Am 27.08 fand im Rahmen einer „NRW-tour“ der Nazis durch mehrere Städte im Ruhrgebiet und im Rheinland eine Kundgebung von ca. 60-70 Nazis in Bad Neuenahr statt. Protest dagegen Fehlanzeige, klammheimliche Zustimmung eher.
Die Kundgebung auf dem öffentlichen Parkplatz vor dem Kaufhaus „Moses“, nahe der Bad Neuenahrer Innenstadt, wurde von einem starken Polizeiaufgebot begleitet. Es waren Neonazis aus dem ganzen Rheinland anwesend welche via Reisebus und dem AB-Mittelrhein VW-Transporter, welcher wie so oft schon als Lauti diente, angereist. Bereits vorher waren die Neonazis in Pulheim und in Bonn zu Kundgebungen aufgebrochen, den Abschluss stellte eine Demonstration mit ca. 120 Neonazis in Leverkusen dar.
AntifaschistInnen vor Ort berichteten über BürgerInnen, welche offen mit den Neonazis sympatisierten und die AntifaschistInnen am liebsten „nach Sibieren“ schicken würden.
Auch wurde augenscheinlich die Arbeit von JournalistInnen massiv von der Polizei durch „Aufzeichnungsverbote“ behindert. Ebenfalls hielt es die Polizei, als auch die Stadtverwaltung, offenbar nicht für angebracht, die demokratische Öffentlichkeit von diesem Treiben rechtzeitig zu informieren.
Dadurch wurde wirksamer Protest nahezu unmöglich gemacht, welches anscheinend der Stadt, sowie der Polizei in die Hände spielte.
Das Neonazis ungestört ihre Kundgebung abhalten können, scheint in Bad Neuenahr wichtiger zu sein, als demokratisch legitimierter Protest gegen rassistische und nationalistische Hetze.
Der örtliche Kreisverband von „Die Linke“ hat in einer öffentlichen Anfrage ein paar Fragen gestellt, deren Antworten sicher jeden demokratisch gesinnten Menschen im Kreis Ahrweiler interessieren dürften:
1. Wer hat diese Demonstration angemeldet?
2. Wann wurde sie konkret in welcher Form und bei wem, angemeldet?
3. Wurde der Stadtrat von Bad Neuenahr und der Kreistag von Ahrweiler entsprechend informiert? Falls nicht: Warum nicht?
4. Wurde die örtliche Presse über diese Demonstration informiert? Falls nicht: Warum nicht?
5. Warum wurde vor dem Gericht keine Verbotsverfügung erwirkt?
Quelle: Antifa Ahrweiler, 28.08.11
Am kommenden Freitag und Samstag soll auf dem Berliner Alex zwischen 10 und 14 Uhr ein öffentliches Frühstück/Brunch stattfinden. Bitte Tische/Tapeziertische und Klappstühle nebst Ess- und Trinkbares mitbringen. Alles möglichst in rot halten. Wenn die BürgerInnen nicht zu uns kommen, gehen wir zu den BürgerInnen. Eingeladen sind alle Menschen, die eine Alternative suchen jenseits der kapitalistischen Verwertungsinteressen, frei nach dem Motto: „Es gibt noch ein Leben, es gibt Alternativen jenseits des Bankkontos, des Kapitalismus!“.
Ein öffentliches Frühstück auf einem öffentlichen Platz ist nicht verboten! Bitte diese Aktion mit euren Möglichkeiten bekannt machen, danke. Ein öffentliches Frühstück kann selbstverständlich auch in Deiner Stadt, in Deinem Dorf, durchgeführt werden!
30.08.11
Die Titelseite, mit der die junge Welt zum 50. Jahrestag des Mauerbaus aufgemacht hat, fanden wir unhistorisch, unpassend und geschmacklos. Gerade von der jungen Welt als einer linken Zeitung hätten wir uns einen anderen Umgang mit dem Jahrestag des Mauerbaus gewünscht.
Wir halten es aber für völlig inakzeptabel, als Konsequenz die Anzeigenschaltung und Zusammenarbeit mit der jungen Welt einzustellen. Die junge Welt ist ein wichtiger Bestandteil einer insgesamt nicht sehr großen linken Medienlandschaft in der Bundesrepublik. Sie erreicht täglich eine kritische linke Leserschaft, die unsere Politik mit Interesse und oftmals auch mit Sympathie verfolgt. Viele von uns haben der jungen Welt in der Vergangenheit Interviews gegeben oder auch Kommentare geschrieben und damit die Möglichkeit genutzt, unsere Positionen einem breiteren Leserkreis bekanntzumachen. Es wäre geradezu absurd, wenn wir als Linke mit einem Anzeigenboykott dafür sorgen würden, daß wir gerade die Menschen immer weniger erreichen, die unseren Positionen interessiert und aufgeschlossen gegenüberstehen.
Auch bei anderen Medien schalten wir Anzeigen, obwohl wir uns nicht mit ihren Inhalten identifizieren, ja diese Inhalte, wie beispielsweise bei der taz und ihrer kriegsbefürwortenden Berichterstattung, progressiven Überzeugungen fundamental zuwiderlaufen. Wir haben Anzeigen selbst in Medien, die jeden Tag soziale Ausgrenzung, Hartz IV und Sozialabbau propagieren. Jetzt ausgerechnet in der jungen Welt keine Anzeigen mehr schalten zu wollen, wäre vor diesem Hintergrund einfach nur widersinnig.
Besonders besorgt sind wir über Forderungen einzelner Linker, die junge Welt »auszutrocknen«. Solche Aussagen sind als Angriff auf die Grundrechte und Presse- und Meinungsfreiheit zu werten. Wir verurteilen dies und weisen diese Angriffe aufs Schärfste zurück. Die Linke verteidigt die Pressefreiheit. Ihr Ziel ist es nicht, Medien zu zerstören. Die Linke steht für eine lebendige Demokratie, die ohne Meinungsstreit nicht möglich ist. Die Linke steht gegen alte und neue Mauern.
