Wolfgang Huste Polit- Blog

»Ich hatte Angst um mein Leben«. Mißhandelt vom Sondereinsatzkommando: 17jährige erhebt schwere Vorwürfe gegen Polizei. Ein Gespräch mit Lisa Förster. Interview: Gitta Düperthal

Mittwoch, 23. Mai 2012 von Huste

Die 17jährige Schülerin Lisa Förster (Name von der Redaktion geändert) von der ver.di-Jugend NRW-Süd war zu den Blockupy-Aktionstagen nach Frankfurt am Main gekommen, um gegen die Macht der Banken, Finanzindustrie und Konzerne zu demonstrieren und wurde von der Polizei brutal zusammengeschlagen.

Der hessische Innenminister Boris Rhein behauptet, die Polizei habe beim Einsatz während der kapitalismuskritischen Blockupy-Aktionstage in der vergangenen Woche »großartige Arbeit« geleistet und gewalttätige Ausschreitungen verhindert. Sie haben ganz andere Erfahrungen machen müssen.

Ja, die Gewalt ging nach unseren Erfahrungen von der Polizei aus, nicht von den Demonstranten. Ich selber wurde während einer Blockade an der Europäischen Zentralbank am Freitag von fünf bis zehn Polizisten eines Sondereinsatzkommandos verprügelt. Sie kamen ganz in schwarz und komplett gepanzert mit Helmen aus einem Hauseingang auf mich zugestürmt. Später hat ein Sanitäter von versuchtem Totschlag gesprochen. Die Situation war so: Plötzlich befand ich mich ganz allein auf einer Wiese. Polizisten hatten mich umringt, damit andere Demonstranten nicht sehen konnten, was sie taten. Aus Angst bin ich einige Schritte zurückgegangen und habe meine Arme über den Kopf gehoben, um zu signalisieren, daß ich mich nicht widersetzen würde. Umsonst! Als die Polizisten in Reichweite waren, spürte ich den ersten Schlag in meinem Genick. Es blieb leider nicht der einzige. Ich bin vor Schmerz zusammengesackt und habe mein Gesicht mit den Händen geschützt. Vier Polizisten haben auf jeden Teil meines Körpers eingeschlagen und getreten. Jeder hatte zwei Schlagstöcke. Auch als ich auf dem Boden lag, haben sie nicht aufgehört. In dem Moment hatte ich Angst um mein Leben. Glücklicherweise haben es einige Demonstranten geschafft, die Polizisten wegzudrücken und mich zu befreien.

Wie kam es zu diesem Gewaltexzeß?

Wir waren mit dem Ziel der Blockade der EZB auf eine Kreuzung gekommen, auf der etwa 150 Menschen waren, und wollten gewaltfrei eine Polizeikette durchfließen, wie von Blockupy angekündigt – also uns durch Lücken zwischen den Polizisten hindurchzwängen. Das hat zunächst funktioniert. Dann kamen jedoch weitere aus einer Seitenstraße angestürmt und bildeten eine zweite Kette. Ich habe erkannt, daß ich es dort nicht mehr hindurchschaffe. Meine Freunde waren schon auf der anderen Seite. Um hinter die Polizeiabsperrung zu gelangen, bin ich auf die Wiese gerannt.

Welche Verletzungen haben Sie?

Zunächst hatte ich wegen des Adrenalins nur Schmerz in der Schulter gespürt. Dann hat mir plötzlich alles wehgetan: Nacken, Hüfte und Schienbein. Der Sanitäter sagte: Hätten sie die Schläge zwei Zentimeter höher oder niedriger plaziert, wäre ich querschnittsgelähmt. Er hat mich in ein Krankenhaus eingewiesen, wo Ärzte eine ausgekugelte Schulter, verschobene Halswirbel und zahlreiche Prellungen diagnostiziert haben. Auf dem Röntgenbild meines Schienbeinknochens ist der Stiefelabdruck eines Polizeistiefels zu erkennen, weil sie auf mich gesprungen sind.

Wie ist zu erklären, daß die Polizisten auf ein 17jähriges Mädchen losgehen?

Das waren Profis, die wie Maschinen nur nach Befehl handeln, weder Gefühl noch Empathie haben. Sie haben gesehen, daß ich engagiert bin und wollten mich gezielt fertigmachen, um mich einzuschüchtern, weiter auf Demonstrationen zu gehen. Sie haben das Gegenteil erreicht und uns die Augen geöffnet. Das Verhalten der Polizisten zeigt, daß der Staat bereit ist, das Aufheben der Grundrechte mit brutaler Gewalt durchzusetzen und fortzuführen.

