Wolfgang Huste Polit- Blog

Wahlkampfposse. Gastkommentar. Neuerliche Debatte um NPD-Verbot. Von Ulla Jelpke

Freitag, 16. November 2012 von Huste

Das Hickhack um das NPD-Verbot dauert an, und der Ton wird schärfer. Eine Mehrheit der CDU-Innenminister will auf der im Dezember anstehenden Innenministerkonferenz (IMK) von Bund und Ländern die Entscheidung treffen, ein Verbotsverfahren gegen die Nazipartei einzuleiten. Der IMK-Vorsitzende Lorenz Caffier (CDU) kündigte gar an, über den Bundesrat im Alleingang nach Karlsruhe zu gehen, wenn Bundesregierung und Bundestag nicht mitzögen. Damit wird der bisherige Konsens aufgekündigt, ein Verbotsverfahren solle möglichst von allen drei Verfassungsorganen gemeinsam beantragt werden.

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) widersetzt sich dem Druck seiner Parteifreunde bis auf weiteres und verkündet, er bleibe »skeptisch«, weil angeblich das Beweismaterial nicht ausreiche.

Damit droht die Debatte um das Verbot endgültig abzukippen und von sachfremden, letztlich wahltaktischen Motiven dominiert zu werden. Es kann niemand – außer der NPD – wollen, daß die Front der Antragsteller sich in Einzelbestandteile auflöst. Die einen markieren die entschlossenen »Extremismusbekämpfer«, die forsch nach Karlsruhe preschen, die anderen geben sich als die Besonnenen aus, die der NPD kein Forum im Gericht geben wollen, und jeder für sich will, zehn Monate vor der Wahl, zeigen, daß er Deutschlands oberster Nazigegner sei – solch ein Szenario würde das höchste Gericht zum Wahlkampfinstrument degradieren. Aus diesem Motiv ist ja auch die NPD nach Karlsruhe gegangen, um dort einen Showantrag auf Feststellung ihrer Verfassungskonformität einzureichen. Dieser Antrag ist freilich chancenlos. Aber auch ein Verbotsverfahren kann nach hinten losgehen, wenn es nicht sauber geführt wird.

Ich habe keinen Zweifel daran, daß die NPD verfassungswidrig ist – aber ich habe starke Zweifel daran, daß die Innenminister das Verbotsverfahren mit der nötigen Ernsthaftigkeit und Konsequenz führen wollen. So sind immer noch V-Leute in der NPD tätig – schon das könnte das Verfahren zum Scheitern bringen. Wenn schon wieder ein Verbotsverfahren an die Wand gefahren wird, wäre dies ein Bärendienst an der Demokratie.

Fernab von Berlin und Karlsruhe wiederholen sich unterdessen die altvertrauten Dramen: Im sächsischen Hoyerswerda legte die Polizei einem jungen antifaschistischen Paar nahe, die Stadt zu verlassen – aus Sicherheitsgründen. Die jungen Leute hatten konsequent rechtsextreme Aufkleber und Plakate abgerissen und werden nun von Nazis bedroht. Über ein Dutzend rechter Schläger belagerte ihre Wohnung, und die Polizei, die bei Linken nie zögert, schaute zu. Weder wurden Platzverweise erteilt noch die Personalien der Nazis aufgenommen. Während die Innenminister die »wehrhaften Demokraten« mimen, hilft ihre Polizei in der Provinz, nazidominierte Zonen der Angst zu schaffen.

Ulla Jelpke ist innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag.