Unsere Wählerinnen und Wähler erwarten aber zu Recht, daß wir die Debatten innerparteilicher Selbstbeschäftigung endlich beenden. Wir wollen zurück zur Politik. Zur Politik, die sich den Interessen und Bedürfnissen der Mehrheit der Bevölkerung wieder zuwendet. Lohndumping, Sozialraub und Privatisierung öffentlichen Eigentums zu Lasten von Millionen Menschen einerseits und milliardenschwere Rettungspakete für Banken und Konzerne andererseits bedrohen den sozialen Frieden mit jedem Tag mehr. (…)
Sevim Dagdelen, Wolfgang Gehrcke, Sahra Wagenknecht, Jutta Krellmann, Harald Koch, Sabine Leidig, Alexander Ulrich, Heike Hänsel, Sabine Zimmermann, Michael Schlecht, Herbert Behrens, Sabine Stüber, Ulla Jelpke, Inge Höger, Andrej Hunko, Thomas Lutze, Annette Groth, Kathrin Vogler, Karin Binder, Ingrid Remmers, Johanna Voss, Jörn Wunderlich, Niema Movassat, Kathrin Senger-Schäfer, Heidrun Dittrich, Dorothee Menzner, Eva Bulling-Schröter, Harald Weinberg, Yvonne Ploetz, Diether Dehm (Stand: 25. August)
Quelle: www.jungewelt.de vom 30.08.11
Die »Perle der Karibik«, Ziel von Traumreisen und Träumern: Es locken karibisches Flair, die Schönheit der Menschen und eine ewig scheinende Sonne; den revolutionären Schwärmer die innere Erbauung. Die wachsende Beliebtheit spült dringend benötigte Devisen in Kubas klamme Staatskasse. Fast eine Milliarde Dollar konnten nach Angaben des Ministeriums für Tourismus im ersten Halbjahr 2011 in der Branche erwirtschaftet werden. 1,5 Millionen ausländische Touristen bedeuten eine Steigerung von 10,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Als Herkunftsländer liegen Kanada, England und Italien an der Spitze. Mit dem Bau neuer Hotelanlagen, von Golfplätzen und Yachthäfen sollen vor allem noch mehr zahlungskräftige Besucher nach Kuba gelockt werden. Dabei haben die Planer zum einen den lateinamerikanischen Markt im Visier: Folgerichtig stand Mexiko im Mittelpunkt der diesjährigen internationalen Tourismusmesse FITCuba Anfang Mai in Havanna. Die angesichts gestiegener Preise erschlaffte Reiselust der Nachbarn soll neu angefacht werden. Eine Verbesserung von Qualität und Service sowie neue thematische Konzepte rücken damit in den Fokus kubanischer Reiseveranstalter. An die Lunge gelegt sei ein Besuch der »Tabakroute« bei den Bauern und Zigarrenherstellern in der westlichen Provinz Pinar del Rio. Auch auf eine von Havanna erhoffte Touristeninvasion aus den Vereinigten Staaten von Amerika will man vorbereitet sein. US-Präsident Obama hat Reisebestimmungen für Kuba gelockert. In einem begrenzten Rahmen ist damit trotz der anhaltenden Wirtschaftsblockade gegen die sozialistisch regierte Insel US-Bürgern ein Besuch dort möglich, ohne erst den verschleiernden Umweg über ein Drittland nehmen zu müssen.
»Das Auto und einfach alles hier gehören dem Staat«, schimpft der Taxifahrer Eduardo. Zu einem saftig überhöhten Fahrpreis setzt er ausländische Touristen zur Ferieninsel Cayo Santa Maria über, die sich zu einem neuen großen Devisenbringer entwickeln soll. 48 Kilometer Piste verbinden das Archipel vor der Nordküste der zentralen Provinz Villa Clara mit dem Festland. Als er vom Bau des Damms berichtet, klingt doch Stolz mit. 1991 fiel der erste Spatenstich, gerade als mit der »Spezialperiode« die härteste Krisenzeit nach dem Wegfall der osteuropäischen Handelspartner anbrach. Zehn Jahre dauerte seine Errichtung. Dutzende Brücken lassen das Wasser zirkulieren. Auch über einen eigenen Flughafen können Besucher – vor allem aus Kanada – hier einschweben. Im Biosphärenreservat am zweitgrößten Riff der Welt mit seinen elf Kilometer langen Traumstränden entstehen seit 2001 immer neue, gehobene Hotelanlagen. Zuletzt wurde hier im November 2010 das »Tropical« mit 1386 Zimmern fertiggestellt. Dabei gelten strenge Auflagen: So darf seit 15 Jahren in Kuba ein Uferstreifen von mehr als 150 Meter Breite nicht bebaut werden. Das Warmwasser im Ferienparadies wird ausschließlich mit Solarenergie erzeugt, jedes Hotel verfügt über eine eigene Kläranlage. Plastikmüll wird gesammelt und recycelt. Jene Lebensmittel, die nicht importiert werden müssen, werden regional erzeugt. Die Hotels verbleiben in staatlichem Besitz und werden vom spanischen privaten Barceló-Konzern gemanagt. Der ist spezialisiert auf Resorts – touristische Disneylands im jeweiligen Landeskolorit. Zu stattlichen Preisen wird Erholung und Unterhaltung »all inclusive« geboten – die Realität des Landes mal ausgenommen.
Für diese ist im heutigen Kuba die rosarote Brille fehl am Platz. Das monatliche Durchschnittssalär liegt bei umgerechnet 15 bis 20 Euro. Viele Dienstleistungen und Waren sind nur in den Devisenläden, Tiendas, zu haben. Um so begehrter sind Jobs im Tourismus, um an Trinkgelder zu gelangen. In kaum einem anderen Land wird man auf so hochgebildete Reiseführer stoßen, die das Katheder gegen das Mikrofon im chinesischen Yutong-Bus eingetauscht haben. Angesichts von Haushaltsdefizit und negativer Handelsbilanz hat Kubas Regierung unter Raúl Castro ein drastisches Reformprogramm aufgelegt, Hunderttausende staatliche Stellen stehen zur Disposition. Die »Anpassungen am sozialistischen Modell« sollen Dirigismus dämpfen und kleinen Privatunternehmen oder Genossenschaften den Weg bahnen. Ein schwieriger sozialer Balanceakt steht bevor.
Wirtschaftliche Misere und die Sehnsucht danach, etwas von der Welt jenseits der »blauen Wand« ringsum kennenzulernen, halten den Auswanderungsdruck hoch. Staatschef Raúl Castro hat auf Forderungen der Bevölkerung reagiert und angekündigt, restriktive und kostspielige Reisebestimmungen für Kubaner abzubauen. Für viele wird es jedoch unerschwinglich bleiben, Tourismus von der anderen Seite zu erleben.