Wolfgang Link vom geschäftsführenden Bezirksvorstand der Gewerkschaft der Polizei in Hessen hat gegenüber junge Welt behauptet, ihm seien keine Klagen bekannt. Wissen Sie von weiteren Gewaltorgien?

Ich selber war Augenzeugin bei einem weiteren Einsatz am Freitag, wo Polizisten beim Abräumen einer Blockade einem anderen 17jährigen Mädchen unter die Klamotten gegriffen haben – und sie an den Brüsten aus der Blockade herausgezogen haben.

Werden Sie Strafanzeige gegen die Polizisten stellen?

Ich glaube, daß Polizeibeamte vor Gericht höheres Ansehen genießen als eine Demonstrantin, die sich an einer verbotenen Blockupy–Blockade beteiligt. Ich erinnere an den Fall eines Gegendemonstranten am 3. März gegen einen Naziaufmarsch in Münster, den sechs Polizisten ins Koma prügelten – obendrein hat die Polizei ihn angezeigt, mit einer Glasflasche auf sie geworfen zu haben, obgleich das Humbug ist. Ich werde mich erst mal anwaltlich beraten lassen.

Quelle: www.jungewelt.de vom 23.05.12

Existenzbedrohend. Geheimdienst als Finanzzensor. Von Ulla Jelpke

Mittwoch, 23. Mai 2012 von Huste

Demokratisch nicht kontrollierbare Geheimdienste sollen künftig über die Gemeinnützigkeit von Vereinigungen entscheiden. Das sieht der Entwurf des Jahressteuergesetzes 2013 vor. Zahlreichen von den Verfassungsschutzämtern des Bundes und der Länder als »extremistisch« eingestuften Vereinigungen wären in ihrer Existenz bedroht, wenn ihre steuerliche Begünstigung entfiele und Spenden an sie nicht mehr absetzbar wären.

Schon früher wurde von den Verfassungsschutzberichten genannten Vereinen durch Finanzämter die Gemeinnützigkeit entzogen. Seit 2009 war dieses bislang informelle Vorgehen gesetzlich geregelt in Paragraph 51 der Abgabenordnung. Offiziell diente diese von der großen Koalition aus Union und SPD durchgewunkene Regelung der Bekämpfung des Neofaschismus – doch betroffen war auch die in mehreren Landesverfassungsschutzberichten als »linksextremistisch« diffamierte Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN-BdA). Aufgrund öffentlicher Proteste korrigierte das Mainzer Finanzamt vor einigen Monaten diese Entscheidung.

Kommt die Neuregelung durch, dann wäre in einem solchen Fall weder eine Ermessensentscheidung des Finanzamtes möglich, noch stünde der betroffenen Vereinigung der Rechtsweg durch eine Klage vor dem Finanzgericht offen. Unter Mißachtung der Gewaltenteilung wie auch des Föderalismus soll dann bereits die Auflistung in einem von 17 Verfassungsschutzberichten von Bund und Ländern zwingend zum Verlust der Gemeinnützigkeit führen. Gestrichen werden soll dafür im Gesetz nur das Wörtchen »widerlegbar«, so daß die bisherige Möglichkeit zur Entlastung einer gelisteten Organisation durch Beweislastumkehr entfiele. Nur noch eine Klage vor dem Verwaltungsgericht gegen die Geheimdienstlistung stände den Betroffenen dann noch offen. Wie mühsam das ist, zeigt das Beispiel der Antifaschistischen Informations- und Dokumentationsstelle AIDA aus München. Die wird seit 2008 vom bayerischen Verfassungsschutz als »linksextremistisch« gelistet und verlor deshalb ihre Gemeinnützigkeit. Obwohl der Verwaltungsgerichtshof im Jahr 2010 diese Einstufung aus Mangel an stichhaltigen Beweisen für unrechtmäßig erklärte, muß AIDA weiter gegen die bis heute andauernde Nennung in nachfolgenden VS-Berichten klagen – die Gemeinnützigkeit bleibt dabei weiterhin aberkannt.

Kürzlich hat ein sächsisches Gericht die Extremismusklausel für unrechtmäßig erklärt. Mit dieser verpflichtet die Bundesregierung bürgerschaftliche Projekte gegen Rechtsextremismus im Falle einer öffentlichen Förderung zur Überprüfung der Verfassungstreue ihrer Kooperationspartner. Gelernt hat die Bundesregierung aus dieser Rüge offenbar nichts, wenn sie jetzt die Rolle des Verfassungsschutzes als steuerrechtlicher Zensor ihr politisch unliebsamer Vereinigungen weiter stärken will.

