Snowden hat groß angelegte amerikanische Spähprogramme, die gegen Datenschutzgesetze verstoßen und das internationale Recht verletzen, öffentlich gemacht. In den USA wird ihm deshalb Landesverrat vorgewofen. Er hat im Auftrag der amerikanischen Regierung in mehreren Ländern, auch in Deutschland, das zu den betroffenen Ländern gehört, deren Bürger, Institutionen und Regierungen (!) ausgespäht (was verfassungswidrig ist) und Asylantrag gestellt. Deutschland hat diesen Asylantrag mit der Begründung abgelehnt, Amerika sei ein Rechtsstaat. 27 Staaten haben ihm bis heute die Aufnahme verweigert und ihn so zum „Abschuss“ , sprich: Für die Auslieferung an die amerikanische Justiz, freigegeben. Wer Ohren hat, der höre, wer Gehirn hat, der denke.
Quelle: www.jungeelt.de vom 05.07.13
Eine Anfang der Woche veröffentlichte Untersuchung des Öko-Instituts weist einmal mehr auf die sinkenden Preise an der Leipziger Strombörse hin. Das große Angebot an Solar- und Windstrom führt dort dazu, daß sich Großabnehmer inzwischen so günstig wie sehr lange nicht mehr mit elektrischer Energie eindecken können. In den zurückliegenden Monaten bewegte sich der Preis für Grundlaststrom oft unter vier Cent pro Kilowattstunde. Private Verbraucher bezahlen hingegen etwas über 28 Cent.
Die Autoren der im Auftrag von Greenpeace erstellten Studie gehen davon aus, daß der Börsenpreis sich in den nächsten Jahren dauerhaft auf diesem Niveau bewegen wird. Angesichts des weiter kräftigen Ausbaus der erneuerbaren Energieträger ist das naheliegend. Allein im ersten Halbjahr 2013 wurden Solaranlagen mit einer Leistung von rund 1,8 Gigawatt (GW) und Windkraftanlagen mit einer Leistung von einem GW installiert. Damit läßt sich ein halbes der größeren AKW ersetzen. Besonders in den Mittagsstunden führt das große Angebot von Sonnenstrom inzwischen an vielen Tagen dazu, daß die teuren Spitzenlastkraftwerke kalt bleiben. Ergebnis: Auch der durchschnittliche Preis für Spitzenlaststrom, also Energie, die zu den Zeiten des höchsten Verbrauchs abgerufen wird, geht drastisch zurück.
Da liegt die von Greenpeace erhobene Forderung nahe, daß die Versorgungsunternehmen diese Niedrigpreise auch an die Kunden weitergeben. Doch davon kann bei rund 28 Cent bisher keine Rede sein. Bei einem durchschnittlichen Haushaltsverbrauch von etwa 3800 Kilowattstunden im Jahr macht das immerhin rund 1070 Euro, wobei die Grundgebühr noch nicht mitgerechnet ist. Die Stromrechnung ist damit für viele Rentner, Arbeitslose und Geringverdiener inzwischen eine gewaltige Belastung.
Umweltminister Peter Altmaier (CDU) meint, den Schuldigen dafür gefunden zu haben – die Energiewende. Bereits im Frühjahr hat er angekündigt, den Strompreis zum Wahlkampfthema machen zu wollen. Die Boulevard-Presse assistierte ihm dabei letzte Woche wieder einmal, indem das Schreckgespenst weiter steigender Preise aufgrund einer weiteren Anhebung der Umlage für Sonne, Wind&Co. an die Wand gemalt wurde. Auf 6,5 Cent pro Kilowattstunde würde diese sogenannte EEG-Umlage im nächsten Jahr steigen, drohte am Freitag Springers Bild. Das Blatt berief sich auf Informanten in der Bundesnetzagentur.
