Für uns zeigen diese Vorkommnisse, daß es richtig war, zu Blockupy zu mobilisieren. Nicht nur, um gegen die Sparpolitik von EU, Europäischer Zentralbank, IWF und Bundesregierung zu demonstrieren. Denn deren Politik ist ein Angriff auf alle Beschäftigten: Eingriffe ins Streikrecht, Aufhebung der Tarifautonomie, Demokratieabbau und Lohnkürzungen sind die Folgen für die Menschen in Griechenland, Spanien, Portugal, Italien, Irland und anderswo. Sondern auch, weil wir gegen prekäre Arbeitsbedingungen, Demokratie- und Sozialabbau hier kämpfen wollen, im Betrieb, in der Dienststelle und auf der Straße.
Wir werden auch in Zukunft mit unseren Kollegen in den anderen Ländern gemeinsam für ein solidarisches Europa auf die Straße gehen. Im nächsten Jahr soll der Neubau der EZB in Frankfurt feierlich eröffnet werden. In 2014 werden wir uns mit noch mehr Gewerkschaftern an den Blockaden und Großdemonstrationen beteiligen. Es wird nicht gelingen, uns einzuschüchtern.
Der brutale Polizeieinsatz gegen Teilnehmer der »Blockupy«-Demonstration am 1. Juni in Frankfurt am Main schlägt weiter hohe Wellen. Auch unter Gewerkschaftern ist die Empörung groß. Das veranlaßte das höchste Gremium der IG Metall zwischen den Gewerkschaftstagen, den Beirat, eine Resolution zum Thema zu verabschieden. Auch aus der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di gibt es Stellungnahmen, in denen deutliche Kritik am Vorgehen der Einsatzkräfte geübt wird.
Hessens Polizei sei »mit überzogener Härte und Aggression« gegen die genehmigte Demonstration vorgegangen, heißt es in der Stellungnahme des IG-Metall-Beirats. Europas größte Einzelgewerkschaft sieht die Verantwortung dafür nicht nur bei der polizeilichen, sondern auch bei der politischen Führung: »So wird das demokratisch garantierte Grundrecht auf Demonstrations- und Meinungsfreiheit eingeschränkt und zugleich die einzelnen Polizistinnen und Polizisten in falschen und unnützen Konfrontationen aufgerieben.«
Die Planungen und Entscheidungen, die zu der Polizeistrategie geführt haben, müßten lückenlos aufgeklärt werden, verlangt das IGM-Gremium. Zudem fordert es die Entscheidungsträger auf, die politische Verantwortung zu übernehmen und »Konsequenzen personeller und politischer Art zu ziehen«. Mit den Argumenten der »Blockupy-Bewegung« müsse man sich offen und fair auseinandersetzen. Sie kritisiere »die demokratisch nicht legitimierte Macht der Banken sowie die fatalen Folgen der neoliberalen Austeritätspolitik in vielen Ländern Europas, durch die Gewerkschaftsrechte beschädigt, soziale Rechte demontiert und immer mehr Menschen, vor allem der jungen Generation, in Arbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit getrieben werden«, heißt es in der Resolution weiter. Eine derartige Würdigung linker Antikrisenproteste durch die sonst eher am Standortkorporatismus orientierte IG-Metall-Spitze ist durchaus bemerkenswert.
Weniger überraschend ist die vehemente Kritik des ver.di-Landesbezirks Baden-Württemberg. Insbesondere aus der Landeshauptstadt Stuttgart hatten sich viele Mitglieder und Aktivisten der Dienstleistungsgewerkschaft an den »Blockupy«-Aktionen beteiligt, unter ihnen auch ver.di-Sekretär Ivo Garbe, der sich tief erschüttert zeigte: »Ein solches Ausmaß von polizeilicher Gewalt und Einschränkung unserer Grundrechte habe ich bisher noch nicht erlebt.« Es zeige deutlich, »daß wir mit unseren Protesten einen wunden Punkt treffen«, glaubt Garbe. Er kündigte an, ver.di werde sich auch im kommenden Jahr an Blockaden und Demonstrationen gegen die Politik der »Troika« aus Internationalem Währungsfonds, Europäischer Union und Europäischer Zentralbank sowie der Bundesregierung beteiligen. Bereits in diesem Jahr hätten Hunderte Gewerkschafter aus dem Südwesten, unter ihnen Streikende aus dem Einzelhandel, an den Protesten teilgenommen. »Es wird nicht gelingen, uns einzuschüchtern«, betonte Garbe.
Der stellvertretende Leiter des südwestlichen ver.di-Landesbezirks, Günter Busch, verwies auf die geschichtliche Bedeutung der Demonstrationsfreiheit: »Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit haben die Gewerkschaften und die Arbeiterbewegung in harten Auseinandersetzungen erkämpft. Es ist ein Skandal, daß einem breiten Bündnis aus Gewerkschaften, Parteien und sozialen Bewegungen dieses Recht mit fadenscheinigen Begründungen nicht gewährt wird.« Es sei einzig dem besonnenen und solidarischen Handeln der fast zehn Stunden lang Eingekesselten zu verdanken, daß die offenbar gewollten »Bilder eines Gewaltszenarios« auf seiten der Protestierer nicht zu sehen waren, so die Gewerkschaft in einer Mitteilung. Durch den massiven Einsatz von Pfefferspray und Polizeiknüppeln seien etwa 200 Menschen verletzt worden, darunter zahlreiche aktive Gewerkschafter, Journalisten, Rentner und Kinder.
Konsterniert zeigte sich Hessens ver.di-Chef Jürgen Bothner. »Wir können es noch immer nicht fassen, wie im 21. Jahrhundert mit unseren Grundrechten umgegangen wird«, sagte er am Freitag in Frankfurt am Main. Die Vorfälle müßten aufgeklärt werden. Bothner: »Wir geben uns nicht zufrieden mit der Erklärung, es sei Gewaltbereitschaft vorhanden gewesen. Das war Unrecht und muß als solches behandelt werden.«
Die »Deichfront« in den überfluteten Teilen Ostdeutschland gerät nach einer vermeintlichen Drohung mit Anschlägen auf die Elbeschutzwälle zum Politikum – mögliche Saboteure werden links verortet. Und Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht ist in Aufruhr. Er hat angekündigt, die Dämme nun verstärkt aus der Luft und vom Boden aus überwachen zu lassen. Helfer und Deichwachen forderte der CDU-Politiker zudem auf, »jegliche Erkenntnisse über Auffälligkeiten« sofort an Krisenstäbe und Polizei weiterzuleiten. Neonazis nutzen dies und die Elbeflut derweil, um ihre menschenverachtenden völkischen Ideologien zu verbreiten. Nicht nur, daß sie den »nationalen Heimatschutz« ausgiebig propagieren und dafür bereits den Dank von Magdeburgs SPD-Oberbürgermeister Lutz Trümper (SPD) ernteten. Mittlerweile rufen NPD-Kader im Internet zur Selbstjustiz gegen »linkskriminelle« Deichsaboteure auf.
Hintergrund ist ein mysteriöses Schreiben, dessen Urheber bislang nicht identifiziert werden konnten. Auf der Internetplattform Indymedia, wo jeder Berichte publizieren kann, tauchte es am Wochenende kurzzeitig auf, wurde jedoch wieder entfernt. Unbekannte »bekennen« sich darin dazu, drei Deiche in Nordsachsen und Sachsen-Anhalt zerstört zu haben. Gleichzeitig kündigen sie weitere Sabotageaktionen an Elbdämmen an. Sie wollten »Deutschland leiden lassen« und »die Städte fluten«, heißt es es in diesem Brief. Auch wenn bisher niemand dessen Schreiber, der sich »germanophobe Flutbrigade« nennt, identifizierte, nimmt Innenminister Stahlknecht »die Drohung ernst«, wie er der Nachrichtenagentur dpa sagte. Er werde »alles tun, um die Deiche zu schützen«.
