Berlin. Der Bundesjugendkonferenz der Gewerkschaft ver.di hat sich am Wochenende in Berlin gegen die gemeinsame Initiative von BDA und DGB zur gesetzlichen Regelung der »Tarifeinheit« ausgesprochen. In einer Entschließung wird der ver.di-Bundesvorstand aufgefordert, im DGB darauf hinzuwirken, die Initiative sofort zu stoppen. Die Pläne stünden im Widerspruch zur Koalitionsfreiheit und dienten dazu, das Streikrecht massiv einzuschränken, heißt es zur Begründung. Ver.di-Chef Frank Bsirske gilt als treibende Kraft der Initiative, die sich vor allem gegen kämpferische Spartengewerkschaften richtet. (jW)
Quelle: www.jungewelt.de vom 17.05.11
Die Bundesregierung will die Entwicklung von Elektroantrieben bei Autos mit einer zusätzlichen Milliarde Euro fördern. Außerdem sind Erleichterungen bei der Kfz-Steuer und Sonderrechte im Straßenverkehr geplant. Das gab Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der Übergabe des Berichts der »Nationalen Plattform Elektromobilität« am Montag in Berlin bekannt. Ziel der konzertierten Aktion, an der sich neben den Auto- und Energiekonzernen auch die Industriegewerkschaft Metall engagiert beteiligt: Deutschland soll »Leitanbieter und Leitmarkt« der neuen Technologie werden. Der internationale Konkurrenzkampf wird also auf ein neues Spielfeld verlagert. Mit Ökologie hat das wenig zu tun.
Die angeblich ach so innovative und dynamische Marktwirtschaft hat sich erneut selbst entlarvt. Auch neoliberale Politiker und Konzernlenker, die Interventionen in den »freien Wettbewerb« sonst stets empört zurückweisen, rufen nach dem Staat, wenn es um Investitionen geht, die sich nicht innerhalb kürzester Zeit amortisieren. Die deutschen Autokonzerne selbst haben sich in den vergangenen Jahren aufs Geld verdienen konzentriert. Das ging am besten mit dicken Spritfressern, die die höchsten Gewinnmargen versprechen. Und selbst jetzt, nachdem in der Krise alle Welt über die Endlichkeit dieses Mobilitätsmodells debattierte, freuen sich Daimler, BMW und Audi über den Absatzboom ihrer Karossen. Die wieder sprudelnden Gewinne will man lieber als Dividenden an die Aktionäre ausschütten. Investitionen in den technologischen Fortschritt sollen hingegen bitteschön die Steuerzahler übernehmen, zumindest einen gewichtigen Teil davon.
Bisher rollen auf Deutschlands Straßen gerade einmal 2300 Elektroautos. Bis 2020 sollen es eine Million sein. Selbst das würde bei aktuell mehr als 42 Millionen PKW – im Durchschnitt mehr als ein Auto auf zwei Einwohner – nicht ins Gewicht fallen, zumal sämtliche Hersteller eine Ausweitung des Absatzes planen. Mit einer Rettung vor der bereits stattfindenden Umweltkatastrophe hat die sogenannte Elektromobilität – gemeint ist damit stets nicht etwa der elektrische Schienenverkehr, sondern eben das »E-Auto« – nichts zu tun. Eher im Gegenteil: Es ist ein Versuch, den Automobilismus angesichts von Klimaerwärmung und zur Neige gehender Ölressourcen zu retten.
Völlig ungeklärt ist, woher die Energie für den elektrifizierten Individualverkehr kommen soll. Wenn sich die allgemeine Post-Fukushima-Aufregung gelegt hat, vielleicht doch wieder aus Atomkraftwerken? Oder durch Kohleverstromung, die den CO2-Ausstoß auf andere Weise verstärkt? Eine Kaufprämie für Elektroautos, wie sie die Grünen seit Montag fordern, lehnt die Regierung bislang ab. Das dürfte damit zu tun haben, daß infolge des technologischen Rückstands deutscher Konzerne damit zurzeit vor allem ausländische Modelle subventioniert würden. Wenn die hiesige Industrie soweit ist, wird man auf diese Idee sicherlich zurückkommen.
Quelle: www.jungewelt.de vom 17.05.11
„Ich bin nicht aus Gefühlsduselei für ein NPD-Verbot, sondern weil es gute sachliche Gründe dafür gibt“, hält die innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Ulla Jelpke, Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) entgegen.
