Wolfgang Huste Polit- Blog

Tragödie statt Revolution. Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen – auch in der Ukraine: Dort sitzen dessen Vertreter mittlerweile in der Regierung. Die Linke sollte dies ernst nehmen. Von Ulla Jelpke

Montag, 10. März 2014 von Huste

In der Ukraine hat sich keine »demokratische, proeuropäische Revolution« vollzogen, sondern eine Tragödie. Der Sturz der – unzweifelhaft korrupten – Janukowitsch-Regierung hat zur Einsetzung einer ebenso unzweifelhaft korrupten Nachfolgeregierung geführt. Außenpolitisch ist das eindeutig ein Punktsieg der EU und der NATO gegen Rußland. Innenpolitischer Hauptsieger des Konfliktes sind indes faschistische Kräfte. Die Parteinahme des Westens gegen Janukowitsch und für die »vereinigte Opposition« hat dazu geführt, daß zum ersten Mal in der Geschichte der Ukraine Faschisten faktische (Mit-)Regierungsgewalt innehaben.

Das bedeutet eine Zäsur im Nachkriegseuropa, die vom Westen überwiegend ignoriert, aber auch von der Linkspartei bislang nicht genügend ernst genommen wird. Offensiv aufgegriffen wird diese Folge der Proteste nur von Rußland, dem dann stets »Propaganda« unterstellt wird. Auch für die Bundesregierung scheint die Machtübernahme durch Faschisten kein Problem darzustellen. Das ist insoweit konsequent, als sie schon im vergangenen Jahr daran gearbeitet hat, die ultrarechte Partei Swoboda auf europäischem Parkett einzuführen, etwa indem Faschistenchef Oleg Tjagnibok zum freundlichen Gespräch in die deutsche Botschaft eingeladen wurde. Während der Maidan-Proteste stand die Botschaft ständig in Kontakt mit Oppositionspolitikern. Im Februar 2014 ließ sich Außenminister Frank-Walter Steinmeier erstmals gemeinsam mit Tjagnibok ablichten. Dessen Partei stellt in der neuen Regierung den Vizepremier sowie die Minister für Umwelt und Landwirtschaft, außerdem den Generalstaatsanwalt. Bildungsminister ist der parteilose, aber ebenfalls Swoboda nahestehende Universitätsrektor der Kiewer Mohyla-Akademie.

Viel zu leise Töne kommen in diesem Zusammenhang von der Führung der Linkspartei. Beständig wird zum Dialog mit allen Akteuren und für eine friedliche Lösung aufgerufen. Das ist an sich nicht falsch, und doch fehlt die entschiedene Anklage der Faschisten. Es mangelt an der klaren Ansage, daß für faschistische Brandstifter, die sich auf Nazihelfer wie Stepan Bandera berufen, das gleiche gilt wie hierzulande: Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!

Zu den größten Problemen gehört das Fehlen einer linken Kraft in der Ukraine, die eine Lösungsperspektive zeigen könnte. Die Erwartung vieler Demonstranten auf dem Maidan, eine Annäherung an die EU zöge automatisch eine Zunahme von Wohlstand und Freiheit für alle nach sich, war unglaublich naiv. Bis heute gibt es keine linke Kraft, die diese Illusionen zerstreuen könnte. Janukowitsch selbst hat die Wunschvorstellungen befördert, indem er jahrelang die Annäherung an die EU propagierte und erst im allerletzten Moment die Reißleine zog. Brüssel seinerseits hat nicht gezögert, sich die Naivität der Maidan-Demonstranten zunutze zu machen und sie als Speerspitze gegen Janukowitsch zu verwenden.

Die von der Europäischen Union stetig ermunterte Protestbewegung wechselte im Lauf der Ereignisse ihren Charakter: Aus einer Demonstration für die Unterzeichnung des EU-Assoziierungsabkommens wurde eine, die offen zum Sturz der Regierung aufrief. Die von der Verfassung gezogenen Grenzen wurden dabei immer offener mißachtet. Radikalisierung und Militarisierung der Proteste gehen zu einem großen Teil auf die faschistischen »Unterstützer« des Maidan zurück. Die demokratischen Kräfte unter den Demonstranten haben von Anfang an Faschisten bei ihrem Widerstand gegen Janukowitsch und Co. geduldet. Diese sind mittlerweile von extremen Außenseitern zu einem gesellschaftlich breit akzeptierten Faktor avanciert.

Aber nicht nur Swoboda gelang der Sprung vom Westen in die Mitte der Ukraine. Das gilt auch für noch offener faschistische Organisationen wie etwa den »Rechten Sektor«. Dessen Fahnen waren auf dem Maidan bald unübersehbar, selbst instrumentalisierte Zeichen wie »Wolfsangeln« fanden ihren Weg nach Kiew. Der »Rechte Sektor« ist eine militante Kampfformation, die inzwischen über etliche tausend Anhänger verfügt, einige von ihnen mit militärischer Erfahrung. Diese Kräfte haben auf dem Maidan eine, wenn vielleicht nicht zahlenmäßige, so doch politische Dominanz gewonnen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätten die verbliebenen Demokraten auf dem Platz erkennen müssen, daß sie in extrem schlechter Gesellschaft sind. Es ist bekannt, daß eine kleine Minderheit auf dem Maidan Linke waren, die versuchten, das Geschehen mit emanzipatorischen Inhalten zu beeinflussen. Es ist offensichtlich, daß sie damit gescheitert sind.

Siehe auch www.antikapitalistische-linke.de

Quell: www.jungewelt.de ovm 10.03.14

Jagd auf Linke. Ukraine: Demonstrationen gegen neue Machthaber unmöglich. Kommunisten angegriffen und mißhandelt. Faschisten patrouillieren mit der Polizei. Von Susann Witt-Stahl, Kiew

Montag, 10. März 2014 von Huste
In dem am 21. Februar von den drei EU-Außenministern Frank-Walter Steinmeier, Laurent Fabius und Radoslaw Sikorski vermittelten Abkommen zwischen der damaligen Regierung und der Opposition in der Ukraine hatten sich die Anführer des »Maidan« verpflichtet, alle nichtstaatlichen Milizen zu entwaffnen. Das ist auch nach dem Sturz von Präsident Wiktor Janukowitsch einen Tag später bis heute nicht geschehen. Der Maidan im Zentrum von Kiew gleicht nach wie vor einem Heerlager. Auch an den Verkehrsknotenpunkten, vor dem Sitz des ukrainischen Parlaments und anderen wichtigen Gebäuden: Überall stehen behelmte und vermummte Kämpfer in voller Montur, ausgerüstet mit Eisenstangen und Baseballschlägern. Nicht wenige von ihnen tragen Pistolen und Revolver.

Die rot-schwarzen Fahnen mit der Aufschrift »Prawi Sektor« (Rechter Sektor) oder UNSO (Ukrainische Nationale Selbstverteidigung, der paramilitärische Arm der Partei Ukrainische Nationalversammlung) und die »Wolfsangeln«, die einige der Milizionäre auf gelben Armbinden spazieren tragen, lassen keinen Zweifel daran aufkommen: Es sind militante Rechte, die den öffentlichen Raum beherrschen.

Erst vor wenigen Tagen sei ein Mitglied der Kommunistischen Partei der Ukraine (KPU) bei einem Besuch in Kiew von Mitgliedern des Rechten Blocks festgehalten, zu dessen Basis verschleppt und dort zwei Tage lang übel mißhandelt worden, erklärte Sergej Kiritschuk von der revolutionär-marxistischen Organisation Borotba (Kampf) gegenüber jW. Erst auf beharrliches Drängen einer Frau, die auf dem Maidan als Freiwillige Sanitätsdienst leistete, sei der schwerverletzte Mann freigekommen, mit dem Zug nach Moskau und dort in ein Krankenhaus gebracht worden. Die Diagnose der dortigen Ärzte: diverse Rippenbrüche und eine Lungenverletzung.

Das Zentralkomitee der Borotba, die 2006 als KPU-Abspaltung entstanden war, hatte sich noch rechtzeitig vor den faschistischen Sturmtrupps in Sicherheit bringen können. Im Westen des Landes und in Kiew haben rechte Schläger bereits wenige Stunden nach dem Sturz von Janukowitsch in den Einrichtungen kommunistischer Organisationen gewütet. Viele der von den Hetzjagden betroffenen Linken hätten zunächst in Charkiw und Donezk Zuflucht gefunden, berichtete Kiritschuk, der die derzeitige Situation als »stabil schlecht« beschrieb. Diejenigen, die in Kiew geblieben seien, würden es vermeiden, sich in der Öffentlichkeit zu zeigen. Antifaschistische Proteste zu organisieren sei unmöglich. »Jede Demonstration mit einer roten Fahne würde sofort von faschistischen Gangs angegriffen werden«, so Kiritschuk.

»Europa versteht überhaupt nicht, was hier geschieht«, kritisierte er. Der Westen verharmlose das Problem. Die Ultranationalisten und Faschisten seien zwar eindeutig in der Minderheit. »Aber sie sind sehr straff organisiert, ideologisch gefestigt – und mittlerweile sind sie schwer bewaffnet«, gab er zu bedenken. »Sie treiben die ukrainische Gesellschaft nach rechts.«

In welchem Ausmaß das bereits gelungen ist, läßt eine Maßnahme erahnen, die der neue Innenminister Arsen Awakow, ein Vertrauter Julia Timoschenkos, angeordnet haben soll: »Die staatliche Polizei wird neuerdings auf ihren Patrouillen von sogenannten Selbstverteidigungskräften des Maidan begleitet«, berichtete Kiritschuk. »Das heißt, Rechte kontrollieren jetzt auch offiziell die Städte der Ukraine.«

Quelle: www.jungewelt.de vom 10.03.14

Krieg wird nicht für Frauenrechte geführt

Samstag, 08. März 2014 von Huste

Zum Internationalen Frauentag am 8. März erklärt Sabine Lösing, außen- und friedenspolitische Sprecherin der Linken im Europaparlament:

Wer Frauenrechte schützen will, muß Kriege verhindern. Denn Frauen sind die ersten Opfer von Krieg. Sexualisierte Gewalt wird in Konflikten als Waffe eingesetzt. Von den über anderthalb Millionen Flüchtlingen aus Syrien sind mehr als zwei Drittel Frauen und Kinder. Oft wird daraus gefolgert, den Frauenanteil in Armeen zu erhöhen. Dies führe zu Verbesserungen. Doch das ist ein fataler Irrtum. Denn Kriege sind grundsätzlich antiemanzipatorisch – egal wie hoch der Frauenanteil in den Streitkräften ist.

Strikt zivile Konfliktprävention und -bearbeitung ist der einzige Weg, um Frauen zu schützen. Doch eine solche Strategie fehlt sowohl bei der EU als auch der Bundesregierung. Dagegen werden westliche Militärinterventionen mit dem Schutz von Frauenrechten gerechtfertigt. Damit sind weiteren Militäreinsätzen Tür und Tor geöffnet.

Der Widerspruch, daß Frauen diejenigen sind, die unter Militäreinsätzen am meisten leiden, wird dabei geflissentlich übergangen. Die deutsche Afghanistan-Politik macht das deutlich. Obwohl der Einsatz mit dem Schutz der Frauen gerechtfertigt wurde, spielen zivile Frauenprojekte kaum eine Rolle: Laut der Organisation »Medica mondiale« entfallen drei Viertel der deutschen Ausgaben für Afghanistan auf militärische Zwecke, nur ein Viertel entfällt auf den zivilen Aufbau. Das Geld für Frauenprojekte beträgt ein Prozent der Gesamtausgaben. Das macht deutlich: Krieg wird nicht für Frauenrechte geführt.

Laßt uns am 8. März, dem Internationalen Frauentag, gemeinsam kämpfen! Gegen Militäreinsätze und für zivile Konfliktlösung! Für die Beseitigung der Konfliktursachen: Ungerechtigkeit, Armut, Ausbeutung – und das weltweit!

Quelle: www.jungewelt.de vom 08.03.14

Asylrecht weiter ausgehöhlt. Jeder dritte Flüchtling in Deutschland kommt aus einem anderen EU-Staat. Das »Dublin-System« versagt – und erweist sich dennoch als unmenschlich. Von Ulla Jelpke

Samstag, 08. März 2014 von Huste

Das sogenannte Dublin-System, das die Zuständigkeiten für Asylverfahren in der EU regeln soll, »funktioniert« nicht im Sinne der Regierungen – es hat aber dennoch fatale Folgen für betroffene Flüchtlinge.

Eigentlich sollen Asylverfahren immer in dem Land betrieben werden, das ein Flüchtling zuerst erreicht. Tatsächlich wird die »Dublin«-Regel aber immer seltener umgesetzt, obwohl der Anteil von Flüchtlingen, die aus einem anderen EU-Land nach Deutschland kommen, immer weiter steigt: Im Jahr 2012 waren es noch knapp 18 Prozent, im ganzen Jahr 2013 bereits 32 Prozent, und im vierten Quartal des vergangenen Jahres waren bereits 51,9 Prozent aller Asylantragsteller in Deutschland über ein anderes EU-Land eingereist. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion zurück. Festgestellt wird dies häufig durch einen Vergleich von Fingerabdrücken, die bei Flüchtlingen in jedem EU-Land obligatorisch genommen werden, oder durch Schilderungen der Flüchtlinge selbst.

Bei strikter Anwendung der »Dublin«-Regel müßte demnach mittlerweile jeder zweite Schutzsuchende wieder zurückgeschickt werden in jenes EU-Land, über das er gekommen ist. Das Bundesamt für Migration hat im vorigen Jahr 35280 sogenannte »Überstellungsersuchen« bei den entsprechenden EU-Regierungen gestellt. Am behördlichen Willen zum Hin-und-Herschieben von Flüchtlingen mangelt es in Deutschland nicht – aber es klappt nicht so wie gewollt: Lediglich 4741 Flüchtlinge wurden tatsächlich überstellt, also nur rund 13 Prozent. Die meisten der durchgeführten Überstellungen erfolgten nach Polen, betroffen waren davon vor allem russische Flüchtlinge aus Tschetschenien.

Diese »Ineffektivität« des »Dublin«-Systems ist aber nur scheinbar ein Segen für die Flüchtlinge selbst. Denn auch einer am Ende gescheiterten »Überstellung« geht in der Regel eine mindestens wochenlange Inhaftierung voraus, gegen die es kaum Rechtsmittel gibt. Insbesondere für jene, die in ihren Herkunftsländern oder auf der Flucht schwere Traumatisierungen erlitten haben, ist diese Behandlung unmenschlich, kritisierte am Freitag die Linksfraktion in einer Pressemitteilung.

Die Gründe für die relativ wenigen Überstellungen sind vielschichtig: Zum einen gab es in den letzten Jahren eine Reihe von Verwaltungsgerichtsentscheidungen, die eine Rückschiebung in bestimmte Länder verhinderten. Das betraf etwa Italien, Ungarn, Bulgarien, Malta und Zypern, weil die Richter dort eklatante Mängel im Asylsystem als erwiesen ansahen. Genau wegen der desolaten Lage, in die die Flüchtlinge dort geraten, fliehen sie schließlich weiter in andere EU-Länder. Nach Griechenland gibt es nach wiederholten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte überhaupt keine Überstellungen mehr. Andere Gründe liegen darin, daß die Aufnahmeländer »ihre« Flüchtlinge schlicht nicht annehmen wollen. Außerdem versuchen die Menschen, sich in ein anderes EU-Land in Sicherheit zu bringen, oder sie tauchen unter – was sie letztlich dazu zwingt, sich als rechtlose »Schwarzarbeiter« durchzuschlagen.

Menschen aus dem Westbalkan will die Bundesregierung künftig den Zugang zu einem ordentlichen Asylverfahren abschneiden. Ein Referentenentwurf des Bundesinnenministeriums sieht vor, Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina als »sichere Herkunftsländer« einzustufen. Diese Kategorie wurde 1993 eingeführt, als das Grundrecht auf Asyl radikal geschliffen worden ist. Asylanträge aus solchen Ländern gelten pauschal als »offensichtlich unbegründet«. Der Rechtsschutz gegen eine ablehnende Entscheidung ist stark eingeschränkt, nach einer Woche müssen die Flüchtlinge wieder ausreisen, ansonsten droht ihnen die Abschiebung.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege fordert dagegen, daß eine Einstufung zum sicheren Drittstaat unterbleiben müsse, »wenn auch nur Einzelfälle politischer Verfolgung anerkannt werden«. Das war im vergangenen Jahr immerhin noch bei rund 100 Schutzsuchenden aus Serbien und Mazedonien der Fall. Die meisten Flüchtlinge aus diesen Ländern sind Roma. Die Linksfraktion kritisierte, daß die Bundesregierung nur die formale Rechtslage, aber nicht die tatsächliche Situation und die massive Diskriminierung der Roma in diesen Ländern berücksichtige.

Quelle: www.jungewelt.de vom 08.03.14

Der Kampf ist nicht gewonnen

Samstag, 08. März 2014 von Huste

Die Rechte der Frauen müssen auf der Straße erkämpft werden. Daran hat sich seit über 100 Jahren nichts geändert. Ging es Clara Zetkin und Rosa Luxemburg noch um das Wahlrecht, sind die Probleme heute andere. Der Prozeß der Emanzipation dauert an, Gleichstellung ist längst nicht verankert. Allzu oft wird mit hohler Begrifflichkeit hantiert, die reale Diskriminierung kleingeredet. Der Internationale Frauentag darf nicht zum Ritual verkommen und bürgerlicher Reaktion überlassen werden. Klar, immer mehr Frauen sind in Deutschland berufstätig. Doch für welchen Preis? Prekäre Beschäftigung, Minijobs, patriarchale Hierarchien – das ist die alltägliche Ausbeutung, der Frauen unterworfen sind. Ein verfestigtes Gefüge, an dem nicht nur gerüttelt werden muß, es sollte endlich einstürzen. Eine am Freitag veröffentlichte Forsa-Umfrage im Auftrag der IG Metall besagt: 78 Prozent der Befragten bejahen, daß Frauen nicht »voll und ganz gleichgestellt« sind. »Der hohe Beschäftigungsgrad der Frauen in Deutschland ist ein Bluff«, erklärte das IG-Metall-Vorstandsmitglied Christiane Benner.

Erschreckender noch sind die Ergebnisse einer aktuellen EU-Studie. Ein Drittel aller Frauen in der EU hat demzufolge seit ihrer Jugend mindestens einmal körperliche oder sexuelle Gewalt erlebt. Die Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes beklagt zudem die »katastrophale Rechtslage vor allem bei sexualisierter Gewalt« in Deutschland. Weniger als ein Prozent der Täter werde verurteilt.

Millionen von Mädchen und Frauen weltweit können nicht selbst über ihre Sexualität, über Verhütung und Fortpflanzung bestimmen. Ausgehebelt ist ein grundlegendes Menschenrecht, die Unterdrückung allgegenwärtig. Ein breites Bündnis ruft für den 8. März um 13 Uhr zur Demonstration in Berlin-Gesundbrunnen auf. Die beteiligten Initiativen wollen eine neue feministische Offensive organisieren. Das ist bitter nötig. Denn der Frauentag muß mit Leben erfüllt sein. Nur so läßt sich überwinden, was allzu viele für selbstverständliche Gegebenheit halten. (mme)

Quelle: www.jungewelt.de vom 08.03.14
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Wer gab den Schießbefehl? Abgehört und ins Internet gestellt: Telefongespräch zwischen dem estnischen Außenminister Urmas Paet und der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton

Freitag, 07. März 2014 von Huste
junge Welt dokumentiert das Telefongespräch zwischen dem estnischen Außenminister Urmas Paet und der Hohen Vertreterin der EU für Außenpolitik, Catherine Ashton. Das Gespräch fand am 26. Februar, einen Tag nach Paets Besuch in Kiew, statt, es wurde abgehört und am 5. März ins Internet gestellt. Seine Authentizität wurde von Minister Paet bestätigt, Ashton wollte sich nicht dazu äußern (siehe jW vom 6. März). Paets Informationen zufolge verstärkt sich der Verdacht, daß Demonstranten und Polizisten auf dem Maidan von ein- und denselben Scharfschützen erschossen wurden, hinter denen nicht, wie in den westlichen Medien berichtet, der inzwischen entmachtete Präsident Wiktor Janukowitsch stand, sondern Mitglieder der neuen prowestlichen Regierungskoalition, zu der auch Faschisten gehören. Das Internetportal weltnetz.tv veröffentlichte das Gespräch als Videodatei unterlegt mit deutschen Untertiteln (weltnetz.tv/video/532).

Ashton: Hallo, wie geht’s?

Paet: Gut, und Ihnen?

Ashton: Gut, gut, ich wollte nur hören, was Sie dort gesehen haben.

Paet: Ich bin schon gestern Nacht zurückgekommen, nach einem Tag.

Ashton: Welche Eindrücke?

Paet: Starke Eindrücke. Ich habe Vertreter der Partei der Regionen getroffen, auch der neuen Koalition und der Zivilgesellschaft. Da ist diese Dame mit Namen Olga, die Leiterin der Ärzte … Sie kennen sie?

Ashton: Ja, ich kenne sie.

Paet: Nun, mein Eindruck ist, daß es kein Vertrauen gibt, auch nicht in die Politiker, die jetzt in die Koalition zurückkehren. Die Leute vom Maidan und aus der Zivilgesellschaft sagen, sie kennen alle, die in der neuen Regierung sein werden. All diese Typen haben eine schmutzige Vergangenheit. Sie haben Angebote gemacht an Olga und einige andere aus der Zivilgesellschaft, in die neue Regierung einzutreten. Aber diese Olga zum Beispiel sagt, daß sie nur in die Regierung geht, wenn sie ihr Team, ausländische Experten, mitbringen kann, um wirkliche Gesundheitsreformen zu beginnen.

Es gibt also sehr wenig Vertrauen. Und auf der anderen Seite, all die Sicherheitsprobleme, die Integrationsprobleme, die Krim und all das Zeug. Die Partei der Regionen ist total entrüstet. Sie akzeptieren jetzt, daß es eine neue Regierung geben wird und außerordentliche Wahlen. