen. Der Internationale Währungsfonds hat neue Kredite in Höhe von 18 Milliarden US-Dollar in Aussicht gestellt, aber verteilt über vier Jahre; Bedingung für ihre Auszahlung sind weitere brutale Sozialkürzungen und Schnitte im Staatshaushalt. Letztere würden aber die ukrainische Realwirtschaft endgültig abwürgen.

So hofft die Ukraine auf einen Schuldenschnitt als letzte Rettung. Ihre Auslandsschulden sind im Laufe des Jahres 2014 von 40 auf 100 Prozent des BIP gestiegen. Schwierig wird es nicht nur sein, die internationalen Investoren, die sich die ukrainischen Anleihen genau wegen ihrer hohen Verzinsung ins Depot gelegt hatten, von einem Verzicht auf ihre Ansprüche zu überzeugen. Das Problem ist, dass unter den ausländischen Gläubigern mindestens einer ist, für den das Investment keine in erster Linie ökonomische, sondern eine politische Entscheidung war: Russland. Moskau hatte im Dezember 2013 zur Unterstützung von Janukowitsch ukrainische Euro-Bonds für drei Milliarden US-Dollar gekauft, wobei dieser Kredit jederzeit fällig gestellt werden kann, wenn die Ukraine mit dem Schuldendienst in Verzug gerät. Russland hat bisher auf den Einsatz dieses Druckmittels verzichtet – sicher auch, weil es weiß, dass in Kiew aktuell diese drei Milliarden Dollar ohnehin nicht zu holen sind. Rein ökonomisch kann sich Russland zurücklehnen: Es rechnet darauf, dass der Westen schon aus Prestigegründen die ukrainischen Schulden letztlich trotz aller Sanktionen übernehmen muss. Und Moskau kann versuchen, sich sein Stillhalten mit politischen Zugeständnissen bezahlen zu lassen. Denn einem Schuldenschnitt müssten alle Gläubiger zustimmen. Moskau ist also in der Position, die ganze Sanierung der ukrainischen Staatsfinanzen platzen lassen zu können. Wie es eine US-Fondsmanagerin formulierte: Russland könne die Ukraine schneller schädigen, als ihr der Westen zu helfen im Stande sei.

Maulkörbe in Kiew

Eines der wesentlichen Argumente für die »europäischen« Qualifikationen der Ukraine ist für deren Advokaten seit Jahren der gegenüber Russland wesentlich »freiere« Charakter der Gesellschaft. Belegt wird dies traditionell mit dem Vorhandensein einer im Vergleich zu den »Kremlmedien« pluralistischeren Presselandschaft und einer lebhaften Diskussion in der Öffentlichkeit. Daran ist so viel Wahres, dass die Medien in der Ukraine verschiedenen Oligarchen gehören und daher auch die Schattierungen von deren jeweiligen Interessen widerspiegeln. Nun ist die Ukraine aber dabei, diesen vermeintlichen Vorteil gegenüber Russland zu verspielen. Die Presse wird in wachsendem Maße gleichgeschaltet; zuletzt hat die Ukraine am Donnerstag angekündigt, künftig keine russischen Medien mehr bei Behörden und Ministerien zu akkreditieren. Gleichzeitig werden auch den ukrainischen Journalisten und sogar der Bevölkerung Maulkörbe angelegt. Zuletzt ist ein Abgeordneter der »Volksfront« von Ministerpräsident Arseni Jazenjuk mit einem Vorschlag zur Verschärfung des Strafrechts hervorgetreten. Der Antrag sieht vor, die »böswillige Herabwürdigung des Staates und seiner Repräsentanten« mit Zwangsarbeit bis zu zwei Jahren, Geldstrafe oder Gefängnis bis zu drei Jahren zu ahnden. Die Tatmerkmale sind dabei so weit gefasst – es reicht, dass eine Äußerung »geeignet« ist, das Ansehen des Staates zu schmälern –, dass unter den neuen Paragraphen mit entsprechendem politischen Willen jedes Gemecker in der Schlange oder in der Straßenbahn strafbar gemacht werden kann. Die Bestimmung verrät auch beim Strafmaß das Vorbild der »Verordnung zur Abwehr heimtückischer Diskreditierung der nationalen Regierung« vom 21. März 1933 aus der Anfangsphase des deutschen Faschismus.

Bereits vor einigen Wochen hatte der ukrainische Gesetzgeber im Zusammenhang mit der wenig erfolgreichen Mobilisierung von Reservisten für den Krieg im Osten des Landes die Kriegsdienstverweigerung unter Strafe gestellt. Auffällig ist dabei, dass die Verweigerung selbst mit bis zu zwei Jahren Haft leichter bestraft wird als die Werbung für sie (maximal fünf Jahre). Den ukrainischen Machthabern scheint ihre sogenannte freie Öffentlichkeit unheimlich zu werden. (rl)

Quelle: www.jungewelt.de vom 06.03.15

Rassismus am Verwaltungsgericht Düsseldorf: Dr. Heusch hetzt gegen Muslime

Dienstag, 03. März 2015 von Huste

Zu den heute bekannt gewordenen Äußerungen des Präsidenten des Düsseldorfer Verwaltungsgerichts, Dr. Andreas Heusch, und zur derzeitigen Rechtssprechung des VG Düsseldorf erklärt Azad Tarhan, Sprecher für antifaschistische Politik der LINKEN.NRW:

„Erst heute sind der breiten Öffentlichkeit Zitate aus einem Vortrag bekannt geworden, den der derzeitige Präsident des Verwaltungsgerichts Düsseldorf, Dr. Andreas Heusch, auf einer Veranstaltung der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung im Dezember 2006 gehalten hat. Dr. Heusch führte dort unter anderem aus:

Dabei sind es nicht nur die radikalen Muslime und ihre weltweiten Terrorakte, die uns in Angst und Schrecken versetzen. Mit Besorgnis beobachten wir auch, dass uns selbstverständlich gewordene Formen des Zusammenlebens in weiten Teilen einer wachsenden, durch den Islam geprägten Teilgesellschaft ihre Geltungskraft eingebüßt haben. Mit dem zahlenmäßigen Anwachsen der Muslime in Deutschland ist auch ihr Selbstbewusstsein gewachsen. Entsprechend treten sie mit oft weit gespannten Forderungen an die einheimische Bevölkerung wie auch an den Staat heran.

Wenn ein Richter in einem öffentlichen Vortrag einen Gegensatz zwischen „Muslimen“ und „Einheimischen“ konstruiert und es als Problem betrachtet, dass BürgerInnen das Selbstbewusstsein haben, sich mit Forderungen an den Staat zu wenden, fehlen diesem Richter ganz offensichtlich die Grundvoraussetzungen für eine unabhängige, vorurteilsfreie und allein dem Recht verpflichtete Amtsführung. Mehr noch: Durch solch ungebührlichen Äußerungen bereitet Dr. Heusch dem Rassismus der PEGIDA-Bewegung den Weg. Menschen muslimischen Glaubens oder solche, bei denen Dr. Heusch einen muslimischen Glauben annehmen könnte, müssen angesichts des von ihm verbreiteten antimuslimischen Rassismus beim Verwaltungsgericht Düsseldorf den Eindruck haben, nicht mehr darauf vertrauen zu können, vor dem Gesetz gleich behandelt zu werden.

Vor diesem Hintergrund verwundert es wenig, dass das Verwaltungsgericht seit Wochen Beschlüsse fasst, die einerseits die Versammlungsfreiheit der rassistischen antimuslimischen DüGiDa-Bewegung überhöht und andererseits antirassistische Proteste dermaßen behindert und kriminalisiert, dass sich das Oberverwaltungsgericht Münster wiederholt gezwungen sah, Beschlüsse des VG Düsseldorf aufzuheben.

Dr. Heusch ist kein unbeschriebenes Blatt in Sachen stark tendenziösen Verhaltens: kurz nach seiner Amtseinführung hatte er – entgegen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – ein christliches Kreuz im Verwaltungsgericht anbringen lassen und damit die gebotene Neutralitätspflicht des Gerichts verletzt. Bereits am Montag machte die „taz“ zudem darauf aufmerksam, dass in Juraforen über das „Heilig-Kreuz-Gericht Düsseldorf“ ein Austausch darüber stattfände, dass BewerberInnen beim Bewerbungsgespräch gefragt worden seien, ob sie die „kirchliche Heirat“ noch nachholen wollten.

Die rassistischen Aussagen des Dr. Heusch und die seit Jahren andauernde Missachtung der Neutralitätspflicht durch Dr. Heusch sind weder hinnehmbar noch vom wichtigen Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit gedeckt. Von daher fordern wir Dr. Heusch auf, sein Amt als Gerichtspräsident unverzüglich aufzugeben. NRW-Justizminister Thomas Kutschaty ist zudem aufgefordert, unverzüglich aufzuklären, ob es bei Bewerbungsgesprächen am Düsseldorfer Verwaltungsgericht unzulässige Fragen zu Religionszugehörigkeit und religiöser und privater Lebensführung gegeben hat. Sollte dies der Fall sein, sind gegebenenfalls disziplinarrechtliche Schritte gegen die Verantwortlichen einzuleiten.“

Gemeinsam sind wir stärker. Durch große Verteilaktion im April 2015 soll junge Welt bekannter werden

Samstag, 31. Januar 2015 von Huste

Dass Tageszeitungen nicht notwendigerweise vom Niedergang bedroht sind, beweist ausgerechnet die kleinste der überregionalen Tageszeitungen im Lande: Das Interesse an der jungen Welt wächst. Damit das aber so weitergehen kann, müssen immer mehr Menschen wissen, dass es sie und ihr journalistisches Angebot überhaupt gibt. Deshalb ist das Aktionsbüro, sind Helferinnen und Helfer das ganze Jahr über bei wichtigen Veranstaltungen, Demonstrationen, Versammlungen mit der jungen Welt präsent. Solche Einsätze werden nach saisonalen, regionalen und politischen Anforderungen gestartet und können daher jederzeit individuell mit dem Aktionsbüro der jungen Welt vereinbart werden. Tipps werden wir gerne entgegennehmen!
Einmal im Jahr aber sind wir alle gemeinsam im Einsatz für die junge Welt und sorgen dafür, dass die Ausgabe zum 1. Mai die höchste verbreitete Auflage von allen 305 Ausgaben hat, die wir in einem Jahr produzieren. Normalerweise stellt unsere Druckerei um die 25.000 Exemplare für jeden Erscheinungstag her. Die Ausgabe vom 30. April 2015, also vom Vortag des 1. Mai, wird aber eine Auflage von 150.000 Exemplaren haben. Das bedeutet, dass 125.000 Zeitungen verteilt werden, vorrangig auf Veranstaltungen zum oder am 1. Mai. Klar, dass wir das nicht alleine schaffen. Wir gehen davon aus, dass durch diese Aktion über 300.000 Menschen erreicht werden, die damit eine Chance haben, die junge Welt zu entdecken. Kurz- und mittelfristig führt das zu mehr Kioskverkäufen, Internetzugriffen – und vor allem zu neuen Abonnements. Vor allem durch sie wird die junge Welt finanziert, die verkaufte Auflage entscheidet wesentlich darüber, wie sich die Zeitung entwickeln kann. Denn bekanntlich bekommt die junge Welt die notwendigen Kosten nicht von Parteien, Kirchen oder Unternehmen finanziert – sondern muß diese durch Einnahmen aus Verkaufserlösen decken.
An dieser Kampagne kann sich jeder beteiligen. Mit dem Aktionsbüro werden Menge und Anlieferung besprochen. Und wo immer es möglich ist, kann vor Ort nicht nur die Zeitung verteilt, sondern auf der Demo, Kundgebung oder Veranstaltung auch – nach Absprache mit den Veranstaltern – ein Infostand aufgebaut werden. Auch dazu bietet das Aktionsbüro praktische Unterstützung, zum Beispiel ein Aktionspaket mit notwendigen Materialien. In diesem Jahr wollen wir verstärkt in der Schweiz und Österreich präsent sein, aber auch in Bundesländern, in denen wir zur Zeit noch Schwierigkeiten mit der Kioskbelieferung haben wie dem Saarland, Bayern und Baden-Württemberg. Da soll sich 2016 einiges ändern – mit der Verteilaktion können wir schon verschiedene Möglichkeiten antesten und vorbereiten.
Bisherige und neue Unterstützer, die bei der großen Aktion mitwirken wollen,  nehmen bitte mit dem Aktionsbüro Kontakt auf.  Denn diese Aktion wird auch viel Geld kosten. Ende April werden viele kleinere Aktionen vor Ort stattfinden – mit denen wir aber die junge Welt einen gewaltigen Schritt nach vorne bringen. Denn allein machen sie dich ein – gemeinsam sind wir stärker!Aktionsbüro

Kontakt: ihm@jungewelt.de oder ­Telefon 030 / 53 63 55 – 50

Quelle: www.jungewelt.de 31.03.15

»Nein zum Krieg!«. In vielen Teilen der Ukraine wächst der Protest gegen die Einberufungen zum Militär. Die Männer ganzer Dörfer fliehen nach Russland. Von Reinhard Lauterbach

Samstag, 31. Januar 2015 von Huste

Das Handy-Video stammt aus einem Dorf im Gebiet Odessa. Ein Mann im Tarnanzug steht zu Füßen des dort noch nicht gestürzten Lenin-Denkmals, einen Zettel in der Hand. Um ihn herum eine schreiende und gestikulierende Menge aus Anwohnern. Frauen in Kopftüchern, Männer in Wollmützen. Der Uniformierte will den Inhalt des Zettels – den Mobilisierungsbefehl – verlesen, bittet um »zwei Minuten«. Er versteht sich sogar dazu, Russisch zu reden. Aber die Leute wollen ihn nicht hören. Immer lauter wird die Parole »Nein zum Krieg«, gerufen vor allem von Frauen. Gäbe es nicht das Internet, hätte wahrscheinlich niemand außerhalb des Dorfes von der spontanen Aktion erfahren.

Sie ist aber offenbar kein Einzelfall. Gerade auf dem Land scheint die Einberufungswelle äußerst unbeliebt zu sein. Kolchosvorsitzende fürchten um die Arbeitskräfte für die Frühjahrsbestellung, Frauen um das Leben ihrer Männer und Söhne. Und viele Bürgermeister scheinen die Stimmung ihrer Nachbarn zu teilen. Sie warnen die Bevölkerung und ihre Kollegen in der Umgebung, wenn sich irgendwo eine Einberufungskommission zeigt. Jurij Birjukow, Berater des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko, zog vor einigen Tagen auf seiner Facebook-Seite über die »Feiglinge aus der Westukraine« her. Die Daten, die er aus der für ihre ukrainisch-nationalistische Einstellung bekannten Region anführte, sind aufschlussreich. Im nordwestlichen Bezirk Wolhynien sei der Anteil der Wehrdienstverweigerer aus religiösen Gründen von 0,7 auf 17 Prozent der Wehrpflichtigen gestiegen. Es gebe Dörfer im Bezirk Iwano-Frankiwsk, wo die Bewohner gemeinsam zwei Busse gemietet hätten, um die potentiell wehrpflichtigen Männer nach Russland zu bringen; in einem Ort an der ungarischen Grenze hätten von gut 100 Wehrpflichtigen nur drei überhaupt den Befehl, sich zur Musterung einzufinden, entgegengenommen. Der Rest sei an seinen Meldeadressen nicht anzutreffen gewesen oder ins Ausland geflohen. Im grenznahen Gebiet in Rumänien seien alle billigen Unterkünfte überfüllt mit Ukrainern, die sich vor der Einberufung über die Grenze gerettet hätten. Ähnliche Fälle werden aus Polen berichtet. Inzwischen hat der ukrainische Präsident Petro Poroschenko das Parlament aufgefordert, das Passgesetz so zu ändern, dass junge Männer nur noch dann ins Ausland reisen dürften, wenn sie eine Bescheinigung der Behörden vorlegten, dass sie nicht der Einberufung unterlägen.

Der wichtigste Grund für die Unlust der Landbevölkerung, ihre Männer für den Krieg herzugeben, liegt sicher in den gerade in kleinen Gemeinschaften nicht zu verbergenden hohen Verlusten der ukrainischen Streitkräfte. Wenn die Ukraine, wie neulich geschehen, für einen Tag mit Kämpfen 16 Tote auf eigener Seite einräumt und die Aufständischen von 600 Gefallenen auf der Seite des Gegners sprechen, dann ist zwar wahrscheinlich keine dieser Zahlen exakt, aber es ist sehr wahrscheinlich, dass die Wahrheit deutlich höher liegt als die Angaben aus Kiew. Ein weiterer Punkt, warum die Begeisterung für die Beteiligung am Krieg im Donbass sich in Grenzen hält, ist die bei den vorherigen Einberufungswellen zu Tage getretene Korruption. Wer genug Geld hatte, konnte sich eine Untauglichkeitsbescheinigung kaufen. Ukrainische Medien veröffentlichten letzten Sommer sogar Angaben über die Höhe der gezahlten Schmiergelder. Sie reichten nach dem örtlichen Lohnniveau gestaffelt von 800 US-Dollar im Bezirk Ternopil bis zu gut 3.000 Dollar im reicheren Kiew. Die Reaktion der neuen Machthaber auf diese Zustände ist bezeichnend. Sie wollen die Möglichkeit, sich freizukaufen, gesetzlich regeln und auf diese Weise das bisher als Schmiergeld in private Taschen wandernde Geld der ukrainischen Mittelklasse in die Staatskasse lenken. Ein dem ukrainischen Parlament vorgelegter Gesetzentwurf sieht vor, die Freikaufsumme mindestens auf den Jahressold eines Berufssoldaten anzuheben. Damit wäre die Befreiung vom Wehrdienst endgültig ein Angebot für die Reichen, während die Armen für diese und ihr Regime den Kopf hinhalten dürfen.

Quelle: www.jungewelt.de vom 31.01.15

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