Dieser hatte gegenüber der Leipziger Volkszeitung gesagt, er verstehe jeden, „der auch emotional begründet“ ein solches Verbot fordere, hatte sich aber dagegen ausgesprochen. Jelpke weiter:
„Die NPD ist Rückgrat und Hauptsponsor der gewalttätigen Neonazi-Szene. Der Verlust ihrer legalen Basis wäre auch ein Schlag gegen Freie Kameradschaften und andere Nazi-Schläger. Friedrich verharmlost das Problem, wenn er es als emotionale Angelegenheit abtut. Angesichts der Tatsache, dass Nazis immer wieder regelrechte Hetzjagden veranstalten und sogar Menschen umbringen, ist die Forderung nach einem NPD-Verbot keineswegs nur emotional begründet, sondern ein Gebot der politischen Vernunft.
Die Befürchtung, das für ein Verbotsverfahren notwendige Abschalten von V-Leuten könne zu einem Informationsverlust der Sicherheitsbehörden führen, ist
lächerlich. Schon beim gescheiterten Verbotsverfahren von 2003 hatte sich gezeigt, dass die V-Leute eine bestenfalls zwielichtige Rolle spielten. Etliche von ihnen waren kaum mehr als staatliche Unterstützer des NPD-Apparats. Der Schutz vor einer neofaschistischen ,Metastasierung‘, wie Friedrich das Eindringen rechter Ideologien in die Gesellschaft nennt, braucht weniger
staatliche Aufsicht als vielmehr starke gesellschaftliche Antikörper. Nicht zuletzt bedarf es eines scharfen Schnitts. Deswegen ist das NPD-Verbot richtig.“
Quelle:
Ulla Jelpke, MdB
Innenpolitische Sprecherin
Fraktion DIE LINKE.
Vom 16.05.11
Pünktlich zum Kongress „Jenseits des Wachstums?!“ am Wochenende in Berlin sind zwei Attac-Publikationen zum Thema erschienen.
Der Attac-Basistext „Postwachstum: Krise, ökologische Grenzen und soziale Rechte“ von Matthias Schmelzer und Alexis Passadakis führt in die Diskussion über die Grenzen des Wachstums ein und analysiert die Triebfedern kapitalistischer Expansion. Die Autoren ordnen
unterschiedliche wachstumskritische Positionen ein: von ökologischen Perspektiven bis hin zu einer neoliberalen oder auch neofeudalistischen Wachstumskritik, die oft mit einer Sparpolitik (Austeritätspolitik) zusammengeht. Dabei gehen sie davon aus, dass sich emanzipatorische
Bewegungen künftig zentral damit auseinandersetzen müssen, wie die ökologische und die soziale Frage zusammenzubringen sind. Eine dieser Fluchtlinien könnte ihrer Ansicht nach eine solidarische Postwachstumsökonomie sein.
Der Sammelband „Ausgewachsen! Ökologische Gerechtigkeit. Soziale Rechte. Gutes Leben.“, herausgegeben unter anderem von Werner Rätz, Tanja von
Egan-Krieger, Barbara Muraca und Andrea Vetter, ist ein erster Versuch, us einer globalisierungskritischen Perspektive Beiträge für eine Debatte um eine Postwachstumsökonomie zu versammeln. Die Beiträge
spiegeln die Mannigfaltigkeit der Diskussion auch innerhalb der globalisierungskritischen Bewegung wider, gruppieren sich aber um einige Schlüsselfragen: Wachstumskritik, Postwachstum, ökologische Gerechtigkeit und gutes Leben tangieren den Zusammenhang zwischen Wachstum des BIP und kapitalistischer Ökonomie ebenso wie die Frage, auf
welcher Ebene politische Strategien für eine Postwachstumsökonomie ansetzen sollten. Der Sammelband enthält Beiträge von Andreas Exner und
Christian Lauk, Uta von Winterfeld, Niko Paech, Serge Latouche, Adelheid Biesecker, Oliver Powalla, Mohssen Massarrat, Frigga Haug, Friederike Habermann, Alberto Acosta, Alexis Passadakis und Matthias Schmelzer und
vielen anderen.