Quelle: www.jungewelt.de vom 17.11.12

Nicht sehenden Auges schon wieder ein Verbotsverfahren in den Sand setzen. Pressemitteilung von Ulla Jelpke, MdB, vom 16.11.12

Freitag, 16. November 2012 von Huste

„Ich habe keinen Zweifel daran, dass die NPD verfassungsfeindlich ist – aber ich habe starke Zweifel daran, dass sich die Innenminister von Bund und Ländern einheitlich und mit aller Kraft darum bemühen, ein erfolgreiches Verbotsverfahren zu führen“, warnt die innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Hinblick auf ein Verbotsverfahren gegen die NPD, das nun nach Medien-Angaben auch der Bundesinnenminister befürwortet. Jelpke weiter:

„Gestern noch hat Hans-Peter Friedrich vor einem neuen Verbotsverfahren gewarnt, heute ist er auf einmal dafür. Einen ähnlichen Zickzackkurs verfolgen auch etliche Landesinnenminister seit Monaten. Das spricht leider sehr dafür, dass sie sich am Ende von wahltaktischen Motiven leiten lassen und die Chance nutzen wollen, sich im Bundestagswahlkampf als starker Max zu präsentieren.

In einer Art politischem Wettbewerb will jeder sich als Nazigegner Nummer Eins präsentieren und sich nicht die vermeintliche Blöße geben, ein langsameres, dafür aber gründlicheres Verfahren zu betreiben. Sollten die Innenminister damit sehenden Auges schon wieder ein Verbotsverfahren in den Sand setzen, hätten sie der Demokratie einen Bärendienst erwiesen. Sie sollten lieber einen Gang zurückschalten, um nicht aus der Kurve zu fliegen. Die wichtigste Voraussetzung für einen Erfolg in Karlsruhe ist dabei, endlich alle V-Leute aus der NPD abzuschalten. Das ist noch immer nicht geschehen.“

„Schuld ist immer individuell zu ahnden, nie kollektiv! Ein Volk in Geiselhaft zu nehmen, in ein Ghetto einzupferchen, es zu bombardieren, es zu besetzen, Menschen gezielt ohne ein Gerichtsverfahren zu ermorden, werte ich als ein Verbrechen!“. Von Wolfgang Huste

Freitag, 16. November 2012 von Huste

Das sind die Fakten: 1. Bisher wurden 15 Zivilisten im Gazastreifen durch die israelischen Angriffe getötet. Darunter auch Kinder und eine schwangere Frau. 110 Palästinenser wurden verletzt, einige davon schwer (Stand vom 15.11.12). 2. Die gezielte Tötung eines Palästinenserführers mittels Raketenbeschuss ohne ein Gerichtsverfahren werte ich als staatlicherseits legitimierten Mord. 3. Niemals vergessen: Im Jahr 2008 haben israelische Soldaten rund 1300 Zivilisten im Gazastreifen getötet. 3. Israel agiert eindeutig als Besatzungsmacht. Die Menschen im Gazastreifen haben das Recht, sich dagegen zu wehren, notfalls auch mit Gewalt. 4. Ein Verbrechen ist immer individuell zu ahnden, nie kollektiv, im Sinne einer Kollektivbestrafung. Ein ganzes Volk in Geiselhaft zu nehmen, mittels Bombenangriffe zu „bestrafen“, ist ein Verbrechen! Insbesondere die Zivilbevölkerung hat darunter täglich zu leiden! 5. Medien, die über diesen Umstand nicht angemessen berichten, unterstützen das autoritäre, reaktionäre Vorgehen des israelischen Militärs, im Sinne des Satzes: „Wer schweigt, stimmt zu!“. 6. Israel riskiert eine kriegerische Eskalation im Vorderen Orient, die zu einem Flächenbrand ausufern kann und wahrscheinlich auch wird. Leidtragende sind dann wie gehabt primär Zivilisten. Von der Vernichtung von Kulturgütern und der Umwelt ganz zu schweigen.

Luftattacken auf Gaza. Von Karin Leukefeld, Damaskus

Freitag, 16. November 2012 von Huste

Nach der gezielten Tötung des Hamas-Militärchefs Ahmad Al-Dschabari hat Israel am Donnerstag den zweiten Tag in Folge Dutzende Luftangriffe auf den Gazastreifen geflogen, während der militärische Flügel der Hamas bis Donnerstag nachmittag mehr als 100 Raketen auf den Süden Israels abfeuerte. In dem Dorf Kirjat Malahi wurden dabei drei Israelis getötet, vier weitere Personen wurden verletzt. Die israelische Luftwaffe flog nach eigenen Angaben seit Mittwoch nachmittag rund 150 Angriffe auf den Gazastreifen. Dabei wurden nach palästinensischen Angaben bis Donnerstag mittag mindestens 15 Palästinenser getötet, darunter mehrere Kinder und eine schwangere Frau. Mehr als 110 Palästinenser wurden verletzt.