In welchem politischen Spektrum er den Absender vermutet, ließ Stahlknecht offen. Die Neofaschisten taten dies nicht. In einer auf der Internetseite der NPD Sachsen-Anhalt publizierten Mitteilung legte Parteimitglied Michael Grunzel fest: Das seien Linksextremisten, kriminelle Antifaschisten, die alle Deutschland haßten. Das mysteriöse Schreiben ist somit ein »gefundenes Fressen« für die braunen Kameraden, denen das Leben von Migranten oder Andersdenkenden bekanntlich überhaupt nichts wert ist. So hetzte Grunzel dann auch weiter: Jeder Deichsaboteur, auch jeder potentielle, dürfe seiner Ansicht nach »von jedermann festgenommen und der Polizei übergeben werden«. Und nicht nur das, er »vergleicht« zudem: Einem sich der Festnahme widersetzenden und flüchtenden Dieb dürfe zwar »nicht hinterhergeschossen werden«. Doch »wie sich der rechtliche Rahmen bei Tätern gestaltet, die vorsätzlich Millionenwerte zerstören wollen und dabei Menschenleben aufs Spiel setzen, sollte keiner weiteren Frage bedürfen«, ließ er unter der Rückendeckung seines NPD-Verbandes durchblicken.
Die Linke Jugend- und Hochschulgruppe Magdeburg bewertete das »Bekennerschreiben« am Montag als »alles andere als seriös«. So werde darin beispielsweise von »Germanophobie«, einem für rechte Kreise üblichen Duktus gesprochen. »Dieser Begriff taucht in linken Strukturen schlichtweg nicht auf«, resümiert die Gruppe. Sie vermutet: »Das war möglicherweise ein gezielter politischer Akt, um die Linke zu kriminalisieren.«
Auf den Hochwassernews-Seiten im sozialen Netzwerk Facebook hat das »Bekennerschreiben« derweil einen rechten Online-Mob zum Wüten gebracht. Kommentatoren lassen sich dort unter anderem über die kreativste Mordmethode für Deichschädlinge aus; sie überlegen etwa: »Gleich eine Kugel durch den Kopf!«, oder: »…einfach mal ertränken«. Für einen weiteren Kommentator gehört »das autonome Drecksvolk in die Gaskammer oder erhängt«.
Es sei nicht verwunderlich, so die Hochschulgruppe, wenn sich nach dem Aufruf der Neonazis nun Bürgerwehren zum Deichschutz nach NPD-Vorbild gründeten. Die Aufforderung Stahlknechts an Fluthelfer, »jegliche Erkenntnisse« an Stäbe und Polizei weiterzuleiten, biete Neonazis zudem ein fatales Podium für Lynchjustiz gegen Linke.
Es ist lächerlich, wie die Frankfurter Grünen nun versuchen, ihre Mitverantwortung für die wiederholte Verletzung von Grundrechten in Frankfurt zu verschleiern und sich auch noch aus wahltaktischen Erwägungen an die Empörung über den Polizeieinsatz dranzuhängen. Dagegen gilt es in Erinnerung zu rufen: Ordnungsdezernent Markus Frank, den die Grünen mitgewählt haben, war schon letztes Jahr federführend beim Totalverbot der Blockupy-Aktionstage. Auch dieses Jahr hat er bereits im Vorfeld mehrfach vergeblich versucht, die geplante Demo-Route zu verbieten. Gleiches gilt für die Blockupy-Aktion am Flughafen. Zudem verdichten sich die Anzeichen, daß es am Samstag Absprachen zwischen Polizeiführung und Stadtverwaltung bezüglich der Blockupy-Demonstration gab. Markus Frank ist ein Wiederholungstäter – und wird von der grünen Römer-Fraktion nach wie vor aktiv gestützt. Dies ist um so absurder, als der Koalitionspartner der Grünen, die Frankfurter CDU, keine Gelegenheit ausläßt, den Polizeieinsatz am vergangenen Samstag zu verteidigen.