Beide Bücher sind im VSA-Verlag erschienen und können im Attac-Webshop bestellt werden. Das Basistext kostet 6,50 Euro, der Sammelband 15,80 Euro (jeweils plus Versand): http://shop.attac.de
Der Fraktionssprecher der Linksfraktion im Rat der Stadt Köln, Jörg Detjen, kritisiert die erneute Kostenexplosion beim Bau des Rheinboulevards scharf:
„Die erneute Kostensteigerung beim Rheinboulevard ist nicht hinnehmbar. Ursprünglich sollte die Treppenanlage in Deutz sechs Millionen Euro kosten. Schon die Kostenerhöhung auf 18 Mio. Euro war unverantwortlich. Die aktuellen Kosten in Höhe von 25 Millionen Euro sprengen jeden Rahmen.“
Die LINKE wird sich gegen die weitere Kostenerhöhung engagieren und das Thema in die nächste Ratssitzung am 26. Mai einbringen.
„Es ist nicht verantwortbar, dass im Sozial- und Jugendbereich jeder Euro zweimal umgedreht werden muss und andererseits Millionen für Prestigeobjekte verpulvert werden“, meint Jörg Detjen.
Die Linksfraktion wird die erneute Kostenerhöhung beim Rheinboulevard in einer Anfrage thematisieren und Vorschläge der Verwaltung verlangen, wie die Kosten einzudämmen sind.
Quelle: DIE LINKE – Fraktion Köln vom 16.05.11
Vom 6. bis 8. Mai 2011 fand in Athen die Konferenz „Debt and Austerity: From the Global South to Europe“ statt. Im Mittelpunkt der Konferenz stand das Bemühen um die Einsetzung einer Audit-Kommission, die einen fairen Umgang mit den griechischen Staatsschulden organisieren könnte. Für Attac berichtete Stephan Lindner, Mitglied im Koordinierungskreis von Attac Deutschland, von der Konferenz. Siehe dazu die Seite bei Attac mit den entsprechen Blogeinträgen http://www.attac-netzwerk.de/eu-ag/euro-krise/athen-blog/
ii) Erklärung der Athener Konferenz zur Schulden und Sparpolitik: Aktions- und Solidaritätserklärung
„Wir Vertreter/innen von Bewegungen und Aktivist/innen aus aller Welt sind in Athen zusammengekommen, um die Lektionen der internationalen Wirtschaftskrisen zu diskutieren und illegitimen Schulden den Kampf anzusagen sowie dafür zu mobilisieren, dass sie zurückgenommen werden.
Unsere Solidarität gehört jenen Menschen in Europa, die gegen ungerechte Sparprogramme kämpfen, die ihnen von Regierungen, der EU und dem IWF auferlegt wurden, wie beispielsweise in den „Memoranda of Understanding”
veranschaulicht wird. Wir fordern, einen Plan für wirtschaftliche Maßnahmen zu formulieren, der den Bedürfnissen der Menschen gerecht wird, statt einer winzigen gesellschaftlichen Elite zu dienen…“ Die Erklärung der Athener Konferenz vom 8.Mai 2011 (pdf) http://www.labournet.de/internationales/gr/athen2011_deutsch.pdf
Die Linksjugend [`solid] will sich künftig stärker als bisher dem Thema »Bundeswehr an Schulen« widmen. Dies beschloß der Linkspartei-nahe Jugendverband am Wochenende in Hannover auf seinem vierten Bundeskongreß. Darin ruft der Verband zu konkreten Aktionen gegen das Auftreten von Jugendoffizieren an Schulen auf, positioniert sich klar gegen den Krieg in Afghanistan und fordert den sofortigen Austritt Deutschlands aus der NATO. Zudem möchte sich die Linksjugend mit radikalen Forderungen an den Antiatomprotesten beteiligen. Verlangt werden ein sofortiger Ausstieg aus der Atomkraftnutzung und die Enteignung der Atomkonzerne. Zudem möchte sich der Jugendverband an Aktionen des Zivilen Ungehorsams wie der geplanten Blockade des AKW Brockdorf am Pfingstwochenende beteiligen und die »Castor schottern«-Aktionen gegen den geplanten Atommülltransport im November unterstützen.
Weitere Projekte sollen die Mobilisierung gegen die NATO-Konferenz in Bonn am 5. Dezember sowie der Kampf gegen den antimuslimischen Rassismus von Sarrazin u.a. sein. Delegierte aus dem Umfeld des »antideutschen« Bundesarbeitskreises Shalom versuchten vergeblich, eine eindeutige Positionierung zu verhindern.
In verschiedenen Debatten ging es um die Regierungsbeteiligung der Partei Die Linke: Kritisiert wurde in mehreren Reden die Koalitionspolitik in Berlin und Brandenburg. Die Große Mehrheit der Delegierten solidarisierten sich mit Beschäftigten der Berliner Charité, welche unter den Folgen der »rot-roten« Sparpolitik zu leiden haben. Gleichwohl scheiterte ein Antrag zur generellen Ablehnung von Regierungsbeteiligungen, da viele für die Festsetzung von Mindestbedingungen argumentierten. Jasper Prigge, neugewählter Schatzmeister des Jugendverbandes, kommentierte gegenüber jW, vom Kongreß gehe »ein klares Signal« aus: »Die Proteste gegen die herrschende Politik müssen weiter geführt und eskaliert werden.«
Quelle: www.jungewelt.de vom 16.05.11
Selbst der bürgerliche Tagesspiegel am Sonntag schlagzeilte: »Jagdszenen in Kreuzberg«. Der Bericht bezog sich auf einen Vorgang, den es in der Geschichte des Zusammenspiels von Behörden und Neonazis in Berlin so noch nicht gab. Berlins Innensenat und die Versammlungsbehörde hatten für Sonnabend in Kreuzberg einen Neonaziaufmarsch genehmigt, den sie aber vor der Öffentlichkeit geheim hielten. Durch die Äußerung eines Rechtsextremen im Internet war die Zusammenrottung dennoch kurz vor Beginn bekannt geworden. Am Sonnabend mittag versammelten sich rund 100 Anhänger sogenannter Freier Kameradschaften und der NPD am U-Bahnhof Mehringdamm.
Auch die Route und den Sammelpunkt der Neonazis hielten die Behörden bis zuletzt unter Verschluß. Dennoch stellten sich etwa 800 Menschen den Rechten entgegen, um ein Losmarschieren zu verhindern. Die Polizei, die am Samstag mit 500 Beamten im Einsatz war, ging mit Schlagstöcken und Pfefferspray brutal gegen die Antifaschisten vor. Letztlich erfolglos: Nach nur einer Stunde erklärte der Anmelder des rechten Aufmarschs, Sebastian Schmidtke, die Veranstaltung für beendet.
Allerdings kam es zu schweren Übergriffen von Neofaschisten auf Gegendemonstranten und Passanten. Augenzeugen berichteten gegenüber jW, daß aus einem Polizeikessel ausgebrochene Neonazis auf mehrere Sitzblockierer eingedroschen und eingetreten haben. Dabei gab es mindestens vier Verletzte. Zudem schlug eine Gruppe junger Rechter auf einen Mann wegen seiner dunklen Hautfarbe ein.
Antifagruppen kritisierten am Sonntag scharf das Vorgehen der Polizei und deren Informationspolitik: Die Berliner Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) sprach von »skandalösen Übergriffen der überraschten und überforderten« Beamten auf Protestierer. Zudem sollte »mittels eines bisher so nicht gekannten Paktierens der Berliner Polizei mit den Nazis (…) jedweder antifaschistischer Protest schon von vornherein verhindert« werden. Das Aufmarschmotto »Wahrheit macht frei« hätte wegen des eindeutigen Bezugs zum Nazispruch »Arbeit macht frei« ein »Verbot jederzeit rechtfertigen müssen«, so die VVN-BdA.
Zu den genannten Neonaziattacken auf Gegendemonstranten war es kurz vor der Auflösung des Aufmarschs durch eklatante Einsatzpannen der Polizei gekommen. Diese erklärte in einer Mitteilung am Sonntag, von zahlreichen Rechten im U-Bahnhof überrannt worden zu sein, als sie die Neonazis zur Durchführung ihres Aufmarschs unterirdisch an den Blockaden vorbeiführen wollte. Zeitgleich ging sie mit einem massivem Aufgebot gegen Antifaschisten auf dem Mehringdamm vor. Die den Beamten entwichenen Neonazis nutzten die Gunst der Stunde und malträtierten Gegendemonstranten, nachdem sie in eine Sitzblockade gestürmt waren. Anstatt die Angreifer festzunehmen, wurden sie durch Polizeibeamte in die Neonaziversammlung zurückgeschickt.
Die Antifaschistische Linke Berlin (ALB) äußerte am Sonntag, die Polizeiführung trage eine erhebliche Mitschuld daran, daß es zu den Neonaziübergriffen überhaupt kommen konnte. Der Polizei bemesse die »körperliche und seelische Unversehrtheit« der Gegendemonstranten und Kreuzberger Bürger geringer, als den »Nazis ihren Aufmarsch störungsfrei« zu ermöglichen. Zahlreiche Landespolitiker kündigten unterdessen an, die Vorgänge im Abgeordnetenhaus thematisieren zu wollen.