Ahmad Al-Dschabari war am Mittwoch bei einem gezielten israelischen Raketenangriff mitten auf einer belebten Straße in Gaza-Stadt getötet worden. Neben Al-Dschabari starben mindestens 13 weitere Personen, mehr als 100 wurden verletzt.

Der UN-Sicherheitsrat war noch am Mittwoch abend auf Antrag von Ägypten, Marokko und den Palästinensern zu einer Dringlichkeitssitzung zusammengekommen, die eine klare Verurteilung Israels für die Aggression forderten. Der palästinensische UN-Botschafter Rijad Mansur prangerte den Tod von Frauen und Kindern bei den israelischen Angriffen an. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte am Mittwoch gedroht, sein Land sei bereit, den Einsatz auszuweiten und eine Bodenoffensive gegen den Gazastreifen zu starten. Die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Susan Rice, betonte das Recht Israels auf »Selbstverteidigung«. In diesem Jahr seien bereits 768 Raketen von Gaza aus abgefeuert worden, zählte sie auf. Zu einer Verurteilung Israels kam es erwartungsgemäß nicht.

Ägypten, das als einer von zwei arabischen Staaten mit Israel einen Friedensvertrag unterzeichnet hat, zog aus Protest seinen Botschafter aus Israel ab. Der ägyptische Außenminister Kamel Amr forderte Washington auf, Israels Aggression gegen die Palästinenser zu stoppen. Der israelische Botschafter in Kairo bereitete sich auf seine Abreise vor.

Die Hamas kündigte Vergeltung an, der Mord an Al-Dschabari habe für Israel »die Tore zur Hölle« geöffnet, hieß es in einer Stellungnahme der Al-Kassam Brigaden, die die Entsendung von Selbstmordattentätern nach Israel ankündigte. »Die Besatzungsmacht« habe »alle roten Linien überschritten«, das verstehe man als »Kriegserklärung«. Am Donnerstag wurde sowohl im Gazastreifen als auch im Süden Israels der Ausnahmezustand ausgerufen.

Die israelische Organisation Gush Shalom (Frieden Jetzt) mobilisierte ihre Anhänger zu Demonstrationen in Tel Aviv und Haifa gegen den Krieg in Gaza. Der ehemalige Knessetabgeordnete und Friedensaktivist Uri Avnery warf der Regierung Netanjahu vor, auf »das Vergessen« der Bevölkerung zu setzen. Man habe aber nicht vergessen, daß die israelische Armee »erst vor vier Jahren Krieg gegen den Gazastreifen führte und 1300 Zivilisten in drei Wochen tötete«.

Sabine Farrouh vom Vorstand der Organisation Internationale Ärzte für die Verhütung von Atomkriegen (IPPNW) forderte, die Bundesregierung müsse »alle Waffenlieferungen in die Region« einstellen. Eine »von Waffen starrende Sicherheit ist keine«.

Quelle: www.jungewelt.de vom 16.11.12

Neonazikader. Das »Bündnis Dortmund gegen Rechts« fordert ein Verbot der Partei Die Rechte:

Freitag, 16. November 2012 von Huste

Keine zwei Monate sind vergangen, seitdem der gewaltbereite und kriminelle »Nationale Widerstand« verboten wurde, da tauchen die braunen Frontmänner Dennis Giemsch und Siegfried Borchert, der berüchtigte »SS-Siggi«, als Spitzenpersonal der Partei »Die Rechte« wieder auf, der Eine als Landes- und der Andere als Kreisvorsitzender. Und sofort peilen sie mit ihrer ersten Anmeldung eines Aufmarsches den 1. Mai an, eine Kampfansage an die Gewerkschaften, an alle Demokraten und Antifaschisten. Ihr Büro richten sie in Huckarde ein, nachdem ihnen Dorstfeld zu ungemütlich geworden war.