Die plötzliche Zurschaustellung grüner »Empörung« ist daher pure Heuchelei und ihre Ankündigung, bei der Demonstration öffentlichkeitswirksam auftreten zu wollen, eine Provokation. Solange die Grünen den Ordnungsdezernenten Frank im Besonderen und die Koalition mit der CDU im allgemeinen weiter unterstützen, sind sie nicht Teil der Lösung, sondern eindeutig Teil des Problems. Sie sind bei der Demonstration unerwünscht. (…)
In der Türkei sind am Freitag sieben Tageszeitungen mit derselben Schlagzeile erschienen. »Für demokratische Forderungen würden wir unser Leben opfern«, zitierten sie den von einer Nordafrikareise zurückgekehrten Ministerpräsidenten Recep Tayypi Erdogan. Der unterstellte, daß es den Demonstranten, die seit Tagen landesweit auf der Straße sind, nicht um die Durchsetzung demokratischer Forderungen geht. Vielmehr wären sie bemüht, mit terroristischen Mitteln die Regierung zu stürzen. Die Blätter gaben ausführlich die Rede von Erdogan wieder, die er am Flughafen von Istanbul gehalten hatte und die zudem von vielen TV-Sendern live übertragen worden war. Zu Beginn der Proteste hatten Zeitungen und Fernsehen diese und die brutale Polizeigewalt zunächst fast gänzlich verschwiegen. Schließlich zogen Demonstranten in Istanbul vor die Zentralen von zwei Sendern, landesweit wurden die Medien auf Kundgebungen als »Arschkriecher von Erdogan« kritisiert. NTV und andere Sender sahen sich schließlich gezwungen, Vertreter der Protestbewegung zu Wort kommen zu lassen.
(mc)
„Friedrich macht wider besseres Wissen Stimmung gegen sogenannte Armutsmigranten“ wirft die innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE., Ulla Jelpke, dem Bundesinnenminister vor. Dieser sprach heute am Rande der EU-Innenministerkonferenz davon, hilfesuchende EU-Ausländer „ohne großen Federlesens“ abzuschieben. Jelpke weiter:
„Friedrich ventiliert heiße Luft und schürt damit Vorurteile gegen sogenannte Armutsmigranten.
Seit Wochen behauptet er, immer mehr Zuwanderer kämen insbesondere aus Bulgarien und Rumänien, um deutsche Sozialhilfe zu kassieren. Aber seit Wochen bleibt er jeden Beleg dafür schuldig, dass es tatsächlich eine signifikante Zunahme gibt. Im Gegenteil: Auf eine Kleine Anfrage der LINKEN musste er zugeben, dass er über keinerlei Zahlen verfügt, die seine Behauptungen stützen. Das hat ihm auch die EU-Kommission unter die Nase gerieben.
Aber Friedrich spielt unverdrossen ewig die gleiche Schallplatte, weil es ihm nur auf eines ankommt: In populistischer Manier Punkte an den Stammtischen zu sammeln. Er will offenbar am rechten Rand Stimmen fischen. Dafür schürt er dabei fremdenfeindliche Ressentiments. Das macht die Politik des Ministers nicht nur EU-feindlich, sondern gefährlich und verantwortungslos. Wenn das der Unions-Wahlkampf werden soll, dann werden wir eine Zunahme rassistischer Straftaten erleben.“
Quelle: Homepage von Ulla Jelpke, 07.06.13
Obwohl die Annexion der DDR bereits vor mehr als zwei Jahrzehnten durchgesetzt worden ist, der Haß des bundesdeutschen Establishments auf den vormals sozialistischen Teil Deutschlands bleibt ungebrochen. In Zeiten des zunehmenden Sozialabbaus und der Militarisierung der Innen- und Außenpolitik werden vermehrt Hetzkampagnen gegen die ehemalige DDR angestimmt, die – trotz ihrer Schwächen – nicht nur Hunderttausenden ihrer Bürger über Jahrzehnte hinweg als politische Alternative zum Kapitalismus galt. Es sind die praktischen Auswüchse der vorherrschenden staatlichen Extremismusdoktrin, in deren Rahmen Faschisten mit ihren entschiedensten Gegnern – nämlich Sozialisten, Kommunisten und Demokraten gleichgesetzt werden. Sie wird herangezogen, wenn es gilt, die Errungenschaften der Arbeiterbewegung zu diskreditieren. Da es von der extremismuspolitischen Theorie bis zur antikommunistischen Praxis nicht weit ist, dürfte es kaum verwundern, daß vor allem rechtskonservative Politiker aus CDU und CSU und ihnen nahestehende »Leitmedien« sich aktuell in Forderungen überbieten, die sozialistische Geschichte zu diskreditieren bzw. gleich ganz vergessen zu machen.
So wurde ein Aufzug von rund zwei Dutzend ehemaligen DDR-Bürgern, die am Jahrestag des Sieges der Sowjetunion über das faschistische Deutschland am 9. Mai in Uniformen der NVA am sowjetischen Ehrenmal in Berlin-Treptow paradierten, genutzt, um ein Verbot von Symbolen der Arbeiterbewegung bzw. der DDR einzufordern. Betroffen davon wären dann wohl nicht nur das DDR-Staatswappen mit Hammer und Zirkel, sondern auch die Symbole von Organisationen des vormals sozialistischen Staates wie etwa des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB) oder des Emblems der Freien Deutschen Jugend (FDJ). Bereits jetzt ist das Tragen von FDJ-Hemden im Gebiet der alten BRD untersagt, da die Organisation dort bereits 1951 verboten worden war.
Der CDU-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende der Jungen Union, Philipp Mißfelder, hatte die schon zuvor von anderen CDU-Politikern erhobene Forderung bekräftigt, daß das »Tragen von DDR-Symbolen (…) gänzlich verboten werden« und im Strafrecht dem Tatbestand der »Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen« zugeordnet werden müsse. Damit würden sich DDR-Wappen und ähnliche Symbole in ihrer juristischen Einordnung auf gleicher Ebene wie das faschistische Hakenkreuz finden.
Springers Welt geht selbst ein Verbot von sozialistischer Symbolik nicht weit genug. Der Publizist Richard Herzinger sprach dieser Tage der maßgeblich von ehemaligen KZ-Überlebenden aufgebauten DDR selbst ihren antifaschistischen Charakter ab. »Zu den größten Propagandalügen der kommunistischen Herrschaftsapparate gehörte bis zuletzt die Legende von ihrem ›antifaschistischen‹ Ursprung«, meint Herzinger, der bisweilen auch für das vielen als links geltende Wochenblatt Jungle World schreibt. Schließlich sei in der DDR »in Wahrheit« und »unter der Ägide der marxistisch-leninistischen Ideologie jede wirkliche Aufarbeitung des Nationalsozialismus unmöglich gemacht« worden, weiß Herzinger in seinem Beitrag »Warum wir die Symbole der DDR verbieten sollten« ganz faktenfrei zu berichten.
Fernab des medialen Begleitfeuers für die Verbotsdebatte steht zu befürchten, daß es schon in Kürze zu ersten Gesetzesinitiativen in dieser Sache kommt. So hatte sich CDU-Bundestagsfraktionschef Volker Kauder offen für derartige parlamentarische Initiativen gezeigt. Auch in einigen Landesparlamenten sind Anträge, die ein Verbot von sozialistischer Symbolik fordern, offenbar bereits in Arbeit.
Unter dem Titel »Getreten, geprügelt, mit Giftgas bekämpft« berichten Sie in einem »Erlebnisprotokoll« (siehe www.ethecon.org) über die Blockupy-Demo in Frankfurt am Samstag. Was haben Sie erlebt?
Das war ein schwarzer Tag in der Geschichte der Bundesrepublik. Ich bin 64 Jahre alt und war schon auf vielen Demonstrationen – ich bin empört, wie unverhohlen und öffentlich am Samstag die Verfassung und die Grundrechte gebrochen wurden, mit brachialer Polizeigewalt. Ein friedlicher Zug mit 15000 bis 20000 Menschen in zwar regenfester, aber doch vorsommerlicher Kleidung wurde von militärisch hochgerüsteten und vermummten Polizeieinheiten überfallen. Stundenlang wurden Tausende mit Prügeln, Reizgas, Fußtritten und Knüppeln malträtiert – ohne Rücksicht auf alte Menschen oder Kinder. Einem Kind soll sogar das Schlüsselbein gebrochen worden sein. Krankenschwestern und Ärzte haben sich auf der Demonstration spontan gemeldet, um die Flut von Verletzten zu versorgen. Auch ich humpele und mußte mir ein ärztliches Attest besorgen.Selbst Polizisten sollen entsetzt über die Gewalttätigkeit ihrer Kollegen gewesen sein …
Einzelne Beamte haben sogar mitten im Geschehen die Seiten gewechselt. Ein Polizist, der meiner Frau gegenüberstand, war angesichts der wahllosen Prügelei in Tränen ausgebrochen. Völlig erschüttert stammelte er: »Das sind doch hier alte Menschen!« Ein anderer hat meine Frau von seinen Kollegen weg aus der Prügelszene herausgezerrt. Immer wieder hat die Polizei verletzten Demonstranten die Hilfe verweigert – eine junge Beamtin hingegen hat zur Versorgung Wasserflaschen gereicht.Wie ist der Kessel überhaupt zustande gekommen?