Auch das Öko-Institut geht von einer weiteren Steigerung aus, und zwar von derzeit 5,3 auf etwa 6,3 Cent pro Kilowattstunde. Allerdings weist sie darauf hin, daß die Summe aus Börsenstrompreis und Umlage leicht zurückgeht. Würden die Versorger, die sich zum Teil ja in Leipzig eindecken, diesen Effekt an ihre Kunden weitergeben, müßte der Strompreis in den nächsten Jahren sinken.
Greenpeace weist bei der Gelegenheit erneut darauf hin, daß die mit der Stromrechnung bezahlte EEG-Umlage auch deshalb so hoch ist, weil die Kosten der Energiewende einseitig den Privathaushalten und Gewerbetreibenden aufgehalst werden. 1691 Unternehmen würden sich derzeit im Umfang von vier Milliarden Euro der Umlage entziehen. Würden die Ausnahmen auf jene Unternehmen beschränkt, die durch hohe Energiekosten im internationalen Wettbewerb Probleme haben könnten, würde dies die privaten Stromkunden um 1,6 Cent pro Kilowattstunde entlasten.
Greenpeace fordert außerdem, daß die Stromsteuer reformiert wird, die bisher unter anderem der Subvention des Steinkohlebergbaus dient. Würde diese künftig nicht mehr auf Wind- und Sonnenstrom erhoben, könnte die durchschnittliche Kilowattstunde noch einmal um bis zu 0,8 Cent billiger werden. Macht zusammen 2,4 Cent und für den oben gewählten Durchschnittshaushalt eine Ersparnis von gut 90 Euro im Jahr.
Derweil droht Ungemach für den Strompreis auch von anderer Seite. Eine kürzlich veröffentliche Studie der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich verweist darauf, daß die weltweiten Uranvorräte langsam zur Neige gehen. 2015 würde vermutlich der Höhepunkt der Förderung erreicht. Das Problem: Die 434 derzeit weltweit noch betriebenen Atomkraftwerke, von denen 48 japanische seit 2011 stillstehen, verbrauchen seit Anfang der 1990er ohnehin schon mehr Uran, als gefördert wird. Nur die Tatsache, daß Rußland die USA bisher im erheblichen Umfang aus ihren Reserven und mit alten Nuklearsprengköpfen beliefert, macht das möglich. Entsprechende Verträge laufen jedoch zum Ende des Jahres aus.
Danach könnte es auf dem Weltmarkt eng werden, falls nicht Washington und Moskau ihre militärischen Bestände anbieten. Zur Zeit sind etwa zehn Prozent des Verbrauchs nicht durch die laufende Förderung gedeckt, dieser Anteil wird nach 2015 rasch auf rund 20 Prozent anwachsen.
In Deutschland laufen noch immer acht Atomkraftwerke, die 2012 16 Prozent der Bruttostromerzeugung geliefert haben. Netto ist ihr Anteil um einige Prozentpunkte geringer, denn die Anlagen sind selbst große Stromverbraucher. Die meisten der verbliebenen Meiler sollen nach den 2011 beschlossenen sogenannten Ausstiegsgesetzen noch bis 2021 beziehungsweise 2022 weiterlaufen.