Quelle: www.jungewelt.de vom 23.05.12

Massenprotest am Main. Von Daniel Behruzi, Frankfurt/Main

Montag, 21. Mai 2012 von Huste

Diese Runde geht an die Kapitalismuskritiker. »Wir haben alles gewonnen diese Woche«, stellte Roman Denter vom Netzwerk ATTAC zum Auftakt der »Blockupy«-Demonstration am Samstag in Frankfurt am Main fest. Trotz des Verbots aller Veranstaltungen im Vorfeld, trotz martialischen Polizeiaufgebots und angeblich drohender Gewaltexzesse waren rund 30000 Menschen in die Mainmetropole gekommen, um am Sitz der Europäischen Zentralbank (EZB) ihre Wut über die EU-Krisenpolitik zu zeigen. Während die Polizei zunächst von 20000 Teilnehmern und die Veranstalter von 25000 sprachen, korrigierten sich letztere nach der Abschlußkundgebung nach oben. Statt der von vielen Medien erhofften Krawallbilder konnten sie nur Aufnahmen einer vielfältigen und kreativen Großdemonstration verbreiten. Auch die Frankfurter Rundschau – die sich sonst darauf konzentrierte, die Organisatoren zur Distanzierung von vermeintlich drohender Gewalt aufzufordern – stellte in ihrem Blog fest: »Es ist die größte Demonstration, die Frankfurt in diesem Jahrtausend erlebt hat, sie ist bunt, laut und friedlich.«

Die linken Aktivisten in Deutschland hätten wohl »magische Fähigkeiten«, so der US-Autor Michael Hardt in seiner Rede. Sie hätten es geschafft, daß die Banker die Banken selbst dichtmachten und die Polizei die Straßen selbst blockiere. Am Vortag war das Geschäftsleben im Frankfurter Finanzdistrikt fast komplett zum Erliegen gekommen, da das gesamte Areal aus Furcht vor Demonstranten weiträumig abgesperrt worden war. Trotz Versammlungsverbots war es seit Mittwoch immer wieder zu Kundgebungen, Demonstrationen und Aktionen gekommen. »Die Repression zeigt deutlich: Wir sind hier in Frankfurt genau am richtigen Ort mit unseren Protesten«, sagte Anna Dohm von der »Interventionistischen Linken«. Der Versuch, die »Blockupy«-Aktionen zu kriminalisieren, belege die Nervosität der Regierenden. »In den Medien wird gesagt, wir seien gewalttätig, aber es ist das System, das gewalttätig ist«, sagte sie. Dies zeige sich besonders in der sozialen Verelendung weiter Teile der Bevölkerung Griechenlands als Folge der Politik der Troika aus EU-Kommission, EZB und Internationalem Währungsfonds, so der Tenor vieler Redebeiträge. Zentraler Kritikpunkt war die Rolle der BRD-Regierung bei der Durchsetzung der Kürzungsprogramme in Griechenland und anderswo. »Wir müssen weiter auf die Straße gehen gegen einen wiederaufkeimenden deutschen Nationalchauvinismus«, forderte Jochen Nagel von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Stuttgarts ver.di-Geschäftsführer Bernd Riexinger betonte: »Diese Länder sollen mit Spar- und Armutsprogrammen überzogen werden, ohne daß sie noch selbst entscheiden können, etwas anderes zu tun.« Es sei auch für die Gewerkschaften höchste Zeit, stärker internationale Solidarität zu üben.

»Die revoltierenden Griechen dürfen jetzt nicht alleingelassen werden«, appellierte die griechische Aktivistin Sonia Mitralias. Die beste Form der Solidarität sei Widerstand gegen die Austeritätspolitik auch in Deutschland. Den internationalen Charakter der Demonstration – an der Aktivisten aus Italien, Spanien, Belgien, Frankreich, Portugal und Österreich teilnahmen – betonte auch Arbi Kadri Regueb von der »Vereinigung der Arbeitslosen ohne Diplom« aus Tunesien: »In Spanien, Griechenland, Amerika – überall gibt es eine Bewegung für ein anderes System«. In Tunesien habe eine Massenbewegung zum Sturz der Diktatur geführt, »aber der Kampf für die Rechte der Arbeiter und gegen das kapitalistische System geht weiter«.