Reiseinformationen zu Kuba: Kubanisches Fremdenverkehrsamt www.cubainfo.de
Quelle: www.jungewelt.de vom 30.08.11
Ludwig Baumann ist Deutschlands bekanntester Deserteur des Zweiten Weltkrieges. Wenn man heute dem geistig hellwachen und trotz seiner fast 90 Jahre rüstigen Menschen gegenübersitzt, ist auf dem ersten Blick kaum zu erkennen, wieviel deutsche Unmenschlichkeit Ludwig Baumann erleiden mußte. »Hitler sagte: Der Soldat an der Front kann sterben, der Deserteur muß sterben«, erzählt er im Gespräch mit junge Welt. »Das haben die Wehrmachtsrichter umgesetzt. Sie haben an uns die blutigste juristische Verfolgung der deutschen Geschichte begangen. Über 30000 Todesurteile, über 20000 Hinrichtungen und bis zu 100000 Verurteilte, die Konzentrationslager, Straflager oder Strafbataillone in der Regel nicht überlebten. Viele der Richter haben nach dem Krieg Karriere gemacht, einige sind sogar bis zu Bundesrichtern aufgestiegen. Im Westen ist nicht einer von ihnen bestraft worden. Die Richter, die in der DDR bestraft wurden, wurden 1992 mit dem ersten sogenannten SED-Unrechtsbereinigungsgesetz rehabilitiert, auch wenn diese Richter Dutzende oder Hunderte Todesurteile (vor 1945– d. Red.) gefällt haben. Überlebt haben das Grauen in den KZs und Strafbattaillonen keine 4000 von uns. Wir waren bis zum Jahre 2002 vorbestraft.«
Ludwig Baumann wurde 1921 in Hamburg geboren. Hier wuchs er auch auf. Der Vater arbeitete sich aus einfachen Verhältnissen zum hanseatischen Tabakgroßhändler hoch. 1940 wurde Ludwig Baumann mit 19 Jahren in die Kriegsmarine einberufen. Anfang 1942 an der Kanalküste in Frankreich stationiert, wurde er zusammen mit seinem Freund Kurt Oldenburg für eine Hafenkompanie in Bordeaux ausgesucht.
Im Frühjahr 1942 versuchten die beiden, mit Hilfe französischer Freunde zunächst in den unbesetzten Teil Frankreichs zu fliehen. Eine deutsche Zollstreife faßte sie an der Demarkationslinie. Die Verhandlung vor dem Marinegericht am 30. Juni 1942 dauerte nur 40 Minuten. Marinekriegsgerichtsrat Dr. Lueder verurteilte Baumann und Oldenburg zum Tode. Auf Intervention eines Geschäftsfreundes des Vaters wurden beide begnadigt. Die Todesurteile wurden am 20. August 1942 in eine Zuchthausstrafe von zwölf Jahren umgewandelt.
Erst am 29. April 1943 wurden die beiden darüber unterrichtet. Baumann und Oldenburg kamen ins KZ Emsland, von dort ins Wehrmachtsgefängnis Torgau, wo ab 1943 auch das Reichskriegsgericht tagte. Über 1300 Wehrmachtshäftlinge wurden dort erschossen, erhängt oder enthauptet. »Diejenigen, die Torgau überlebten, die kamen zu den Strafbataillionen. Bei Kriegsende sind diese Bataillione nur noch an der zusammenbrechenden Ostfront eingesetzt worden, um mit ihrem Leben den chaotischen deutschen Rückzug zu decken. Fast keiner von uns hat überlebt«, berichtet Baumann. »Auch mein Freund Kurt Oldenburg nicht.« Baumann wurde verwundet und kam nach Brno ins Lazarett.
Viele der Überlebenden waren körperlich und seelisch zerbrochen. Ludwig Baumann flüchtete sich in den Alkohol, vertrank buchstäblich das Erbe des Vaters. Er kam erst zu sich, als seine Frau bei der Geburt des sechsten Kindes starb.
1990 gründete Baumann mit 36 Veteranen die »Bundesvereinigung Opfer der Militärjustiz e. V.«. Seitdem kämpft er unermüdlich für die Rehabilitierung der Deserteure.
1991 entschied das Bundessozialgericht, daß die Todesurteile gegen die Deserteure unrechtmäßig, die Militärgerichte Gehilfen des Naziterros gewesen seien. Den Hinterbliebenen der hingerichteten Soldaten wurde eine Entschädigung zugesprochen. 1995 bezeichnete der Bundesgerichtshof die Nazijuristen als »Blut-Richter«, die eigentlich wegen Rechtsbeugung und Kapitalverbrechen hätten bestraft werden müssen. Am 29. Mai 1998 beschloß der Bundestag das »Gesetz zur Aufhebung von NS-Unrechtstaten«. Die Urteile gegen Deserteure wurden aber hiermit nicht pauschal aufgehoben. Auf Betreiben der CDU/CSU betraf dies nur solche, die nachweislich aus politischen Gründen erfolgten. Die Deserteure mußten also ein politisches Motiv ihrer Entfernung von der Truppe nachweisen. »Für die Aufhebung jedes Urteiles hätte man die Staatsanwaltschaft einschalten müssen. Das konnte man den alten Männern nach einem Leben voller Diskriminierungen, Beleidigungen und Demütigungen nicht mehr zumuten«, so Baumann.
Am 17. Mai 2002 hob der Bundestag die meisten NS-Militärgerichtsurteile auf. Dies bedeutet volle Rehabilitierung von Deserteuren, Kriegsdiensverweigerern, Wehrkraftzersetzern. Auch Baumann war darunter. Doch jene, die des »Kriegsverrats« für schuldig befunden worden waren, blieben weiterhin ausgeklammert. Erst am 8. September 2009 endlich wurden die entsprechenden Urteile aufgehoben.
Nach der Rehabilitierung ist für Baumann die Auseinandersetzung lange noch nicht vorbei. »Wir haben noch um Gedenkstätten, zum Beispiel in Torgau, zu kämpfen.« Im ehemaligen Wehrmachtsgefängnis befindet sich heute eine Gedenkstätte, in der gleichermaßen der Naziopfer wie auch der Insassen des späteren sowjetischen NKWD-Speziallagers gedacht werden soll. Für Baumann ist das inakzeptabel: »Da müßten wir ja auch Leute ehren, die unsere Peiniger waren, denn viele von den NS-Schergen saßen nach 1945 in dem Gefängnis.« Mit dieser Erinnerungspolitik würden »NS-Täter pauschal zu unschuldigen Opfern gemacht«, so Baumann.
Quelle: www.jungewelt.de vom 30.08.11
Die Gassen von San Cristóbal im Bundesstaat Guanajuato sind gepflastert, seit der Altpräsident sich auf seinen Landsitz am Rande des Dorfes zurückgezogen hat. Im glasverschalten Kulturzentrum, das seinen Namen trägt, präsentiert er sein Porträt in einer Reihe mit Gandhi, Martin Luther King und Mutter Teresa. Vicente Fox hat nicht abgewartet, ob andere ihm ein Denkmal errichten.