Der hessische Innenminister Boris Rhein (CDU) lobt den gewalttätigen Einsatz der Polizei gegen die Blockupy-Demo am 1. Juni, die sich gegen die unsoziale europäische Krisenpolitik richtete, immer noch als vorbildhaft. Nach Salamitaktik rücke er nur scheibchenweise davon ab, gebe unter dem Druck der Kritik nur jeweils zu, was nicht mehr zu leugnen sei, konstatiert die Vorsitzende der Fraktion die Linke in Hessen, Janine Wissler. Über zunehmend abstruse Einlassungen Rheins im hessischen Landtag herrscht Ungläubigkeit und Empörung: Organisatoren und Teilnehmer der Demonstration mit mehr als 10000 Menschen – sogar Polizisten, die dabei waren – glauben ihren Ohren nicht mehr trauen zu können. Bei Veranstaltungen aller Art in Hessen meldeten sich mittlerweile Bürger zu Wort, um ihre völlig entgegengesetzte Wahrnehmung, nämlich Erfahrungen mit Pfefferspray-Attacken, Polizeiknüppeln und Einkesselung schildern zu können, so Ulrich Wilken, Landesvorsitzender Die Linke, am Samstag gegenüber junge Welt. Als »wahnwitzigen Versuch, Realität umzudeuten«, bezeichnen auch Organisatoren des Blockupy-Bündnisses die Äußerungen des Innenministers. Wie flexibel Rhein dabei mit Fakten umgehe, zeige dessen Einschätzung, wie viele gewaltbereite Demonstranten angeblich dabei gewesen sein sollen: Auf rund 900 beziffert er sie – also exakt die Anzahl derer, die die Polizei eingekesselt hatte. Für den Innenminister gelte offenbar die Devise: »Gewaltbereit ist, wer von der Polizei eingekesselt und mißhandelt wird«, schlußfolgert Blockupy-Sprecher Roland Süß. Folge man dieser »verdrehten, zutiefst autoritären Logik«, seien die Opfer von Polizeigewalt per Definition Gewalttäter.
Auch in Polizeikreisen gibt es Unruhe, die jetzt nach außen dringt: Am Einsatz beteiligte Beamte kritisieren gegenüber der Frankfurter Lokalpresse unverhohlen, auf welche Weise der Einsatz von der Landeshauptstadt Wiesbaden aus ferngesteuert wurde. Die Konfliktlinie verlaufe mitten durch die Polizei. Zwischen der Demoleitung, Werner Rätz von ATTAC, und dem hochrangigsten Einsatzleiter an Ort und Stelle sei man sich am 1. Juni dagegen einig gewesen, den Protestzug ohne maßgebliche Zwischenfälle an der Europäischen Zentralbank (EZB) vorbeiführen zu können, bestätigt Wilken.
Eine parlamentarische Aufklärung all dessen wird aber nicht stattfinden. Die Einrichtung eines von der Linken beantragten Untersuchungsausschusses im Landtag ist am Donnerstag letztlich nicht an der CDU/FDP-Regierung gescheitert – sondern an fehlenden Oppositionsstimmen der SPD. Wilken erklärt das so: Nancy Faeser, nach einem möglichen Sieg bei den Landtagswahlen am 22. September für den Innenministerposten vorgesehen, orientiere sich an einem möglichen Zukunftsszenario und baue vor: »Wenn die Antikapitalisten bei Blockupy 2014 wieder demonstrieren, würde sie sich wohl kaum anders verhalten als der derzeitige Innenminister«.
Viele sind entsetzt, daß die hessische SPD sich der dringend notwendigen Aufklärung in den Weg stellt, denn die Lügen werden dreister: Der Frankfurter Polizeipräsident Achim Thiel hat etwa in einem Interview in Bild am Freitag – vier Wochen nach der Demonstration – infrage gestellt, ob es Pfefferspray-Einsätze der Polizei bei der EZB-Blockade und der Großdemo überhaupt gegeben hat; unbeeindruckt davon, daß es zahlreiche Betroffene gibt – darunter Journalisten, Rechtsanwälte, Demobeobachter. Rhein bestreitet, daß Demonstranten im Polizeikessel gezwungen worden seien, durch ein Hundespalier zu laufen, obgleich Sanitäter und andere Augenzeugen dies berichten. »Ja, leben wir denn in Hessen in einer Bananenrepublik?«, fragt Wilken.
Die Linke Hessen hat bei der Frankfurter Staatsanwaltschaft Strafanzeige wegen Verhinderung einer Demonstration nach dem Versammlungsgesetz gestellt, damit »all die Lügen ihnen noch um die Ohren fliegen, wenn auch möglicherweise erst nach Jahren gerichtlicher Verhandlung«. Die bislang geringe Anzahl von 15 Strafanzeigen von Demonstranten gegen die Polizei erklärt Wilken damit, daß die meisten jegliches Vertrauen in den Rechtsstaat verloren hätten. Rechtsanwälte hätten der Linken gegenüber geäußert, daß mehrere Anzeigen in Vorbereitung seien.