Quelle: www.jungewelt.de vom 21.05.12

DIE LINKE Ahrweiler gegen eine mögliche Privatisierung des TWIN. Von Wolfgang Huste

Freitag, 18. Mai 2012 von Huste

In den lokalen Printmedien wurde in einem Nebensatz geschrieben, dass die Stadt nach einem privaten Investor Ausschau hält, der ein neues Schwimmbad an anderer Stelle des TWIN aufbauen soll. „Wir von den Linken sagen schon heute prophylaktisch, bevor das Kind in den Brunnen fällt: DIE LINKE Bad Neuenahr setzt sich energisch dafür ein, dass das TWIN auch weiterhin öffentliches Eigentum bleibt!“, so Wolfgang Huste, Sprecher DIE LINKE Ahrweiler. Nach Ansicht der Linken führt eine Privatisierung des öffentlichen Eigentums zumindest mittelfristig immer zur Preiserhöhung, zu Entlassungen von Personal, dass dann – „wenn überhaupt“ – so Huste, gegen prekäres, also niedrig bezahltes Personal, ausgetauscht wird. Erfahrungsgemäß, so die Befürchtung der Linken, verschlechtert sich der Service, anfallende Reparaturen werden zum Beispiel gar nicht oder nur oberflächlich durchgeführt, um den Gewinn nicht zu schmälern.

Die Stadt Bad Neuenahr wird nach einer Privatisierung keinen Einfluss mehr haben auf die Eintrittspreise, auch nicht auf andere Faktoren, die mit dem TWIN in einem engen Zusammenhang stehen. Huste: „Eine Privatisierung des öffentlichen Eigentums führt faktisch zu einer freiwilligen Enteignung der Kommune und damit auch der Bürger!“. Marion Morassi, Sprecherin DIE LINKE Ahrweiler, ergänzt: „Ein Mega-Gau für die Bürger wäre es, wenn man das TWIN mittels eines PPP-Vertrages (= Public Private Partnership) finanzieren würde und man es zu einem so genannten „Spaßbad“ umfunktioniert. Dann explodieren erfahrungsgemäß die Eintrittspreise. Ärmere Bevölkerungskreise,
insbesondere junge Familien mit Kindern, können sich dann die hohen Eintrittspreise kaum oder gar nicht mehr leisten. PPP-Modelle laufen oftmals 15 bis 20 Jahre und sind von der Vertragsgestaltung für die Bürger völlig undurchsichtig, da deren Inhalt als Geheimsache der Vertragspartner behandelt wird. Hinzu kommen noch immense Kosten für „Beraterverträge“ und für Anwälte, die durchaus rund 10% des Verkaufspreises ausmachen können. Das Recht auf Einrede zugunsten der Kommune wird in diesen Verträgen in der Regel ausgeklammert. Bei PPP – Modellen wird nichts „partnerschaftlich“, erst recht nicht „transparent“ geregelt.“. Huste hat vor fünf Jahren in Königswinter eine Bürgerinitiative mitgegründet, die ein solches PPP- Projekt mit Erfolg verhindert hat. Dort sollte ein städtisches Schwimmbad zu einem „Spaßbad“ mit einem angegliedertem Hotelneubau mittels eines solchen Finanzierungsmodells umfunktioniert werden. Heute wird dieses Schwimmbad erfolgreich in Eigenregie eines Bürgervereins betrieben. Der Eintrittspreis ist für alle erschwinglich geblieben und kein Arbeitsplatz wurde gestrichen.

Versagen auf ganzer Linie. Ermittlungen gegen »NSU«: Untersuchungsbericht deckt schwere Versäumnisse von Polizei, Justiz und Verfassungsschutz in Thüringen auf. Von Sebastian Carlens, Erfurt

Mittwoch, 16. Mai 2012 von Huste

Die sogenannte Schäfer-Kommission hat am Dienstag in Erfurt ihr Gutachten zur Arbeit der Thüringer Behörden im Umgang mit der Zwickauer Terrorzelle »NSU« vorgelegt. Die von Bundesrichter a. D. Gerhard Schäfer geleitete Kommission wurde vor einem halben Jahr vom Landesinnenminister Jörg Geibert (CDU) eingesetzt, um Fehler bei Behörden und Justiz zu untersuchen. Untersucht werden sollten die Jahre 1998 bis Ende 2001, also die Anfangsjahre des »Nationalsozialistischen Untergrundes«.

Das Bild, das das Gutachten vom Wirken der Fahnder und Verfassungsschutzleute zeichnet, ist desaströs: »Gravierende Fehler« seien beim Thüringer Verfassungsschutz, aber auch bei Polizei und Staatsanwaltschaften festgestellt worden, teilte Innenminister Geibert mit. Volkhard Wache, Bundesanwalt außer Dienst und Mitglied der Kommission, schilderte zum Beispiel den Ablauf einer mißglückten Durchsuchungsmaßnahme, in deren Verlauf der mit Haftbefehl gesuchte Uwe Böhnhardt flüchten konnte. Zwei Stunden hätten die Polizisten allein auf die Feuerwehr gewartet, um ein Bügelschloß aufbrechen zu lassen. Durch eine Namensverwechslung eines Garageninhabers wurden zudem Böhnhardts Komplizen gewarnt. Im Verlauf der Operation tauchte das Neonazitrio ab. Es konnte erst 13 Jahre später aufgespürt werden.