Der Gründer der rechtsradikalen Partei ist in Dortmund kein Unbekannter. Der mehrfach vorbestrafte Hamburger Christian Worch ist hier schon oft als Anmelder und Redner bei den Aufmärschen seiner Gesinnungsgenossen aufgetreten. (…)

Angesichts der Neuaufstellung der alten Neonazikader mag man sich die Frage stellen, ob Verbote wie das des »Nationalen Widerstands« überhaupt sinnvoll sind. »Wir meinen, das Verbot des ›NW‹ war richtig«, so Ula Richter vom Bündnis Dortmund gegen Rechts, »jede Form des Kampfes gegen die Rassisten und Demokratiefeinde, sowohl der politische und gesellschaftliche als auch der juristische, ist richtig und notwendig. So muß auch gegen diese Neugründung und ihre Absicht, den 1. Mai zu mißbrauchen, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln vorgegangen werden. Der Widerstand ist zu organisieren, ein Verbot als Nachfolgeorganisation des ›NW‹ ist zu prüfen.«

Quelle: www.jungewelt.de vom 16.11.12

Linke-Politikerin festgenommen. Von Nick Brauns

Freitag, 16. November 2012 von Huste

Istanbul. Die frühere Europaabgeordnete der Partei Die Linke, Feleknas Uca aus Celle, ist am Mittwoch abend auf dem Atatürk-Flughafen in Istanbul festgenommen worden. Die Polizei wirft ihr vor, 248 Dosen mit Vitamin-B-Präparaten geschmuggelt zu haben. Die beschlagnahmten Vitamintabletten waren für kurdische politische Gefangene bestimmt, die seit mehr als zwei Monaten im Hungerstreik sind. Im Polizeiverhör äußerte sich Uca in ihrer kurdischen Muttersprache. Die Möglichkeit, sich vor Gericht auf kurdisch zu verteidigen, ist eine zentrale Forderung der Hungerstreikenden.

Quelle: www.jungewelt.de vom 16.11.121

Skandalurteil gegen Antifaschisten. Deniz K. zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt. Richter läßt Gerichtssaal mit Polizeigewalt räumen. Von Markus Bernhardt

Freitag, 16. November 2012 von Huste

Der erst 19jährige Antifaschist Deniz K. ist am Mittwoch nachmittag vom Landgericht Nürnberg-Fürth zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Er soll während einer Demonstration gegen den Naziterror des NSU am 31. März in Nürnberg mit einer zwei Zentimeter starken Fahnenstange auf Polizeibeamte eingestochen haben (jW berichtete). Die Staatsanwaltschaft warf ihm »versuchten Totschlag« vor. Allerdings soll Augenzeugenberichten zufolge die Polizei, die Demonstration ohne Grund angegriffen haben. Auch nachdem bekannt wurde, daß sich nach der Protestaktion keiner der mit Brustpanzern und Helmen ausgestatteten Beamten verletzt gemeldet hatte, hielten die Behörden an dem Vorwurf fest.

Der Vorsitzende Richter Dieter Weidlich verurteilte K. wegen »versuchter Körperverletzung«. Er blieb unter dem von der Oberstaatsanwältin Ulrike Pauckstadt-Maihold geforderten dreieinhalb Jahren Strafmaß. K. sitzt bereits seit April diesen Jahres in Untersuchungshaft und hat deshalb seinen Ausbildungsplatz verloren.

Das Urteil löste erwartungsgemäß Tumulte bei den mehreren Dutzend Unterstützern des jungen Mannes aus, die den Prozeß verfolgten. Die Zuschauer forderten lautstark die sofortige »Freiheit für Deniz« und skandierten antifaschistische Parolen. Richter Weidlich ließ daraufhin den Saal mit Hilfe der Polizei räumen. Augenzeugenberichten zufolge sollen die Beamten mit gezielten Faustschlägen gegen die Zuschauer vorgegangen sein, um sie aus dem Saal zu drängen.