Jetzt sitzt der Ex-Präsident an seinem Schreibtisch, eine kleine Bronzestatue seiner selbst im Rücken, und behält den Cowboyhut auf, während er mit ausladenden Armbewegungen skizziert, was er für sein Land
tun würde, hätte die mexikanische Verfassung ihm nicht nach sechs Jahren Amtszeit das Ende seines Mandats vorgeschrieben. Warum, fragt der ehemalige Präsident, soll der Staat Kinder und Jugendliche daran
hindern, Drogen zu nehmen? »Das ist die Verantwortung der Eltern, nicht die der Regierung. Die Zeit der Verbote ist vorbei.« Vicente Fox fordert die Legalisierung des Drogenmarktes, in Mexiko und im Rest der Welt – jetzt, nachdem er selbst eine ganze Amtsperiode Zeit dafür gehabt hätte.
Welche Drogen, Herr Präsident?
Alle, alle, alle. Vom Anbau über den Vertrieb bis zum Konsum.
In den siebziger Jahren war der Ruf »Legalize it!« vornehmlich auf den Heckklappen verbeulter VW-Busse zu lesen und auf Häuserwänden, im reichen Norden. 40 Jahre später ist er in Studien und Leitartikeln
angekommen, auf Titelseiten respektabler Magazine wie des britischen Economist. »Der Krieg gegen die Drogen ist gescheitert«, erklärte im vergangenen Juni die Global Commission On Drug Policy, der unter anderem die Ex-Präsidenten César Gaviria (Kolumbien), Fernando Henrique Cardoso (Brasilien), Ernesto Zedillo (Mexiko), Ex-EU-Generalsekretär Javier Solana und Ex-UN-Generalsekretär Kofi Annan angehören.
Wo Regierungen hingegen versuchten, durch die kontrollierte Legalisierung von Drogen gegen das Organisierte Verbrechen vorzugehen, heißt es in der Resolution, solle man ihnen Unterstützung gewähren. Der Grundgedanke der Befürworter ist schlicht, aber logisch: Wer dem Organisierten Verbrechen die Einkünfte nimmt, nimmt seinen Betreibern ie Möglichkeit, Schmiergelder zu zahlen, Waffen zu kaufen, Mörder zu schicken. Er nimmt ihnen die Macht.
Kaum ein Staat eignet sich besser für das Gedankenexperiment der Legalisierung von Drogen als Mexiko. Im Unterschied zu ihren kolumbianischen Vorfahren oder den Taliban in Afghanistan handeln die mexikanischen Kartelle weitgehend frei von gesellschaftlichen oder ideologischen Interessen. Sie sind postpolitisch. Das Geschäft ist ihre einzige Flanke.
Bislang läuft dieses Geschäft glänzend, komme, was da wolle. Die Welt mag sich über fallende Börsenkurse sorgen, um die Verschuldung von Staaten und die Tragfähigkeit von Rettungsschirmen; der Handel mit
Rauschgiften bleibt davon unberührt. Auch weil Drogenökonomien nach einem simplen Prinzip funktionieren: Der niedrige Preis der Ware im Anbauland steigt auf dem Weg zum Konsumenten mit dem Risiko für die
Zwischenhändler und Weiterverarbeiter der illegalen Substanzen.
So schwankt der Preis für ein Kilogramm Cannabis, laut aktuellem UN-Drogenreport 2011 die weltweit am häufigsten genutzte illegale Droge, in den Straßen von Mexico City zwischen 1.200 und 1.500 Peso, 70 bis 88 Euro. Der Preis steigt, je näher die Ware dem Rio Grande kommt. Jenseits der Grenze, in den Vereinigten Staaten, wird der Preis dann nicht mehr pro Kilo, sondern pro Unze (etwa 28 Gramm) berechnet. Das
Cannabis-Magazin High Times veröffentlicht monatliche Marktstatistiken, in denen die Preise je nach Sortenqualität zwischen 104 Euro pro Unze »Mids« in Maryland und 374 Euro pro Unze »NYC Diesel« in New York schwanken.
Weltweit beziffern die UN den Umsatz mit illegalen Drogen jeder Art auf etwa 320 Milliarden Dollar. Zehn bis 50 Milliarden davon dürften in Mexiko landen.
Doch all diese Zahlen sind nur geschätzt. Auf einer Schätzung basiert auch die Annahme der US-Antidrogenbehörden, dass die mexikanischen Kartelle ihre Einkünfte zu 60 Prozent aus dem Handel mit Marihuana bestreiten, etwa acht Milliarden Dollar pro Jahr. Die Größe der Anbauflächen soll in den vergangenen sechs Jahren von 5.600 auf 17.500 Hektar gestiegen sein. Genaue Statistiken sind nicht zu bekommen, was in der illegalen Natur der Sache liegt.
Das Lager der Befürworter einer Legalisierung ist zwar breit gefächert und reicht von jenen, die nur den Markt für weiche Drogen wie Marihuana liberalisieren wollen, bis hin zu Vertretern einer radikalen Freigabe
sämtlicher Rauschmittel. Doch ihre Argumente sind die gleichen: Angesichts des weltweit allenfalls stagnierenden Konsums lassen sich die traditionellen Bekämpfungsstrategien nicht länger aufrechterhalten.
Verbote treiben Gelegenheitsnutzer und Süchtige in die Kriminalität und füllen die Kassen des Organisierten Verbrechens, was im Umkehrschluss bedeutet: Wenn der Staat den Drogenhandel gesetzlich reguliert und
besteuert, stehen Mittel, die zuvor für die Strafverfolgung draufgingen, für Prävention und Pflege zur Verfügung. Und die Kartelle bluten.
In Mexiko wird der Handlungsdruck besonders augenfällig. Seit Felipe Calderón, der Nachfolger von Vicente Fox im Amt des Präsidenten, im Dezember 2006 den heimischen Drogenkartellen den Krieg erklärt hat, sind
dem Konflikt mehr als 40.000 Menschen zum Opfer gefallen: Enthauptete hängen von Autobahnbrücken, namenlose Leichen tauchen in Massengräbern auf, andere, zersetzt in Säurebädern, verschwinden für immer.
Die Front verläuft nicht allein zwischen Staat und Kartellen. Im Kampf um die Kontrolle von Handelsrouten und Territorien gehen die »Narcos« mit äußerster Brutalität auch gegeneinander vor. Wo der Regierung ein
Schlag gegen einen der Köpfe des Organisierten Verbrechens gelingt, eskaliert die Gewalt im Kampf um die Nachfolge. Und nie fällt es den Kartellen schwer, die Reihen zu schließen – mehr als 50 Prozent der
Arbeitslosen Mexikos sind Jugendliche. In Ciudad Juárez, an der Grenze zu den Vereinigten Staaten, morden Sicarios, oft minderjährige Auftragskiller, für wenige Hundert Dollar. Kaum eine Branche erfordert weniger Ausbildung als das Geschäft der Drogenhändler.