Die Polizeibehauptung, es habe »Passivbewaffnung« vorgelegen, gab es erst Stunden nach Beginn des gewaltsamen Einsatzes. Journalisten, die permanent nachfragten, bekamen keine Antwort. Und plötzlich hieß es: »Passivbewaffnung«. Der Wetterbericht hatte »Starkregenereignisse« ankündigt – es ist nichts als Lüge, Hetze und Dreck, wenn die Polizei den vorsichtshalber eingesteckten Regenschirm dann als »Bewaffnung« bezeichnet.
In Wahrheit ging es darum, die Demonstranten nicht zur Europäischen Zentralbank durchzulassen. Das wollten das hessische Innenministerium und die schwarz-grüne Stadtregierung Frankfurt mit allen Mitteln verhindern. Deshalb gab es ja die gerichtlichen Auseinandersetzungen bis hoch zum Hessischen Verwaltungsgerichtshof. Die haben sie zwar verloren, sich dann aber über diese Gerichtsurteile hinweggesetzt.Wer ist politisch dafür verantwortlich?
Ein Polizist hat es mir gegenüber auf den Punkt gebracht: »Ich hau dir die Birne zu Matsch, wenn du einen Schritt weiter gehst« – er hat so dem Ausdruck verliehen, was der hessische Innenminister Boris Rhein wollte: Bis hierher und keinen Schritt weiter! Um ihren offenen Rechtsbruch zu legitimieren, wollte die Polizeiführung eskalieren. Sie wollte zur Rechtfertigung Bilder »linker Gewalt« provozieren. Aber die Demonstranten haben diese Erwartung nicht erfüllt, keiner hat zurückgeschlagen.Gab es eine besondere Behandlung für die Linkspartei? Deren Bundes- und Landtagsabgeordnete hatten Polizeiketten trotz Parlamentsausweises oft nicht passieren können…
Offenkundig. Zum Beispiel haben Greiftrupps gezielt linke Bundestagsabgeordnete aus dem Kessel abgeführt, um dann ohne parlamentarische Zeugen hemmungslos drauflosprügeln zu können.Stimmen aus SPD und Grünen sind zu hören: Der Einsatz sei zu hart gewesen. Sie fordern die Absetzung des hessischen Innenministers Boris Rhein (CDU)…
Das wäre zu begrüßen: Dieser Innenminister muß weg, ein Untersuchungsausschuß muß eingerichtet werden – alles, was die Demokratie zu bieten hat, muß geschehen! Das entläßt aber SPD und Grüne nicht aus ihrer politischen Mitschuld. Sie kuscheln mit Kapital und Konzernen, sie haben Agenda 2010 und Hartz IV in die Welt gesetzt.Scheiben der Deutschen Bundesbank und einer anderen Bankfiliale in Frankfurt am Main gingen in der Nacht zum Montag zu Bruch. Wundert Sie das?
Können wir sicher sein, ob das nicht »Agents provocateurs« waren – Agenten der Polizei? Ich sagte bereits: Innenministerium und Polizeiführung brauchen Rechtfertigungen für ihre Gewaltexzesse und den Verfassungsbruch.