Das Solidaritätskomitee »Freiheit für Deniz K.« übte am Donnerstag scharfe Kritik am Vorgehen des Gerichts. Zwar zeigte sich Sprecher Benedikt Kratscher gegenüber jW erleichtert, daß der Antifaschist nicht wegen »versuchtem Totschlag« verurteilt wurde. Er protestierte jedoch gegen die Feststellung des Richters, es habe sich um kein politisches Verfahren gehandelt: »Daß der Prozeß gegen Deniz kein politischer sei, sehen wir als schlechten Witz. Die gesamte Verhandlung hindurch war der Belastungseifer der Beamten beinahe greifbar«, so Kratscher. Die Polizei habe gar »massive Verstöße und Rechtsbrüche« billigend in Kauf genommen, um »Deniz zu einer Polizisten mordenden Bestie zu stilisieren«.

Entsetzt zeigte sich auch Heinrich Fink, ehemaliger Rektor der Berliner Humboldt-Universität und Bundesvorsitzender der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA). »Polizei und Gericht sollten lieber gegen den ausufernden Naziterror in diesem Land vorgehen und ihre eigenen Verstrickungen in diesem Bereich aufarbeiten, anstatt Vorwürfe gegen engagierte Antifaschisten zu konstruieren und diese ohne mit der Wimper zu zucken über Jahre wegzusperren«, so Fink am Mittwoch im Gespräch mit jW. Neben diversen Antifagruppen schloß sich der Theologe der Forderung nach Freilassung von Deniz K. an.

denizk.blogsport.de

Spendenkonto: Rote Hilfe, GLS, Kto.: 4007238359, BLZ: 43060967, Verwendungszweck: »Freiheit für Deniz«

Quelle: www.jungewelt.de vomn 16.11.12

Eingeschleuster Aufsteiger. NSU-Skandal: V-Mann in Bayerns Neonaziszene soll 150000 Mark vom Geheimdienst erhalten haben

Freitag, 16. November 2012 von Huste

Der V-Mann des bayerischen Verfassungsschutzes, Kai Dalek, hat nach Informationen der Süddeutschen Zeitung in den 1990er Jahren monatlich rund 800 D-Mark für seine Mitwirkung am Aufbau des »Thule-Netzes« erhalten – eines bundesweiten Mailbox-Systems, mit dem Neonazis »Anti-Antifa«-Informationen über politische Gegner austauschten und Aktionen planten. Der Untersuchungsausschuß des Landtags zum »Nationalsozialistischen Untergrund« (NSU) befaßt sich mit der Rolle des Kronacher Computerfachmanns unter anderem, weil er späteren Gründungsmitgliedern der Terrorgruppe zumindest bei Stammtischen begegnet sein soll. Die SZ berichtete am Donnerstag, Dalek habe auf VS-Anweisung gehandelt, als er sich »Zugang« zum Thule-Netz verschaffte. Er sei kein überzeugter Rechtsextremist gewesen, sondern in die Szene eingeschleust worden. Als Quellen wurden in dem Bericht »Sicherheitskreise« und »mit dem Sachverhalt vertraute Personen« genannt. Letztere gehen laut SZ davon aus, daß in den Jahren 1987 bis 1998 nach vorsichtiger Schätzung rund 150000 D-Mark vom bayerischen VS an Dalek geflossen sein könnten – neben den V-Mann-Honoraren seien in Auslagen für die Technik und den Betrieb seines Knotenpunktes erstattet worden. Der zum wichtigen Kader aufgestiegene Mann mit dem Thule-Pseudonym »Undertaker« (»Leichenbestatter«) soll sich dem Nachrichtendienst selbst angeboten haben, nachdem er in den 80er Jahren von Berlin nach Bayern gezogen war. Er sei ein »Mietmaul« gewesen und habe in Berlin zuvor die linke Szene ausspioniert, schrieb die SZ ohne Quellenangabe. Nun stehe die Frage im Raum, ob der Mann gezielt zu einem führenden Neonazi aufgebaut worden oder »schlicht aus dem Ruder« gelaufen sei. Das Innenministerium wollte dazu keine Stellungnahme abgeben. Der frühere bayerische Verfassungsschutzpräsident Gerhard Forster hatte am Dienstag zum zweiten Mal im Untersuchungsausschuß des Landtags aussagen müssen – und in öffentlicher Sitzung so gut wie nichts gesagt. (jW)