Es ist völlig unangebracht über die jährliche Rentenanpassung eine Neiddebatte anzuzetteln. Mit enorm gestiegenen Löhnen im Osten hat das diesjährige Ergebnis leider nichts zu tun. Wir brauchen eine große Rentenreform, damit niemand mehr zu kurz kommt.
Der magere Zuwachs im Westen um 0,25 Prozent, der real wegen der Inflation ein Minus bedeutet, ist wesentlich den Kürzungsfaktoren in der Rentenformel geschuldet. Gäbe es sie nicht, würden die Renten im Westen um 1,5 Prozent steigen. Auch darum fordert Die Linke die Abschaffung aller Kürzungsfaktoren.
Das größere Plus im Osten ist leider nicht der fortschreitenden Lohnangleichung in Ost und West geschuldet, sondern statistischen Nachwirkungen der Kurzarbeit und der Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze im Osten. Außerdem führt es nicht zu einer vollständigen Angleichung: Auch nach dem 1. Juli ist eine Rente mit 45 Beitragsjahren zum Durchschnittsverdienst im Osten noch 108 Euro weniger wert als im Westen. Gleiche Lebensleistung wird nach wie vor nicht in gleicher Weise in der Rente anerkannt.
Von Gerechtigkeit also keine Spur. Der Osten bleibt auf einem faulen Wahlversprechen sitzen, denn im schwarz-gelben Koalitionsvertrag wurde die rasche Rentenangleichung in Aussicht gestellt. 23 Jahre nach der Deutschen Einheit ist diese überfällig. Die Rentenmauer zwischen Ost und West muß eingerissen werden! Außerdem brauchen wir einen gesetzlichen Mindestlohn von zehn Euro in der Stunde und gute Renten für alle. Es ist deshalb unverantwortlich, den Beitragssatz weiter zu senken, statt das Geld für dringend notwendige Leistungsverbesserungen, z.B. bei der Erwerbsminderungsrente, zu verwenden.
Die Abschaffung der Rente erst ab 67 und die Einführung einer Solidarischen Mindestrente von 1050 Euro sind dringend notwendig, um Altersarmut zu stoppen und Rentenkürzungen zu vermeiden.
Quelle: www.jungewelt.de vom 01.07.13
Berlin. In Deutschland beantragen Millionen sozial benachteiligte Menschen keine Hartz IV-Leistungen, obwohl sie Anspruch darauf hätten. In einer aktuellen Berechnung geht das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) von 3,1 bis 4,9 Millionen Betroffenen in verdeckter Armut aus, wie der Berliner Tagesspiegel (Montagausgabe) berichtet. Umgerechnet verzichteten damit zwischen 34 und 44 Prozent der Berechtigten auf staatliche Unterstützung, also mehr als jeder dritte. Als mögliche Gründe nennen die Forscher Unwissenheit, Scham oder eine voraussichtlich nur geringe Leistungshöhe und -dauer.
»Angesichts der entwürdigenden Prozeduren auf den Jobcentern ist es kein Wunder, daß Millionen auf Leistungen verzichten«, sagte die Linken-Vorsitzende Katja Kipping der Zeitung. »Die Abschreckung durch Diskriminierung spart dem Staat pro Jahr mindestens 20 Milliarden Euro«. (dpa/jW)
Quelle: www.jungewelt.de vom 01.07.13
Menschenrechte, Gleichberechtigung der Frauen, Bekämpfung des religiösen Extremismus – als eine ganz große Koalition am 16. November 2001 im Bundestag die Intervention in Afghanistan beschloß, war dies von hehren Worten und großen Versprechungen begleitet. SPD, Grüne, CDU/CSU und FDP stimmten fast geschlossen für den Militäreinsatz am Hindukusch. Nur 35 Parlamentarier votierten dagegen, die meisten von ihnen aus den Reihen der damaligen PDS, deren Fraktion bis auf eine Enthaltung die deutsche Kriegsbeteiligung geschlossen ablehnte.