Die Polizeiattacke auf die Blockupy-Demonstration am Samstag in Frankfurt am Main wird Thema im hessischen Landtag. Die Fraktion Die Linke beantragte am Montag, die gewaltsamen Übergriffe von Polizisten auf Hunderte Demonstranten auf die Tagesordnung des Innenausschusses am Donnerstag zu setzen. Zur Debatte steht die Frage: »Erfolgte der Angriff auf die Blockupy-Demo nach einem Drehbuch der Polizeiführung oder aus dem Innenministerium?« Die politische Verantwortung für das Desaster müsse Innenminister Boris Rhein (CDU) übernehmen. Die Linke forderte Rhein auf, nicht »bis zum 22. September, dem Wahlsonntag in Hessen, zu warten«, sondern seine Sachen im Innenministerium bereits jetzt zu packen. »Wer am Wochenende vor Ort war, sich Bilder des Polizeieinsatzes anschaut«, Berichte des unabhängigen Ermittlungsausschusses und Zeugenaussagen lese, könne nur zu diesem Schluß kommen, so der Linke-Fraktionsvorsitzender Willy van Ooyen.
Der Einsatz am Samstag sei generalsstabsmäßig geplant gewesen, von großer Härte und Brutalität gekennzeichnet, begründete er die Forderung. Es gehe um die Aushebelung des Grundrechts auf Meinungs- und Demonstrationsfreiheit. Ihm dränge sich der Verdacht auf, daß »in Frankfurt am Main mittlerweile Neonaziaufmärsche eher geduldet und ermöglicht würden als Demonstrationen, die Alternativen zu Sozialabbau und Bankenrettung auf Steuerzahlerkosten aufzeigen«.
Am Montag rechtfertigten Innenminister Boris Rhein (CDU) und der Einsatzleiter der Polizei, Harald Schneider, auf einer Pressekonferenz den Großeinsatz, der zu Hunderten Verletzten führte (siehe Randspalte). Rhein beharrte darauf, angesichts der sogenannten »passiven Bewaffnung« des eingekesselten Blocks, in einer ähnlichen Situation alles wieder genauso machen zu wollen.
Dagegen protestieren Wissenschaftler, Lehrer und Sozialpädagogen, die an der Demonstration teilgenommen haben, in einem offenen Brief. Darin verwahren sie sich gegen zahlreiche Unterstellungen, die von dem CDU-Politiker geäußert worden seien.
Die Liste ist lang: Der angebliche »schwarze Block« sei bunt gewesen, heißt es im Schreiben. Die »Vermummung« habe vor allem aus Sonnenbrillen und Regenschirmen bestanden. Einziger Vorwand der Einkesselung von über 1000 Personen über neun Stunden sei das Abbrennen von drei bengalischen Feuern gewesen. Dies sei völlig unverhältnismäßig. Der Vorwurf der »passiven Bewaffnung« sei aberwitzig. Ein selbstgebasteltes Schild aus Styropor, wie es die Demonstranten mit sich geführt hätten, sei nur Schutz, keine Waffe. Im Blockupy-Bündnis habe erklärtermaßen ein Aktionskonsens bestanden, daß von den Demonstrierenden keine Eskalation ausgehen sollte. Entsprechend hätten sich diese verhalten – außerhalb wie innerhalb des Polizeikessels. Hingegen wären Polizisten »übergriffig« geworden und hätten Körperverletzungen in Kauf genommen. Wie schon am Freitag bei der Demonstration gegen Abschiebungen am Rhein-Main-Flughafen seien Polizeitrupps mehrfach in die Menge hineingestürmt, hätten Demonstranten überrannt und niedergeworfen. Ohne Vorwarnung und ohne daß eine Gefahrensituation vorgelegen hätte, sei Pfefferspray aus unmittelbarer Nähe direkt in Gesichter gesprüht worden. Wehrlose Demonstranten seien mißhandelt worden, indem ihnen etwa der Kopf nach hinten gezogen und Mund und Nase zugehalten worden seien. An Armen und Beinen seien sie zur Personalienfeststellung davongetragen und von Polizisten in die Seite und den Unterleib getreten worden. Hälse seien verdreht und Arme verrenkt worden. Ohne Vorwarnung hätten Polizisten mit schwarzen Handschuhen Faustschläge versetzt.