Quelle: www.jungewelt.de vom 16.11.12

Stadt trotz ­NPD-Drohung

Freitag, 16. November 2012 von Huste

Frankfurt (Oder). Die neofaschistische NPD hat der Stadt Frankfurt (Oder) eine Klage vor dem Verwaltungsgericht angedroht. Hintergrund sei ein auf der Internetseite der Stadt veröffentlichter Aufruf von Stadtverordnetenvorsteher Peter Fritsch, sagte ein Rathaussprecher am Donnerstag und bestätigte damit einen Bericht der Märkischen Oderzeitung. Darin hatte Fritsch im Zusammenhang mit einem NPD-Aufzug am vergangenen Wochenende dazu aufgerufen, »gegen die demokratiefeindliche und menschenverachtende NPD« zu protestieren. Die Partei forderte die Stadt über einen Anwalt auf, die Mitteilung »wegen rechtswidriger Hetze gegen die NPD« aus dem Netz zu nehmen. Die Stadt sollte eine Unterlassungserklärung unterschreiben. Die Frist lief inzwischen ab. Der Aufruf stand am Donnerstag weiter auf der Stadtseite. »Wir stehen dazu«, sagte der Rathaussprecher. (dapd/jW)

Quelle: www.jungewelt.de vom 16.11.12

»Für die Völker des Südens hat der dritte Weltkrieg längst begonnen« Der deutsche Faschismus brauchte sechs Jahre, um 56 Millionen Menschen umzubringen. Der Neoliberalismus schafft das locker in gut einem Jahr. Ein Gespräch mit Jean Ziegler Interview: Peter Wolter

Freitag, 16. November 2012 von Huste

Der Schweizer Jean Ziegler war der erste UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung und ist heute Vizepräsident des beratenden Ausschusses des UN-Menschenrechtsrates.

Wir lassen sie verhungern« heißt Ihr neues Buch – Untertitel: »Massenvernichtung in der Dritten Welt.« Wer ist verantwortlich dafür, daß Millionen Menschen jedes Jahr verhungern?
Der »World Food Report« der UN sagt: Alle fünf Sekunden verhungert ein Kind unter zehn Jahren, 57000 Menschen jeden Tag. Von den sieben Milliarden Menschen, die es heute auf der Welt gibt, ist ein Siebtel permanent schwerstens unterernährt. Zugleich stellt der Report aber fest, daß die Weltlandwirtschaft nach dem heutigen Stand der Produktivkräfte problemlos zwölf Milliarden Menschen ernähren kann. Anders als noch vor wenigen Jahrzehnten gibt es heute keinen objektiven Mangel mehr – das Problem ist nicht die Produktion, sondern der Zugang zur Nahrung. Und der hängt von der Kaufkraft ab – jedes Kind wird ermordet, das während unseres Gesprächs verhungert.

Wer also sind die Herren dieser kannibalischen Weltordnung? Da möchte ich zunächst die zehn größten multinationalen Konzerne nennen, die 85 Prozent der weltweit gehandelten Lebensmittel kontrollieren – sie entscheiden jeden Tag, wer ißt und lebt, wer hungert und stirbt. Ihre Strategie ist die Profitmaximierung.

Können Sie Namen nennen?

Die US-Firma Cargill Incorporated hat vergangenes Jahr 31,8 Prozent des weltweit gehandelten Getreides kontrolliert, die Dreyfus Brothers 31,2 Prozent des Reises. Ich will kurz die vier wichtigsten Mechanismen identifizieren, die den Hunger verursachen.