An Hinweisen auf das Trio mangelte es nicht. Doch Schlamperei und Behördenwillkür verhinderten, daß die Angaben der V-Leute aus der Szene ausgewertet und genutzt werden konnten. »Sehr problematisch« sei die Arbeit des Landesamtes für Verfassungsschutz gewesen, sagte Schäfer. So hätten dessen Mitarbeiter die Eltern des flüchtigen Uwe Mundlos über eine gegen sie laufende Telefonüberwachung informiert. Zumindest sei »zweifelsfrei« festgestellt worden, daß das Amt keine Quellen innerhalb der Terrorzelle unterhielt, wie dies in Medienberichten häufiger kolportiert worden sei, teilte Schäfer mit.

Die Tätigkeit der Kommission soll nach Angaben Geiberts Auswirkungen auf die Arbeit des Verfassungsschutzes haben. Schäfer und seine Kommission sollen nun die aktuelle Arbeit des Inlandsgeheimdienstes unter die Lupe nehmen. »Wir wollen wissen, ob die Schwachstellen heute beseitigt sind«, sagte Geibert.

Quelle: www.jungewelt.de vom 15.05.12

Fast wie im Bürgerkrieg. Wenn es gegen Banken geht, versteht die Polizei keinen Spaß. Von Gitta Düperthal

Mittwoch, 16. Mai 2012 von Huste

Tausende Polizisten riegeln ab Mittwoch das Bankenviertel in Frankfurt am Main ab, jede öffentliche Versammlung und Meinungsäußerung sind dort untersagt, U- und S-Bahn-Stationen in der Innenstadt werden nicht mehr angefahren. Das Occupy-Camp unter der Europäischen Zentralbank (EZB) muß geräumt werden. Angesichts der bis Samstag geplanten Proteste gegen die EU-Krisenpolitik hat die schwarz-grüne Stadtregierung von Frankfurt am Main auf autoritäres Durchgreifen geschaltet. »Natürlich wird die U-Bahn am Willy-Brandt-Platz vor der EZB gesperrt, denn das ist genau die Ecke, wo die Polizeikette stehen wird«, sagte Thomas Scheben vom städtischen Presseamt zu junge Welt. »Wenn sich alle an diese Verbote halten, gibt es kein Problem.«

Davon ist jedoch nicht auszugehen. Auch wenn das örtliche Verwaltungsgericht das Verbot aller Versammlungen für Donnerstag und Freitag bestätigt hat: Das Blockupy-Bündnis aus ATTAC, Erwerbslosenforum Deutschland, Occupy und Interventionistischer Linker geht davon aus, daß noch nicht das letzte Wort gesprochen ist. »Wir halten an unseren geplanten Aktionen fest und empfehlen, sich zeitnah auf der Internetseite unter www.blockupy-Frankfurt.org zu informieren«, empfiehlt Roland Süß von ATTAC.

»Die Polizei malt ein Bedrohungsszenario aus, als ob morgen ein Bürgerkrieg beginnt«, kritisiert Martin Behrsing vom Erwerbslosenforum Deutschland. Die vom Gericht verfügte Auflage, die Großdemo am Samstag dürfe nur stattfinden, wenn »alle brav sind und es am Donnerstag und Freitag nicht zu Protesten kommt«, hält er für abenteuerlich. Spätestens das Bundesverfassungsgericht werde dieses Urteil kassieren.

Mittlerweile fast 100 Organisationen rufen zu »Blockupy Frankfurt« auf. Zunächst geht es ihnen um gewaltfreien Widerstand gegen eine Räumung am Mittwoch. Für Donnerstag fordert das Komitee für Demokratie und Grundrechte dazu auf, um 12.00 Uhr auf dem Paulsplatz dagegen zu protestieren, daß in Frankfurt die demokratischen Grundrechte außer Kraft gesetzt werden – aber auch diese Versammlung wurde bereits untersagt.

Ulrich Wilken von der hessischen Linkspartei fühlt sich »an Zustände in diktatorisch regierten Ländern« erinnert. Die friedenspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Christine Buchholz, findet die Reaktion der Stadt, die sogar ein Konzert des Liedermachers Konstantin Wecker verboten hat, »in höchstem Maße undemokratisch«. Sie wolle am Mittwoch morgen im Occupy-Camp dabei sein.