Einige der wichtigsten mexikanischen Anbaugebiete für Marihuana liegen im Bundesstaat Morelia, in den grünen Bergen der Sierra Madre, im Westen des Landes. Wo die Hügel ins Meer auslaufen, an der schwer
kontrollierbaren Pazifikküste, werfen kolumbianische Händler nachts Kokainpakete mit Peilsendern ins Meer, die ihre mexikanischen Partner später mit Booten an Land holen. In den Bergen, die die Küste von der
Bundeshauptstadt Morelia trennen, regiert die Mafia weitgehend unbehelligt von staatlicher Intervention, wie ein ranghoher Polizeikommandant in Morelia einräumt. Während des Gesprächs lässt er klassische Musik vom Handy in den Raum rieseln, weil er nicht sicher sein kann, ob sein Büro verwanzt ist. Sein Telefon benutzt er nur für kurze Verabredungen.
Der Mann will nicht namentlich zitiert werden, wenn er sagt, dass er Verständnis für jeden seiner Kollegen habe, der nicht bereit sei, für das bisschen Lohn sein Leben zu riskieren. Auf jeden Polizisten im Land
kommen schätzungsweise 35 Waffen des Organisierten Verbrechens. Der Polizeikommandant erzählt, wie sie vergangene Woche bei einer Fahrzeugkontrolle in der Stadt auf zwei bewaffnete junge Männer stießen.
Während der Kontrolle fuhren zwei Pick-up-Trucks heran. Einer der Fahrer habe wissen wollen, was das Problem sei. »Die beiden haben Waffen bei sich und keine Waffenscheine«, habe er geantwortet, sagt der Kommandant. »Na und«, habe der Fahrer geantwortet und sein T-Shirt gehoben, unter dem ein Revolver im Hosenbund steckte, »ich auch.« Dann habe sich der Fahrer als Mitglied der Familia Michoacana zu erkennen gegeben, des herrschenden Kartells der Region. »Und was wollt ihr jetzt machen?« Sein Kollege und er hätten den Herren daraufhin einen schönen Abend gewünscht und seien zurück aufs Revier gefahren.
Ist es realistisch, davon auszugehen, dass der Frieden nach Morelia, nach Michoacán, nach Mexiko zurückkehrt, wenn die Regierungen der Welt Frieden mit den Drogen schließen und die Bauern in den Bergen der Sierra Madre für einen Batzen Cannabis nicht mehr Geld bekommen als für ein Bündel Karotten? Kann es sein, dass die Lösung so einfach ist, so naheliegt, und die Politik sich über Jahrzehnte so sehr geirrt hat?
Anabel Hernández schnaubt. Dann beginnt sie zu reden. Und wenn Anabel Hernández, eine kleine, resolute Frau mit kurzem Haar, über den Drogenhandel spricht, wird es meistens sehr laut.
Die Journalistin verlässt ihr Haus in Mexico City nur noch in Begleitung von zwei Bodyguards, seit im Dezember 2010 ihr Buch Los señores del narco erschienen ist. Darin untersucht sie die Verstrickungen der
mexikanischen Drogenmafia in Politik und Wirtschaft. Der Titel wurde zum Bestseller. Wann sie auf den Schutz der Leibwächter verzichten können wird, ist ungewiss. Möglicherweise nie mehr.
In Mexiko, sagt Hernández, sei der Konsum von Crack nach Behördenangaben in den vergangenen Jahren um 600 Prozent gestiegen, der Anteil weiblicher Kokainkonsumenten im Alter zwischen zwölf und 18 Jahren an allen Nutzern um 100 Prozent. Angesichts stagnierender Märkte in den USA sind die Kartelle dazu übergegangen, die Binnennachfrage anzuheizen, Jugendliche anzufixen, Handlanger in Drogen zu bezahlen, neue Märkte zu erschließen. »Dieses Land ist nicht bereit für einen liberalen Drogenmarkt«, sagt Hernández. Es fehle an Aufklärung, an Perspektiven, an Gründen für die Jugendlichen, dem Drogenkonsum zu widerstehen. Eine Form von öffentlicher Drogenprävention sei ihr in Mexiko bis heute nicht begegnet.
Im Übrigen finanzierten sich die Narcos längst nicht mehr allein über den Drogenhandel, sondern zunehmend auch über »Kollateralgeschäfte« wie Erpressung, Menschenhandel, Prostitution und Piraterie. Wer wirklich
etwas gegen die mexikanische Drogenmafia unternehmen wolle, müsse ihr die Möglichkeit rauben, ihr schmutziges Drogengeld bei nationalen und internationalen Wirtschaftsunternehmen reinzuwaschen, fordert Hernández. Doch dafür fehle die Entschlossenheit.
Wer mit dem Mittel der Drogenlegalisierung gegen die Mafia vorgehen wolle, müsse schon den gesamten Markt liberalisieren. Und wie das funktionieren solle, sagt Hernández, könne sie sich beim besten Willen
nicht vorstellen. Die Legalisierung einer einzigen weichen Droge dagegen, der freie Handel von Marihuana, koste den Kartellkraken doch kaum mehr als »ein Ärmchen«.
Das Ärmchen allerdings könnte ein Anfang sein, der Versuch einer neuen Strategie. Im Jahr fünf des mexikanischen Drogenkriegs glaubt jedenfalls nur noch eine Minderheit im Land daran, dass die Regierung durch den Einsatz von Polizisten und Soldaten gewinnen kann. Rund 15 Prozent des Bruttoinlandsprodukts wendet der Staat für die Folgekosten der Kriminalität auf. Der Tourismus ist seit Beginn des Konflikts um 15
Prozent eingebrochen und in einigen Teilen Mexikos vollständig zum Erliegen gekommen. Investoren suchen das Weite, seit die Mafia selbst in Wirtschaftszentren wie Monterrey offen ihre Macht demonstriert und nicht nur hochrangige Geschäftsleute Schutzgelderpressungen und Entführungen fürchten müssen. Und Mexiko ist nicht das einzige Land, das einen hohen Preis für die herrschende Drogenpolitik zahlt. Auch dort, wo die Konsumenten leben, in den USA und in Europa, gehen die Kosten für den Krieg, den Richard Nixon 1971 gegen die Drogen ausgerufen hat, in die Milliarden.