Zunächst wäre da die Börsenspekulation mit Grundnahrungsmitteln. Der internationale Banken-Banditismus hatte 2007/2008 an den Finanzbörsen rund 85000 Milliarden Dollar Vermögenswerte vernichtet. Seitdem sind die meisten Hedgefonds und Großbanken auf die Rohstoffbörsen umgestiegen, vor allem auf Agrarprodukte. Wie gehabt wird auch auf diesem Sektor weiter mit Derivaten, »Short Selling« und anderen legalen Finanzinstrumenten gehandelt, um mit Reis, Mais und anderem Getreide astronomische Profite einzufahren. Mais z. B. ist auf dem Weltmarkt in den vergangenen zwölf Monaten um 63 Prozent teurer geworden, die Tonne Weizen hat sich auf 272 Euro verdoppelt, der Preis für philippinischen Reis ist regelrecht explodiert: von 110 auf 1 200 Dollar.

Das können in der Dritten Welt aber nur wenige bezahlen …
Laut Weltbank müssen 1,2 Milliarden Menschen von weniger als einem Dollar pro Tag leben – sie hausen in den Slums der Welt: in Manila, Karatschi, Mexiko-Stadt, Sao Paulo usw. Von dieser winzigen Summe müssen Mütter ihre Kinder ernähren – wenn die Lebensmittelpreise explodieren, verhungern sie.

Ein zweiter mörderischer Mechanismus ist der zunehmende Einsatz von Agrar-Treibstoffen. Alleine in den USA wurden 2011 aus 138 Millionen Tonnen Mais und Hunderten Millionen Tonnen Getreide Biomethanol und Biodiesel hergestellt. Das Land verbraucht jeden Tag das Äquivalent von 20 Millionen Barrel (158 Liter) Erdöl – zwischen Alaska und Texas werden aber nur acht gefördert. Zwölf müssen eingeführt werden, aus Irak, Nigeria, Zentralasien, Saudi-Arabien und anderen gefährlichen Ländern.

Das bedeutet, daß die USA unglaubliche Summen für ihr Militär ausgeben müssen, Obama will daher fossile durch vegetale Energie ersetzen. Aber Hunderte von Millionen Tonnen Nahrungsmitteln auf einem Planeten zu verbrennen, wo alle fünf Sekunden ein Kind verhungert, ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Und der dritte Mechanismus?

Das ist die Überschuldung der ärmsten Länder. Von den 54 Staaten Afrikas sind 37 reine Agrarstaaten mit meist geringer Produktivität. Sie haben kein Geld, um in Bewässerung, Agrartechnik oder Dünger zu investieren. Nur 3,8 Prozent der Fläche Schwarzafrikas ist bewässert – auf dem Rest wird Regenlandwirtschaft wie vor 5000 Jahren betrieben.

In einem normalen Jahr – ohne Krieg, Dürre oder Heuschrecken – wird in der Niger/Sahel-Zone durchschnittlich 600 bis 700 Kilogramm Getreide pro Hektar geerntet. In Baden-Württemberg hingegen sind es 10000 Kilogramm. Der deutsche Bauer ist nicht fleißiger oder klüger als sein afrikanischer Kollege – im Unterschied zu ihm hat er aber Mineraldünger, selektiertes Saatgut, Bewässerung, Traktoren etc. Dem afrikanischen Bauern kann auch sein Staat nicht helfen – der hat nämlich nur Schulden.

An diesem Punkt kommen öffentliche Finanzinstitute wie die Weltbank oder die Europäische Entwicklungsbank ins Spiel. Die sagen diesen Staaten: Baut Eure Schulden dadurch ab, daß Ihr das Ackerland Hedgefonds und Investoren überschreibt. »Landgrabbing« nennt sich das, alleine in Afrika waren es im vergangenen Jahr 41 Millionen Hektar. Diese Investoren haben Kapital, Technik, Transportmittel und Handelsbeziehungen. Sie pflanzen auf diesem Land dann Produkte an wie Avocados, Südfrüchte, Kaffee etc – für den Export nach Europa oder Nordamerika. Für die Versorgung der einheimischen Bevölkerung bleibt nichts übrig.