Quelle: www.jungewelt.de vom 16.05.11
Berlin. Die Linke fordert, die internationale Vernetzung von Geheimdiensten und Polizeibehörden öffentlich zu machen und entsprechende »informelle Strukturen aufzulösen«. Das erklärte der Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko am Donnerstag nach der Antwort der Bundesregierung auf seine Anfrage zu grenzüberschreitenden verdeckten Ermittlungen. Die Bundesregierung hatte erklärt, daß das Bundes- sowie das Zollkriminalamt bereits seit 2001 in einer zuvor unbekannten, informellen Arbeitsgruppe an der Optimierung des internationalen Austauschs von Polizeispitzeln mitarbeite. Dort werde unter anderem auch der Einsatz von »Agents Provocateurs« erörtert. Ziel sei die »Delegitimierung antikapitalistischen Widerstands«. Hunke forderte die Bundesregierung auf, »die hierzu geheimgehaltenen Informationen der Öffentlichkeit umgehend bekannt zu machen«.
Quelle: www.jungewelt.de vom 14.05.11
Unglaublich aber war – fast schon in Sichtweite der tickenden Zeitbombe im hessischen Uralt-AKW Biblis hat die “Industrie- und Handelskammer der Pfalz (IHK)“ sich doch gestern tatsächlich gegen einen angeblich zu „schnellen Ausstieg aus der Atomkraft“ ausgesprochen. Dass es ausgerechnet die IHK der Pfalz gewesen ist, die eine derartige „Resolution“ beschlossen hat, verwundert allerdings nicht. Gerade diese Kammer repräsentiert seit eh und je weit weniger als alle anderen in Rheinland-Pfalz die so genannte „Mittelständige Wirtschaft“. Die ‚IHK der Pfalz‘ hat sich schon immer in erster Linie als Interessenwahrer der Großindustrie wie der BASF verstanden.
Auf ihrer Ludwigshafener „Frühjahrstagung“ verabschiedete die IHK mit großer Mehrheit eine Resolution, in der die neue rot-grüne Landesregierung aufgefordert wird, auf keinen Fall „ausschließlich auf ‚Erneuerbare Energien’ zu setzen“. Man schreckte auch diesmal nicht davor zurück, wie mit einer tibetanischen Gebetmühle den abgedroschenen Fetisch, dass sonst der „Wirtschaftsstandort“ gefährdet werde, weiterhin zu beschwören.
Allerdings wurde im Text der „Resolution“ diesmal besonders deutlich, dass es dieser Wirtschaftskammer ganz speziell selbst im Zusammenhang mit der gemeingefährlichen Atomkraft ausschließlich um die Steigerung der Profite der Großiwirtschaft geht. Dieses fast schon reflexartige Interesse überlagert alles – offenbar auch den Verstand – die Kammer bleibt entschlossen, das unübersehbare Menetekel von Fukushima dennoch in den Wind zu schlagen.
Wie schon bisher will man Sicherheit, Gesundheit und Leben der Menschen hier und heute und der künftigen Generationen dem russischen Roulett der Kernkraft ausliefern. Wie mit einer ‚Tibetanischen Gebetmühle’ wurde selbst das älteste und längst widerlegte Argument erneut bemüht, dass angeblich kürzere AKW-Laufzeiten den Strom erheblich teurer machen müssten. Die IHK in Ludwigshafen wider besseres Wissen: Dies treffe vor allem die energieintensive Industrie der Pfalz.
Dann ließ die IHK die Katze aus dem Sack und setzt auf einen Schelm anderthalben. Man entblödete sich nicht, trotz der rasant wachsenden Milliardenprofite auch der pfälzischen Großindustrie während der weltweiten Wirtschaftskrise und im gesamten letzten Jahr jetzt auch noch obendrein einen „finanziellen Ausgleich für besonders stromintensive Branchen wie Chemie, Papierherstellung oder Metallgewinnung zu fordern. Für diesen äußerst profitablen Wirtschaftsbereich soll nach dem Willen der pfälzischen IHK zusätzlich die Energiesteuer gesenkt werden.
Diese dreiste Resolution muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Offenbar wollen sich die Manager der Wirtschaft zusätzlich zu den bisherigen Milliardenprofiten auch noch an den mühsam von den „kleinen Leuten“ aufgebrachten Steuermitteln vergreifen. Wir sind gespannt, wie die neue „rot-grüne Landesregierung“ mit dieser dreisten Forderung umgehen wird – vor allem auch was die neue grüne Wirtschaftsministerin dazu zu sagen hat.