Laut FBI-Angaben hat sich die Zahl der Drogendelikte mit Inhaftierung in den USA seit den achtziger Jahren vervierfacht. Etwa die Hälfte steht in Verbindung mit Marihuana, und mehr als 90 Prozent davon gehen auf
einfachen Besitz zurück. Allein im Bundesstaat Kalifornien schlägt die Strafverfolgung gegen Delikte in Zusammenhang mit Marihuanakonsum nach Schätzungen des Cato-Instituts jährlich mit etwa einer Milliarde Dollar zu Buche. Rund 40 Milliarden Dollar sollen es landesweit sein – dabei sind die millionenschweren Aufwendungen für lateinamerikanische Drogenbekämpfungsprogramme wie Plan Colombia und Mérida-Initiative noch nicht mitgerechnet.
Im Sommer 1992 erhielt der Politologe und Princeton-Dozent Ethan Nadelmann einen überraschenden Anruf. Am anderen Ende der Leitung war einer, der den Kampf gegen die Drogen früh als Geld- und Zeitverschwendung betrachtet hat: der Privatinvestor George Soros. Soros wollte den jungen Akademiker Nadelmann, der in seinen Vorlesungen die Wirksamkeit und Legitimität der traditionellen Drogenpolitik in Zweifel zog, kennenlernen. Das Treffen, sagt Nadelmann, habe zwei Stunden gedauert. Und bereits wenige Monate später habe er unter dem Dach von Soros’ Open Society Foundation damit begonnen, die Drug Policy Alliance aufzubauen. Ein Drittel des Budgets der mittlerweile eigenständigen DPA, der größten Pro-Legalisierungs-Organisation der Vereinigten Staaten, trägt nach wie vor Privatinvestor Soros; der Rest stammt aus den Spenden von Stiftungen und etwa 30.000 Privatpersonen.
Nadelmann muss einen Augenblick nachdenken, ehe er sich auf die Frage nach seinem Alter mit der Antwort 54 festlegt. Sein graues Hemd hängt eher zufällig als gewollt über den Bund einer dunklen Stoffhose.
Offizielle Fotos zeigen ihn meistens in Anzug und Krawatte, dazu ein jung gebliebenes Gesicht mit hoher Stirn. Kaum eine Studie zum Thema Drogenlegalisierung kommt heute ohne einen Fußnotenverweis auf Nadelmann und seine Organisation aus.
Die Wände des DPA-Büros in Manhattan geben einen Eindruck davon, mit wie viel Verve seit Jahrzehnten um die Drogen gestritten wird: Unzählige Buchseiten füllen die regalbestandenen Räume wie Schallschutzpolster eines Proberaums. Nadelmann ist nicht der Typ, der überrascht, wenn er sagt, er habe als Student selbst Marihuana geraucht. Allerdings sei dasnicht der Auslöser für sein Engagement gewesen. Vielmehr, sagt Nadelmann, habe ihn die Frage beschäftigt, wie eine Substanz, die sich auf den Körper kaum verheerender als ein Alkoholrausch auswirkt, so illegal sein kann. »Wie kann es sein, dass alle Logik für die eine Handlungsweise spricht, die Politik sich in fast allen Teilen der Welt aber trotzdem auf die andere Seite schlägt?«
Die Antwort auf diese Frage hat nicht allein mit ökonomischen oder politischen Motiven zu tun. Von jeher spielen vor allem moralische Aspekte in der Diskussion eine wichtige Rolle. Darf der Mensch mit seinem eigenen Körper, seiner Gesundheit anstellen, was er will? Ist der Staat verpflichtet, seine Bürger vor sich selbst zu schützen? Und soll die Gemeinschaft die Kosten dafür tragen, wenn der Einzelne sich mit
Rauschgift zugrunde richtet und medizinische Kosten verursacht?
In Gesellschaften, die ihren Bürgern immer mehr Eigenverantwortung abverlangen, immer stärker auf das Prinzip der Liberalität setzen, müssen die Antworten auf diese Fragen anders ausfallen als während der
Nixon-Ära. Und wenn einerseits die Zahl derer, die ärztlich verschriebene leistungssteigernde Medikamente wie Ritalin konsumieren, stetig steigt – Drogen, die nach Auffassung von Experten des britischen
Magazins The Lancet nur geringfügig schädlicher als Cannabis, jedoch verheerender als Ecstasy sind –, kann dann andererseits ein teurer und gewaltsamer Krieg gegen die Drogen aufrechterhalten werden?
In einer Umfrage des Gallup-Instituts sprachen sich vor sechs Jahren noch 36 Prozent der Amerikaner für die Freigabe von Cannabis aus. Im vergangenen Jahr waren es 46 Prozent. Nadelmann ist zuversichtlich, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis der erste US-Bundesstaat Anbau, Handel und Gebrauch von Marihuana unter gesetzlichen Auflagen zulässt. Und immerhin: Seit 1996 haben 16 Bundesstaaten den Verkauf und Bezug von medical marijuana legalisiert. Cannabis wird von Ärzten etwa zur Behandlung der Appetitlosigkeit bei Krebspatienten verschrieben, gegen Schlaflosigkeit und Menstruationsbeschwerden. In Colorado besitzen bereits 80.000 Patienten Bezugskarten, offiziellen Angaben zufolge werden täglich etwa 400 neue Anträge gestellt. In Denver gibt es mehr privatwirtschaftlich organisierte Verkaufsstellen für medical marijuana als Starbucks-Filialen.
Der Staat profitiert von dem Geschäft, indem er etwa in Colorado eine Verkaufssteuer von 2,9 Prozent erhebt, was allein zwischen Juli 2009 und Februar 2010 zu Einnahmen von rund 681.000 Dollar geführt hat. Jede der knapp 300 Verkaufsstellen zahlt zudem 5.000 Dollar für Lizenz und Registrierung, Patienten zahlen jeweils 90 Dollar für ihre Bezugskarten. Allein für Mendocino County im Bundesstaat Kalifornien beziffern
konservative Schätzungen das Gesamtvolumen des Cannabis-Markts, legal wie illegal, auf 12 Milliarden Dollar, während alle übrigen landwirtschaftlichen Produkte gerade einmal auf 2,4 Milliarden Dollar
kommen.