Der Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Jochen Nagel, kritisierte, wie in Griechenland und in Italien werde jetzt auch in Deutschland versucht, Bürgerrechte einzuschränken. Er halte daran fest, am Donnerstag auf öffentlichen Plätzen mit Gewerkschaftern aus anderen europäischen Ländern zu debattieren. Und er werde am Freitag mit Vertretern der Linkspartei über »Alternativen zur Krisenpolitik« diskutieren. Und Samstag werde er auf der Kundgebung der Großdemonstration sprechnen.

Der Sprecher des Friedensratschlags, Peter Strutynski, fühlt sich durch »die blindwütige Verbotspolitik der Stadt Frankfurt« »in fataler Weise an Zustände in der Ukraine oder Belarus« erinnert, die hierzulande ansonsten immer so gern lauthals kritisiert werden«. Das zeige, »wer in unserem Land wirklich das Sagen hat: Gegen die Regierung zu demonstrieren, ist noch erlaubt, wenn es aber gegen die Banken geht, hört jeder Spaß auf.«

Quelle: www.jungewelt.de vom 16.05.12

Gewerkschaften im Arbeitskampf stärken. Die Fraktion Die Linke will „Anti-Streik-Paragraph“ abschaffen

Montag, 14. Mai 2012 von Huste

Die Fraktion Die Linke hat die Bundesregierung in einem Antrag aufgefordert, das Dritte Sozialgesetzbuch so abzuändern, das „kalt ausgesperrte“ Arbeitnehmer wieder ein Recht auf Kurzarbeitergeld haben. Das würde besonders wirtschaftlich stark verflochtenen Branchen helfen.

In ihrem Antrag (BT-Drs. 17/9062 – (http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/090/1709062.pdf) verlangt die Fraktion Die Linke von der Bundesregierung, den Paragraph 160 (bis 31. März 2012: Paragraph 146) des Dritten Sozialgesetzbuches (SGB III) durch den früheren Paragraph 116 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) in der Fassung von 1969 zu ersetzen. Paragraph 160 SGB III regelt den Anspruch auf Arbeitslosengeld von Beschäftigten, die mittelbar von einem Arbeitskampf betroffen sind.

Die Linksfraktion kritisiert, dass durch die Gesetzesänderung 1986 das Kurzarbeitergeld für diese „kalt Ausgesperrten“ weggefallen sei. Damit sei den Arbeitgebern „neben der Aussperrung im Streikgebiet, der sogenannten heißen Aussperrung, ein weiteres Kampfmittel gegeben, um die Gewerkschaften in ihren Streikmöglichkeiten zu beschneiden“. Durch die gesetzliche Änderung wurde daher nicht, wie behauptet, das Neutralitätsgebot der heutigen Bundesagentur für Arbeit konkretisiert, sondern die Position der Arbeitgeber zu Lasten der Gewerkschaften gestärkt. Dies muss wieder rückgängig gemacht werden. „Kalt Ausgesperrte“ sollen wieder Kurzarbeitergeld erhalten. Laut Antrag ist besonders die IG Metall vom Paragraph 160 SGB III betroffen, da die von ihr organisierten Branchen stark wirtschaftlich verflochten seien.

Quelle: PM des Bundestages Nr. 207 vom 25.4.2012

Frankfurt, wir kommen! Mobilisierung für »Blockupy«-Aktionstage laufen auf Hochtouren. Protestbündnis und Linkspartei trotzen Demonstrationsverbot der Stadt. Gerichte müssen entscheiden. Von Gitta Düperthal

Montag, 14. Mai 2012 von Huste

Drohen, abschrecken, verbieten: Der demokratische Protest gegen die europaweite Verarmungspolitik soll offenbar mit nahezu allen Mitteln unterdrückt werden«, stellt Christoph Kleine von der Gruppe Interventionistische Linke fest. Denn auch bei der gerichtlichen Anhörung am Samstag zu den geplanten antikapitalistischen Aktionstagen vom 16. bis 19. Mai in Frankfurt am Main stellten sich die Vertreter der Versammlungsbehörde stur. Dabei sei es deren Aufgabe, »das verfassungsmäßige Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit zu ermöglichen, nicht es zu hintertreiben«, so Werner Rätz vom globalisierungskritischen Netzwerk ATTAC. Er hatte für »Blockupy Frankfurt« an der Anhörung am Verwaltungsgericht teilgenommen. Das Protestbündnis, bestehend aus ATTAC, Erwerbslosenforum Deutschland, Interventionistische Linke und Occupy Frankfurt, konstatierte im Anschluß: Die Stadt Frankfurt liegt auf einer Linie mit Bundesbankchef Jens Weidmann und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), die derzeit »den erpresserischen Ton verschärfen und mit einem Stopp der Finanzhilfen drohen«, wenn Griechenland die von Internationalen Währungsfonds (IWF) und der EU verordneten Sparprogramme ablehnt.