Knapp zwölf Jahre später heißt es nur noch: Rette sich, wer kann. Der Krieg ist verloren. Während die Bundeskanzlerin Durchhalteparolen ausgibt, heißt es in der vertraulichen »Unterrichtung des Parlaments« des Bundesverteidigungsministeriums vom vergangenen Mittwoch, die Bedrohungslage sei »insgesamt erheblich«, das heißt: »Mit Angriffen wird in naher Zukunft gerechnet.«
Auch in den Geheimdiensten der EU macht man sich über die Zustände in Afghanistan keine Illusionen mehr: Das Land wird in Machtbereiche lokaler Warlords, der Taliban und der Mafia zerfallen. Die Rechte der Menschen, für deren »Befreiung« bislang 54 deutsche Soldaten und Tausende der zu »Befreienden« getötet wurden, spielen auch verbal keine Rolle mehr.
Am 21. Juni – drei Tage, bevor die Bundesregierung am vergangenen Montag ihren aktuellen Zwischenbericht über die »Fortschritte« in Afghanistan vorlegte – referierte in Brüssel ein Vertreter des EU-Geheimdienstes INTCEN über das »wahrscheinlichste Szenario in der post-2014-Zeit«, also nach dem Abzug von Teilen der internationalen Besatzungstruppen. Vor den Mitgliedern der Arbeitsgruppe »Terrorismus« des »Politischen und Sicherheitspolitischen Komitees« des Europäischen Rates machte der Referent keinen Hehl aus der tatsächlichen Lage am Hindukusch. Die afghanischen Sicherheitskräfte dürften sich künftig »auf den Schutz der Hauptstadt und anderer wichtiger Städte sowie kritischer Infrastrukturen konzentrieren«. Damit blieben ländliche Bereiche den »jeweils dort mächtigsten lokalen Gruppierungen überlassen«. »Frage der Erhaltung von bürgerlichen Rechten und Freiheiten dürfte ganz dem ›good will‹ der Insurgenten überlassen sein«, wird der Referent in einer junge Welt vorliegenden Zusammenfassung zitiert.
Bezeichnend ist die Lagebeschreibung für die nordafghanische Provinz Baghlan, in der bis vor kurzem die Bundeswehr mit mehreren hundert Soldaten stationiert war. Am 15. Juni übergab sie den Stützpunkt »Post North« an die einheimischen Truppen. »Derzeitiger Zustand der nördlichen afg. Provinz Baghlan wurde mit ihrer Zweiteilung in einen von Taliban beherrschten Teil und ein vom organisierten Verbrechen diktiertes Gebiet mit relativer Stabilität und geringer Insurgenz, solange sich beide Interessensphären nicht ins Gehege kommen, als möglicherweise beispielhaft für die Lage in Afghanistan nach dem Abzug internationaler Truppen 2014 vorgestellt«, heißt es in dem als »Verschlußsache – Nur für den Dienstgebrauch« gekennzeichneten Papier aus dem Auswärtigen Amt. Bereits jetzt sei ein »starker Rückfluß von Insurgenten« aus Pakistan in den Osten Afghanistan festzustellen. »Weitere militärische Präsenz des Westens« sei »notwendig«. Verärgert beobachten die Europäer die beginnenden Kontakte zwischen Washington und den Islamisten: »Gespräche zwischen USA und Taliban seien exklusiv und falscher Ansatz.«
Der EU-Nachrichtendienst INTCEN schätzt den Krieg in Afghanistan als verloren ein und sieht das Land vor dem Zerfall. In einem als »VS – Nur für den Dienstgebrauch« gekennzeichneten Papier, aus dem die Tageszeitung »junge Welt« (Sonnabendausgabe) zitiert, analysiert ein Sprecher des Geheimdienstes gegenüber Mitgliedern der Arbeitsgruppe »Terrorismus« des »Politischen und Sicherheitspolitischen Komitees« des Europäischen Rates schonungslos die reale Lage am Hindukusch. Vor allem ländliche Bereiche würden nach dem Abzug der internationalen Truppen 2014 den »jeweils dort mächtigsten lokalen Gruppierungen überlassen« bleiben, weil sich die afghanischen Sicherheitskräfte auf den Schutz der Hauptstadt Kabul und anderer wichtiger Zentren konzentrierten. Die »Frage der Erhaltung von bürgerlichen Rechtenund Freiheiten dürfte ganz dem ›good will‹ der Insurgentenüberlassen sein«, heißt es weiter.