In Kalifornien scheiterte im vergangenen November nur äußerst knapp eine Petition für die vollständige Legalisierung von Cannabis. Der Bundesstaat war 1913 der erste, in dem Marihuana verboten wurde, und
1996 wiederum der erste, in dem Anbau und Konsum zu medizinischen Zwecken zugelassen wurden. Nach DPA-Schätzung würde ein komplett gesetzlich besteuerter freier Markt der Regierung etwa 350 Millionen
Dollar zusätzliche Einnahmen bringen. Hinzu kämen neue Jobs in Landwirtschaft und Handel. Ist das die Zukunft? »Im Augenblick«, sagt Nadelmann, »bin ich optimistischer, als ich es je war.«
In ihrem Buch Joint Ventures – Inside America’s Almost Legal Marijuana Industry beziffert die Journalistin Trish Regan die Kosten bis zur Ernte von einem Pfund Cannabis auf etwa 400 Dollar. In den legalen
Verkaufsstellen wird der Stoff dann für rund 2.400 verkauft. Im illegalen Straßenhandel brächte er 6.000 Dollar. Die Margen machen die möglichen Konsequenzen einer breiten Legalisierung deutlich: die Verluste des Organisierten Verbrechens ebenso wie die Gewinne für den Staat.
Nach 40 Jahren Diskussion sind alle Argumente ausgetauscht. Um vagen Schätzungen stabile Fakten gegenüberzustellen, brauchte es ein Land, das es wagt, den ersten Schritt zu tun. Wenn im kommenden Jahr die Amtszeit von Felipe Calderón endet, wird die Zahl der Toten im mexikanischen Drogenkrieg um Tausende weiterer Opfer gestiegen sein. An seinem Schreibtisch in San Cristóbal signalisiert der alte Präsident Vincente Fox, dass es Zeit wird, das Gespräch zu beenden.
Señor Fox, glauben Sie, dass ein Kandidat, der die vollständige Drogenlegalisierung fordert, zum mexikanischen Präsidenten gewählt werden kann?
»Na sicher. Er wird ja auch noch ein paar andere Forderungen aufstellen. Ein Kandidat wird sagen:
Wir müssen den einmal eingeschlagenen Weg weiterverfolgen. Und es wird einen anderen geben, der sagt: Ich will neue Lösungen suchen. Ich, Vicente Fox, werde für Letzteren stimmen. Für den, der mir eine Hoffnung gibt.«
Quelle: http://www.zeit.de/2011/35/Drogenkartelle-USA-Mexiko/komplettansicht
Gleich aus mehreren Perspektiven wurde bei der Räumung des Camps auf dem Alexanderplatz gestern folgende Misshandlungen durch die Polizei festgehalten. Schläge, Gliedmaßenverdrehung, Drohungen, nichts scheint der Berliner Polizei zu schade.
Bericht des Tagessiegels mit Video-Links: http://t.co/aI3OHuG
Video, ab ca. 04 Minute, neben den anderen harten Fällen, die größte
Misshandlung: http://www.youtube.com/watch?v=YqMyBYLcp3g
Video, gleiche Misshandlung wie oben ab Minute 11:30:
Video, selber Typ wie oben nochmal von vorne der Boxer in den Bauch:
Video: Ein Typ krallt sich an seinem Zelt fest und kassiert dafür
ordentlich:
Video: Keine Ahnung was die mit der Frau machen, aber nett ist das nicht
http://www.youtube.com/watch?v=3Hko5nuG9Mg&feature=player_embedded
Quelle: Alle Infos unter: acampadaberlin.blogspot.com
27.08.11
Mit Entsetzen mussten wir feststellen, dass am Samstag, den 27. August 2011, rund 50 schwarz gekleidete Faschisten auf dem Parkplatz des Kaufhauses Moses eine öffentliche Kundgebung abhalten durften, auf der sie ihre hasserfüllten, rassistisch und nationalistisch gefärbten Redebeiträge ungestört durchführen konnten, geschützt von einem sehr großen Polizeiaufgebot. Für alle demokratisch gesinnten Bürgerinnen und Bürger ist das ein großer Skandal! Engagierte Bürgerinnen und Bürger, die gegenüber dem braunen Mob Zivilcourage zeigten, wurden von einigen Passanten pauschal als „Kommunisten“ abgestempelt, die man „nach Sibirien“ schicken sollte. Leider gibt es auch im Kreis Ahrweiler Menschen, die anscheinend offen mit der Ideologie der Faschisten sympathisieren.
Bekanntlich hat insbesondere in Deutschland Antikommunismus Tradition- Antifaschismus leider nicht! In diesem Zusammenhang erinnern wir von der Partei DIE LINKE an die Resolution des Kreistages Ahrweiler gegen rechtsextreme Aktivitäten im Kreis Ahrweiler, die vom Kreistag am 3. Dezember 2010 verabschiedet wurde. Dort hat sich der Kreistag verpflichtet, mit allen demokratischen Mitteln engagiert gegen rechtsextreme Tendenzen im Kreis Ahrweiler vorzugehen.
In diesem Zusammenhang erwarten wir von der Stadtverwaltung die Beantwortung folgender Fragen:
1. Wer hat diese Demonstration angemeldet?
2. Wann wurde sie konkret in welcher Form und bei wem, angemeldet?
3. Wurde der Stadtrat von Bad Neuenahr und der Kreistag von Ahrweiler entsprechend informiert? Falls nicht: Warum nicht?
4. Wurde die örtliche Presse über diese Demonstration informiert? Falls nicht: Warum nicht?
5. Warum wurde vor dem Gericht keine Verbotsverfügung erwirkt?
Diese Anfrage geht zeitgleich an die örtliche Presse.
Wir bitten freundlichst um eine zeitnahe Beantwortung unserer Fragen, besten Dank.
Marion Morassi und Wolfgang Huste, Vorstand DIE LINKE, Ortsverband Bad Neuenahr
Bad Neuenahr, 28.08.11
Liebe AntifaschistInnen, liebe MitstreiterInnen,
habe vor etwa 30 Minuten erfahren, dass morgen, Samstag, vor dem Kaufhaus Moses – also mitten in Bad Neuenahr – eine Demonstration von Faschos stattfinden soll. Das Kaufhaus Moses ist zwei Minuten Fußweg vom Bahnhof Bad Neuenahr entfernt. Die Polizei bzw. das Ordnungsamt der Stadt Bad Neuenahr ist gerade damit beschäftigt, den Platz für morgen abzusperren. Im Rathaus konnte ich keinen mehr erreichen. Von der hiesigen Polizei erhielt ich folgende Information:
Die Demonstration soll um 14 Uhr vor dem Kaufhaus Moses stattfinden (der Platz ist aber schon morgen ab 9 Uhr gesperrt).
Nach Auskunft der Polizei erwartet man mindstens 100 Faschos. Bitte sorgt mit euren Möglichkeiten dafür, dass wir demokratisch gesinnte Menschen mobilisieren, die nicht bereit sind, diese Demonstration ohne Widerstand hinzunehmen. Die Presse wurde angeblich über dieses Ereignis nicht informiert, was ich noch heute nachholen werde. Für mich ist das ein Eklat, dass Faschos öffentlich und „im Geheimen“ hier (oder auch anderswo!) auftreten dürfen. DIE LINKE wird hierzu noch eine Presseerklärung formulieren.