SPD und Grüne in Hessen fordern ebenso wie Die Linke den Rücktritt des hessischen Innenministers. »Selbst wenn diese inhaltlich nicht alle unsere Positionen teilen, müssen wir unsere künftigen Proteste auf eine breitere Basis stellen«, so Linke-Landesvorsitzender Ulrich Wilken. Es könne nicht sein, daß es künftig untersagt werde, an der europäischen Krisenpolitik in Deutschland Kritik zu üben.
Auch die Blockupy-Bewegung zieht ihre Konsequenzen: »Wir werden uns diese skandalöse Polizeigewalt nicht gefallen lassen und uns unsere Kritik an der europäischen Krisenpolitik nicht nehmen lassen«, so Pressesprecher Hanno Bruchmann. »Die große Solidarität der Demonstranten untereinander hat uns ermutigt. »Blockupy werde 2014 wieder dasein, und wir werden mehr sein!«, war der Tenor am Sonntag auf einer Abschlußpressekonferenz im Camp Anticapitalista auf dem Frankfurter Rebstockgelände.
Die ganze Stadt war zu diesem Zeitpunkt mit Polizeiketten abgesperrt, die EZB weiträumig mit Stacheldraht. Ein Demonstrant sei im Kessel kollabiert, habe ins Krankenhaus eingeliefert werden müssen, so Blockupy-Sprecher Hanno Bruchmann. Ein weiterer, der selbst einen Bluterguß unter dem Auge hatte, sagte am Samstag abend gegenüber junge Welt, er habe gesehen, wie mehrere andere Aktivisten ebenfalls auf den Kopf geschlagen worden seien. Auch die Pressefreiheit wurde zwischenzeitlich außer Kraft gesetzt. All das ging selbst der konservativen Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu weit: Die berichtete am Samstag über ein hartes Durchgreifen der Polizei »ohne echten Grund, wie viele sagen« – unter den Verletzten sei offenbar auch ein Journalist gewesen. An der Neuen Mainzer Straße verwehrte die Polizei Medienvertretern den Zugang zum Kessel mit der Begründung, dort sei »gar nichts los«. Auf den Einwand von jW, daß man ja dann ruhig nachschauen könne, hieß es: »Die Presse darf nicht mehr durch: Anweisung von oben, der Polizeiführung in Wiesbaden«. Parlamentarische Beobachter wurden ebenfalls nicht respektiert: »Sie sind kein Abgeordneter! Der Ausweis ist gefälscht«, habe er sich anhören müssen, berichtete der Bundestagsabgeordnete Niema Movassat. »Ein schwarzer Tag für die Demokratie! Der Rechtsstaat wurde in Frankfurt begraben«, resümierte er.
Die Demonstranten des von der Polizei als gewaltbereit bezeichneten Blocks hätten sich auch noch kurz vor der Räumung am späten Nachmittag nicht »von den aggressiv vorrückenden Einheiten« provozieren lassen, so Elke Steven vom Komitee für Grundrechte und Demokratie, das mit 20 Beobachtern vor Ort war. Die Polizei sei »mit äußerster Brutalität und Schmerzgriffen, die die körperliche Unversehrtheit verletzten« vorgegangen. Vor der Absperrung an der Hofstraße, wo Polizisten ohne Kampfmontur im Einsatz waren, gab es um 21.15 Uhr für dieses Vorgehen Claqueure, die den dortigen Polizisten sichtlich peinlich waren. Geschniegelte kurzhaarige Rechtsextreme freuten sich dort: »Gut, daß ihr denen mal so richtig auf die Fresse gebt, macht ruhig weiter«.
Das Blockupy-Presseteam faßte zusammen: Die Demonstranten hätten trotzdem kämpferisch protestiert und sich nicht spalten lassen, mehrere tausend seien aus Solidarität bis in die späte Nacht auf der Straße geblieben. Erst um 22.30 Uhr hatten die Veranstalter die Proteste mit einer Kundgebung gegen Polizeiwillkür und -gewalt beendet. Laut Ermittlungsausschuß waren insgesamt 2000 Personen im Rahmen der Aktionstage von Polizeimaßnahmen betroffen, 200 wurden durch Reizgas, Knüppel und Faustschläge verletzt.