Die Richter werden voraussichtlich heute entscheiden; der juristische Kampf um das Demonstrationsrecht wird sich aber vermutlich durch alle Instanzen ziehen und letztlich erst vom Bundesverfassungsgericht entschieden. Zur Rechtfertigung des Verbotes hätten Vertreter von Stadt und Polizei ein regelrechtes Drohszenario entworfen, sagte Blockupy-Sprecherin Timeela Manandhar von der Grünen-Jugend. Sie kritisierte das Verhalten der schwarz-grünen Stadtregierung und des hessischen Innenministeriums als unverantwortlich. Ulrich Wilken, Landesvorsitzender der Partei Die Linke Hessen dazu: »Sie haben ein Horrorgewaltszenario ausgemalt, das jeder Grundlage entbehrt und einzig den Sinn hat, das grundgesetzwidrige Verbot zu begründen.«

Zu weiteren Formen der Kriminalisierung und Diskreditierung gehöre, daß die Frankfurter Polizei im Vorfeld der Blockupy-Proteste »Stadtverbote« für die vier Aktionstage gegen mehrere hundert Bürger aus dem gesamten Bundesgebiet, aber auch gegen Einwohner Frankfurts verhängt habe, hieß es bei einer Mobilisierungsveranstaltung am Samstag. Die per Post zugestellten Verfügungen umfaßten ein Aufenthaltsverbot im Bereich der Innenstadt, die Androhung von »unmittelbarem Zwang« sowie 2000 Euro »Zwangsgeld« bei Zuwiderhandlung. Betroffen seien unter anderem Teilnehmer der Demonstration am 31. März in Frankfurt, die weder angeklagt noch verurteilt seien, aber auch viele andere. Diese organisierten sich: »Widerspruch einlegen und Rote Hilfe kontaktieren! Wir lassen uns nicht einschüchtern! Jetzt erst recht nach Frankfurt!«

Auch Sahra Wagenknecht, erste stellvertretende Vorsitzende der Fraktion Die Linke im Bundestag, und Christine Buchholz, Mitglied im geschäftsführenden Vorstand der Partei, bekräftigen, weiterhin mit Tausenden für ein demokratisches, soziales und friedliches Europa demonstrieren zu wollen. Genauso wie »Blockupy«-Aktivisten europa- und bundesweit wollen sie weiter mobilisieren. Im Umlauf sind Flugblätter, die sowohl für Donnerstag, wenn in Frankfurt öffentliche Plätze besetzt werden, sowie für die Blockade der Europäischen Zentralbank am Freitag ein attraktives Kultur- und Politikprogramm verheißen. Einer der Höhepunkte: Konstantin Weckers Auftritt am Opernplatz.

Junge südeuropäische Aktivistinnen und Aktivisten berichteten am Samstag in der Mainmetropole: Die bevorstehenden europäischen Aktionstage in Frankfurt seien in Griechenland, Spanien und Italien Thema. »Wir wissen, daß diese Krise eine der härtesten der Geschichte ist«, sagte Daniel Nieto Bravo, Gewerkschafter und Aktivist aus Sevilla. Spanischen »Indignados« (Empörten) sei bewußt, nur in Solidarität mit den Bewegungen von unten aus ganz Europa sei zu erreichen, daß diese nicht auf dem Rücken der Ärmsten ausgetragen werde. »Uns kam es gerade recht, das Ganze jetzt auf die europäische Ebene zu heben und nicht im eigenen Saft zu schmoren«, so die studentische Aktivistin Shendi Vali aus dem linken Netzwerk Unicommon aus Rom. Etwa 300 Studierende, junge prekär Arbeitende und Migranten aus Rom seien beispielsweise mit Bussen nach Frankfurt unterwegs, Vertreter der kommunistischen Parteien kämen zur Großdemo am Samstag. Haris Trandafilidou von der griechischen Jugend von Synaspismos schilderte, welches Selbstbewußtsein es der Bewegung in Athen gegeben habe, als es ihr aus Europa entgegenschallte »Wir sind alle Griechen«. Europäische Solidarität sei ein wirksames Gegenmittel, wenn konservative Kräfte mit Chaos drohten, falls Banken nicht gerettet und das System aufrechterhalten werde.