Mit antifaschistischen Grüßen,
Wolfgang Huste
DIE LINKE Kreisverband Ahrweiler; Mitglied im Sprecherrat. Sprecher des Ortsverbandes Bad Neuenahr
Mitglied in der LAG REX Rheinland-Pfalz und Mitglied im Bündnis für Frieden Remagen
Am 3. September wollen zum siebten Mal in Folge Neofaschisten anlässlich des Antikriegstages durch Dortmund marschieren. Sie mobilisieren europaweit in die Ruhrgebietsmetropole. Nach dem wieder erfolgreich verhinderten Marsch durch Dresden gilt der so genannte „Nationale Antikriegstag“ in Dortmund als einer der wichtigsten Aufmärsche der deutschen Neonazis.
Vor diesem Hintergrund verübten Neonazis in der vergangenen Woche eine Anschlagsserie gegen aktive Antifaschisten. Ziel der Angriffe waren Lokale der Parteien DKP und „Die Linke“, der private PKW eines Antifaschisten sowie das Wohnhaus eines Betriebsrates und Mitglieds der MLPD.
„Die Nazis fürchten zu Recht, dass ihr Aufmarsch zu einem weiteren Desaster wird, nachdem bereits der ebenfalls europaweit mobilisierte Nazi-Aufmarsch im Februar in Dresden am antifaschistischen Protest gescheitert war. Deshalb gehen die Neonazis nun selbst zur Attacke über, sie wollen in Dortmund ein Klima der Angst schaffen.
Seit Jahren terrorisieren militante Neofaschisten unsere Stadt mit ihren Aufmärschen, mit Überfällen auf Migranten und Linke, mit Drohungen gegen engagierte Antifaschisten, mit Anschlägen auf alternative Kneipen und linke Zentren. Ich fordere daher den Dortmunder Polizeipräsidenten, Hans Schulze, auf, in diesem Jahr endlich ein Zeichen gegen Rechts zu setzen und den Aufmarsch der faschistischen Schläger zu verbieten! Sollte das nicht passieren, werden wir uns am 3. September massenhaft und entschlossen den Nazis in den Weg den stellen und den Aufmarsch verhindern!“ erklärte die Dortmunder Bundestagsabgeordnete und innenpolitische Sprecherin der Fraktion „Die Linke“ nach dem erneuten Anschlag auf ihr Wahlkreisbüro.
Auch auf das Büro der DKP Dortmund wurde in der Nacht zum 21. Juli ein Farbanschlag verübt. Der PKW der Vorsitzenden der DKP Dortmund wurde erheblich beschädigt, alle Reifen zerschnitten und der Lack zerkratzt. Ein weiteres Haus, in dem bekannte Antifaschisten wohnen, wurde ebenfalls mit der üblen Parole „ Buchenwald vergisst nicht“ besprüht. Die Bezirksvorsitzende der DKP Ruhr-Westfalen, Marion Köster, sieht darin „eine direkte Morddrohung, denn im KZ Buchenwald wurden über 56 000 Menschen von den Nazis ermordet.“ In ihrer Erklärung zu den feigen Nazi-Übergriffen heißt es:
„Dortmund zeigt erneut, dass die Neofaschisten immer frecher und brutaler auftreten. Wir fordern von den zuständigen Behörden, dass sie die Täter zur Verantwortung ziehen.
Wir fordern erneut das Verbot der NPD und aller Naziorganisationen. Wir fordern von der Landesregierung, dass sie endlich die Informanten des Verfassungsschutzes aus den Naziorganisationen abziehen und somit den Weg frei geben für ein erneutes Verbotsverfahren gegen die NPD.
Wir rufen alle demokratisch gesinnten Menschen auf, am 3. September in Dortmund gegen Naziaufmärsche zu protestieren.“
Zu den Anschlägen erklärte die Vorsitzende der DKP Dortmund: „Die DKP verurteilt die Anschläge der Neonazis. Wir rufen alle demokratischen und antifaschistischen Kräfte in Dortmund auf: Lasst uns gemeinsam mit noch mehr Kraft, Fantasie und Entschlossenheit den Nazis entgegentreten! Terror gegen diejenigen, die sich ihrem Treiben politisch entgegenstellen, ist und war immer schon Strategie der Faschisten, um Menschen vom antifaschistischen Kampf abzuhalten. Lasst uns zeigen, dass ihnen das nicht gelingt! Wir werden unsere politische Arbeit unbeirrt weiterführen.“
Dortmund hat sich in den vergangenen Jahren zu einer Hochburg militanter Neonazis entwickelt. Brutale Übergriffe auf MigrantInnen und linke Jugendliche, auf GewerkschafterInnen und politisch aktive Menschen, auf alternative Buchläden und auf Parteibüros, auf Kneipen und Veranstaltungen, auf Wohnungen von AntifaschistInnen gehen weiter und nehmen an Brutalität zu. Zwar wird das Ausmaß des Terroranschlages von Oslo noch nicht erreicht, aber seit dem Jahr 2000 gehen vier Morde auf das Konto der Neonazis: drei Polizisten wurden von dem Neonazi Michael Berger erschossen, der Punk Thomas Schulz von einem jugendlichen Neofaschisten erstochen. Das Bündnis „Dortmund stellt sich quer“ ruft auf:
„Gemeinsam setzen wir ihnen unseren Widerstand und unsere Politik der Aufklärung und der internationalen Solidarität entgegen! Gemeinsam stehen wir gegen Krieg und fordern seine sofortige Beendigung in Afghanistan – und überall! Wir rufen die Antifaschistinnen und Antifaschisten, die Gegner von Krieg und Besatzung, die Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, die Jugend dazu auf, den Aufmarsch der Neofaschisten am 3. September durch gewaltfreie Blockaden entschlossen zu verhindern! Von uns wird dabei keine Eskalation ausgehen. Wir sind solidarisch mit allen, die der zunehmenden Kriegspropaganda eine Absage erteilen und den Nazis entgegentreten wollen. Gemeinsam werden wir ihren geplanten Marsch durch Dortmund verhindern!
Der Antikriegstag gehört uns!
Beteiligt Euch an den Demonstrationen und Blockaden!
„Wenn Nazis marschieren, ist Widerstand Pflicht!“
Anmerkung von Wolfgang Huste: „Antikommunismus und Antisozialismus hat insbesondere in Deutschland eine sehr lange Tradition- Antifaschismus leider nicht! Arbeiten wir gemeinsam daran, dass es anders und besser wird.“.