In der von einem Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes erstellten vertraulichen Zusammenfassung des Vortrags wird prognostiziert, dass der derzeitige »Zustand der nördlichen afghanischen Provinz Baghlan« mit ihrer »Zweiteilung in einen von Taliban beherrschten Teil und ein vom organisierten Verbrechen diktiertes Gebiet« möglicherweise »beispielhaft für die Lage in Afghanistan nach dem Abzug internationaler Truppen 2014« sei.
»Was folgt daraus?« fragt die »junge Welt« in einem Kommentar. »Führt die NATO den Krieg gegen die Taliban, um Afghanistan in Gänze dem organisierten Verbrechen auszuliefern? Man weiß es nicht. Denkbar ist auch das Gegenteil.« Das Verwirrspiel um die An- oder angeblich geplante teilweise Abwesenheit der internationalen Interventionstruppen in Afghanistan habe einen sehr klaren Hintergrund, so das in Berlin erscheinende Blatt weiter: »Die NATO hat ihren Krieg am Hindukusch verloren. Sie will das aber weder sich selbst noch der Öffentlichkeit eingestehen. Und noch viel weniger kann sie die wichtigste Voraussetzung eines möglichen Friedenspozesses in Afghanistan akzeptieren: Die Abwesenheit von NATO-Truppen und die Nichteinmischung von NATO-Staaten.«
Die Wochenendausgabe der Tageszeitung »junge Welt« ist bereits am Freitag ab etwa 20 Uhr abrufbar.
Quelle: www.jungewelt.de vom 28.06.13
„Ich habe nichts zu verbergen“. „Sie können ruhig meine Mails lesen“… Kaum zu glauben, aber viele Menschen reagieren auf die haarsträubenden Enthüllungen von Edward Snowden mit Desinteresse: weil sie sich für unbescholtene Bürger halten, sagen sie. Wer nichts zu verbergen hätte, brauche sich vor der Überwachung nicht zu fürchten. Mag sein, aber – wissen sie auch, ob der Mann, mit dem sie sich zum Stammtisch treffen, ob ihr Nachbar, ihre Arbeitskollegin, der tolle Typ, den sie in der Disco kennen gelernt haben oder die Eltern des Kindes, mit dem ihr Kind auf dem Spielplatz spielt, auch nichts zu verbergen haben? Die Prinzipien der „neuen Überwachung“ bestehen u.a. darin, dass man alle Menschen, die mit einem Verdächtigen wie auch immer geartete Kontakte pflegen, in der „Verdächtigenkartei“ gespeichert und damit kriminalisiert werden. Man wird schon dadurch verdächtig, dass man mit „Verdächtigen“ Umgang hat. Und da frage ich – woher sollen wir wissen, wer verdächtig ist? Wir, normale Bürger, haben keinen Zugang zu geheimen Akten, wir wissen nicht, wer mit der Naziszene, mit den Salafisten oder sonstigen „Verdächtigen“ Verbindungen hat, wir wissen nicht, wer „gut“ und wer „böse“ sei. „Terroristen“ pflegen bekanntlich nicht, allen über Ihre Pläne zu erzählen. Sie sehen wie normale Menschen aus, lassen sich ihre Absichten nicht anmerken, versuchen, auf sich nicht aufmerksam zu machen, wollen nicht erkannt werden – und werden auch nicht erkannt.
Mag sein, dass ihre Namen den zuständigen Behörden bekannt sind, aber doch nicht uns! Und wenn wir schon dadurch „verdächtig“ oder „schuldig“ werden, dass wir sie kennen … Wo wird das enden? Dass wir voneinander Angst haben werden. Panische Angst, dafür bestraft zu werden, dass wir „falschen Leuten“ begegnet sind?
Können Sie sich eine solche Welt vorstellen? Und wir sind nur einen kleinen Schritt davor entfernt, dass dieses Horrorszenario Wirklichkeit wird. Stellen Sie sich das nur in Ruhe, ohne Emotionen vor – eine Welt, in der es gefährlich werden kann, Menschen zu kennen, mit Menschen gesehen zu werden, mit Menschen zu sprechen, neben Menschen in einem Bahnhofrestaurant zu sitzen, weil sie womöglich von Behörden als „gefährlich“ eingestuft worden sin. Ja, es reicht, einen „falschen“ Begriff bei Google einzugeben, ein „falsches“ Wort am Telefon zu sagen, einen „falschen“ Artikel in „Wikipedia“ zu lesen, eine „falsche“ Seite im Internet zu öffnen, in „falscher Zeit“ am „falschen Ort“ zu sein, um als „verdächtig“ erfasst zu werden.
Punkt zwei: Wir leben in einem demokratischen Land. Super. Doch wie schnell es gehen kann, dass in einem Land die Macht durch nicht-demokratische Kräfte übernommen wird, können Sie erfahren, wenn Sie die Nachrichten hören oder Geschichtsbücher lesen. Und dann stellen Sie sich vor, was passieren würde, wenn der ganze Überwachungsapparat, der langsam aufgebaut wird, um uns – wie es heißt – vor den „Bösen“ zu schützen, den „Bösen“ in die Hände fallen würde? Was gut und was böse ist, definieren immer die, die an der Macht sind, und keine Ordnung der Welt ist so stabil, dass sie nicht umgeworfen werden könnte. Hätten das Hitler- oder das Stalin-Regime die Möglichkeiten gehabt, die unsere moderne Überwachungstechnik bietet, wäre der Lauf der Geschichte ein anderer geworden… Und was sagen die meisten Menschen dazu? Nichts. Sie hätten ja nichts zu verbergen…
Und auch unsere Massenmedien konzentrieren sich mehr auf die Berichtererstattung über das grausame „Katz-und-Maus-Spiel“, dass sich die Großmächte im „Fall Snowden“ liefern, als auf die Enthüllungen, für die Snowden sich mit den größten Mächten dieser Welt angelegt und sein Leben riskiert – um uns vor dem Verlust der Freiheit zu bewahren.
So frage ich mich: sind wir eigentlich noch wert, dass sich jemand für unsere Freiheit opfert?
An der Charité wird es ernst. Die ver.di-Tarifkommission hat dem Vorstand von Europas größtem Uniklinikum ein letztes Ultimatum gesetzt: Sollten bis zum 21. Juli keine ernsthaften und verbindlichen Verhandlungen über personelle Mindestbesetzungen und Gesundheitsschutz begonnen haben, will die Gewerkschaft zu Arbeitskampfmaßnahmen aufrufen. »Seit einem Jahr hält uns der Vorstand hin«, kritisiert ver.di-Verhandlungsführerin Meike Jäger. Lediglich zu unverbindlichen Gesprächsrunden und kleineren Pilotprojekten habe sich die Klinikleitung bislang bereit erklärt. »Wenn sich der Vorstand weiterhin verweigert, drohen Streiks an der Charité«, so Jäger.
Schon vor Monaten hatte ver.di seine Forderung vorgebracht, Mindestquoten von Pflegepersonal für die verschiedenen Bereiche des Universitätsklinikums tarifvertraglich festzuschreiben (siehe jW vom 12.11.2012). Die Charité-Spitze reagierte mit einer Verzögerungstaktik. Zwar wurden Gespräche aufgenommen, reguläre Tarifverhandlungen jedoch bis zum heutigen Tage verweigert. Begründung: Die Einteilung des Personals sei Aufgabe des Managements, ein Tarifvertrag in dieser Frage ein Eingriff in die »unternehmerische Freiheit«. Daher seien auch Arbeitsniederlegungen für eine solche Forderung nicht erlaubt.
Ver.di hat diese Frage eingehend juristisch geprüft. Das Ergebnis: »Ein Tarifvertrag zur Mindestbesetzung ist zulässig und streikfähig«. Zu dem gleichen Resultat kommt ein jW vorliegendes Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags. Der Autor zitiert darin eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG), wonach »Arbeitgeber derartige Eingriffe in ihre Organisationsgewalt hinzunehmen« haben. »Die Berufsfreiheit des Arbeitgebers sei tarifvertraglich gesetzten Einschränkungen unterworfen, wann immer die Unternehmensführung die rechtlichen, sozialen oder wirtschaftlichen Belange der Arbeitnehmer in ihrer Eigenschaft als abhängig Beschäftigte berühre. Daher müsse der Arbeitgeber auch tarifvertragliche Vorgaben über die Personalbemessung akzeptieren, da Personalstärke und Arbeitsbedingungen nicht zu trennen seien.«
»Nachdem diese rechtliche Frage nun endlich geklärt ist, wollen wir uns nicht länger hinhalten lassen«, betont ver.di-Betriebsgruppensprecher Carsten Becker gegenüber junge Welt. »Der Handlungsbedarf ist enorm.« Nach Angaben des Personalrats werden an der Charité jeden Monat rund 1000 Beschäftigte außerhalb des Dienstplans zur Arbeit gerufen, um Lücken zu stopfen. Würden sie das verweigern, wäre der Betrieb de facto nicht mehr aufrechtzuerhalten. Neueinstellungen sind dringend erforderlich. Allein um die laufend anfallenden Überstunden auszugleichen, wären 80 Vollzeitkräfte zusätzlich erforderlich. Notdürftig kompensiert wird die Personalnot durch Leihbeschäftigte. Allein für Juli waren 1800 Einsätze von Leasingkräften geplant.
»Ver.di will bei der Charité – wie auch in vielen anderen Krankenhäusern in der Bundesrepublik – nicht erst auf eine gesetzliche Regelung zur Personalbemessung warten«, heißt es in einer Pressemitteilung der Gewerkschaft. »Die Entlastung für das Personal ist jetzt notwendig.« Kürzlich hatte auch die ver.di-Tarifkommission im Uniklinikum Gießen und Marburg (UKGM) angekündigt, über einen Tarifvertrag zu personellen Mindeststandards und Gesundheitsschutz verhandeln zu wollen (siehe jW vom 14.6.2013). Andernorts konzentriert sich ver.di bislang darauf, die Parteien im Rahmen des Bundestagswahlkampfs mit der Forderung nach einer gesetzlichen Regelung zu konfrontieren.
Die Bundesregierung hat dem allerdings kürzlich eine Absage erteilt. In einer Antwort auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion erklärte sie, die Verantwortung für eine ausreichende Personalausstattung müsse bei den Krankenhäusern bleiben, »denn nur sie können auf ihre jeweilige Situation zugeschnittene Lösungen finden«. Die »zugeschnittenen Lösungen« sehen allerdings fast überall gleich aus: Leistungsverdichtung, Arbeitseinsatz außerhalb der regulären Dienstzeiten, Überstunden und in der Konsequenz eine verschlechterte Patientenversorgung. Der Tarifkonflikt an der Charité könnte den Druck nicht nur auf die Klinikleitung, sondern auch auf die Politik erhöhen, diese Situation zu ändern.