Einen vierter Mordmechanismus ist das Agrardumping. Auf jedem afrikanischen Markt können sie heute frisches Gemüse, Geflügel und Früchte aus Italien, Frankreich oder Deutschland kaufen, je nach Saison um die Hälfte oder ein Drittel billiger als gleichwertige einheimische Erzeugnisse. Ein paar Kilometer weiter rackert sich der afrikanische Bauer mit Frau und Kindern in brüllender Hitze ab und hat nicht die geringste Chance, auch nur das Existenzminimum für seine Familie zu erwirtschaften.

Das, was die Kommissare in Brüssel anrichten, ist abgrundtief verlogen: Durch ihre Dumpingpolitik fabrizieren sie den Hunger in Afrika – und wenn die Hungerflüchtlinge sich nach Europa retten wollen, werden sie mit militärischen Mitteln brutal ins Meer zurückgeworfen, wo jedes Jahr Tausende ertrinken.

Gibt es eine Schätzung, wie viele Menschen durch die Wirtschaftspolitik der entwickelten kapitalistischen Staaten ums Leben gekommen sind?

Laut ECOSOC-Statistik sind vergangenes Jahr 52 Millionen Menschen Epidemien, verseuchtem Wasser, Hunger und Mangelkrankheiten zum Opfer gefallen. Der deutsche Faschismus brauchte sechs Kriegsjahre, um 56 Millionen Menschen umzubringen – die neoliberale Wirtschaftsordnung schafft das locker in wenig mehr als einem Jahr.

Haben Sie mit Ihrer Arbeit in den UN etwas bewegen können?

Wohl eher mit meinen Veröffentlichungen. Mein Buch basiert nicht nur auf Statistik, es ist auch ein Erlebnisbericht, ich habe die Lage in vielen Ländern an Ort und Stelle studiert. Ich kann jetzt genau sagen, wer die Halunken sind – kann aber auch darauf hinweisen, welche Hoffnungen es gibt.

Für die Völker des Südens hat der dritte Weltkrieg längst begonnen. Solange wir schweigen, sind wir Komplizen der Mörder. Che Guevara hat gesagt: »Auch die stärksten Mauern fallen durch Risse« – und diese Risse werden zunehmend sichtbar!

Immer mehr Menschen wird es klar, daß diese kannibalische Weltordnung von Menschen gemacht wurde und auch von ihnen gestürzt werden kann. Mit der Mobilisierung der Zivilgesellschaft – ATTAC, Greenpeace, Via Campesina usw. – ist ein neues historisches Subjekt entstanden. Ihr einziger Motor ist der moralische Imperativ – Immanuel Kant hat gesagt: »Die Unmenschlichkeit, die einem anderen angetan wird, zerstört die Menschlichkeit in mir.«

Da möchte ich Deutschland hervorheben: Dieses Land ist die wohl lebendigste Demokratie Europas und immerhin die drittgröße Wirtschaftsmacht der Welt. Das Grundgesetz gibt alle Waffen in die Hand, um die mörderischen Mechanismen, die Millionen Menschen durch Hunger töten, auf demokratischem und friedlichem Wege zu brechen. Karl Marx sagt: »Der Revolutionär muß imstande sein, das Gras wachsen zu hören« – der Aufstand des Gewissens in Europa steht bevor

Jean Ziegler: Wir lassen sie verhungern – Die Massenvernichtung in der Dritten Welt (Originaltitel: Destruction Massive, Paris 2011). Bertelsmann, München 2012, 320 Seiten, 19,99 Euro * (kann auch über den junge Welt-Shop bestellt werden)

Quelle: www.jungewelt.de vom 16.11.12

Kategorien

über mich

antifaschismus

Linke Links

NGO Links

Ökologie

Print Links

Archiv

Sonstiges

Meta

 

© Huste – Powered by WordPress – Design: Vlad (aka Perun)