www.blockupy-frankfurt.org

Quelle: www.jungewelt.de vom 14.05.12

Occupy-Camp für ­Protestzeit verboten

Samstag, 12. Mai 2012 von Huste

Frankfurt/Main/Berlin. Dem Verbot der Blockupy-Demonstrationen in Frankfurt am Main folgt ein vorübergehendes Verbot des Occupy Camps im Bankenviertel. Das bis 23. Mai angemeldete Zeltlager vor der Europäischen Zentralbank (EZB) werde für die Zeit vom 16. bis 20. Mai verboten, heißt in einer Verfügung des Ordnungsamts vom Freitag. Zudem darf das Camp nicht an einen anderen Ort verlegt werden. Die Aussetzung der Genehmigung entspricht fast genau dem Zeitraum der vom Blockupy-Bündnis geplanten Aktionstage vom 16. bis zum 19. Mai. Ein Sprecher des Camps betonte, man werde juristisch gegen das Verbot vorgehen.

Unterdessen hat nach Angaben des Berliner Bündnisses »12. Mai« das Verwaltungsgericht der Hauptstadt die 14tägige Dauermahnwache im Anschluß an den Sternmarsch am Samstag verboten. Man werde juristisch dagegen vorgehen.

(dapd/jW)

 

Quelle: www.jungewelt.de vom 12.05.12

Vernebelter Blick. Bilanz politisch motivierter Gewalt. Von Ulla Jelpke

Samstag, 12. Mai 2012 von Huste

Die jährliche Statistik über Politisch motivierte Kriminalität (PMK), die Bundesinnenminister Hans Peter Friedrich (CSU) gestern wieder vorgestellt hat, ist selbst ein Politikum. Das kann kaum überraschen. Kommunen haben kein Interesse an einer adäquaten Erfassung des faschistischen Gewaltspektrums in ihren Gemeindegrenzen; Landeskriminalämter und auch die Bundesregierung sind permanent bemüht, das Ausmaß der rechten Gewalt niedriger erscheinen zu lassen, als es ist.

Erst vor wenigen Wochen war wieder so ein Fall: Jemand hat einem anderen ein Hakenkreuz in die Frisur rasiert, damit der damit auf ein Volksfest geht – ein klarer Fall der Verwendung verfassungswidriger Kennzeichen und der Beihilfe dazu. Auch die Polizei hat keinen Zweifel daran, daß die Täter von der Rechtswidrigkeit ihres Tuns wußten. Aber: Die Tat wird der »sonstigen Kriminalität« zugeordnet.

Trotz solcher Manipulationen muß selbst Friedrich einräumen: Keine politische Richtung verübt so viele Straftaten und zugleich so brutale Gewaltattacken wie die Nazis. Aber weil ihm dieser Befund nicht paßt, beginnt er sogleich damit, ihn zu relativieren: Zum einen verharmlost er die Nazigewalt, in dem er die Zahl jener Menschen, die seit 1990 wegen »undeutschen« Aussehens, Verhaltens oder Denkens von Nazis ermordet worden sind, auf 60 herunterrechnet. Medien und zivilgesellschaftliche Initiativen gehen seit langem von 150 Opfern aus. Zum anderen behauptet er, trotz dieser nicht nur von dem Nazimördertrio »NSU« gezeichneten Blutspur, es sei der islamistische Terrorismus, »von dem nach wie vor die größte Gefährdung ausgeht«.

Friedrich zeigt damit, wie sein notorischer Unwille, den Islam als Teil der bundesrepublikanischen Gesellschaft zu akzeptieren, ihm selbst die Sicht auf die Wirklichkeit vernebelt. Der Katholik Friedrich kann sich die Konkurrenzreligion Islam nur als das Andere, Böse, vorstellen. Dadurch erklärt sich dann wohl auch, daß sein Ministerium, zu rassistischen und muslimfeindlichen Angriffen auf Moscheen befragt, eine extrem lückenhafte Auflistung vorlegt und etliche Angriffe »übersieht«. Die Volksverhetzer von Pro NRW werden dergleichen goutieren.

Ansonsten läßt der Minister keinen statistischen Trick aus, um »Linksextremisten« als die schlimmeren Schläger darzustellen. Vor allem auf die Polizei hätten sie es abgesehen, klagt er und fordert eine Initiative zur Ächtung von Gewalt. Es käme vielleicht auf einen Versuch an: Die Partei Die Linke könnte sich einer solchen Initiative anschließen. Wenn sie auch die Polizei erfaßt, die bekanntlich immer häufiger Pfefferspray gegen friedliche Demonstranten einsetzt, besonders gern auch bei passiven Sitzblockaden, und damit die Verletztenzahlen bei Antifaschisten in die Höhe treibt. Nur zählt die halt keiner, genausowenig wie diejenigen von Wasserwerfern und Schlagstöcken Getroffenen.

Quelle: www.jungewelt.de vom 12.05.12

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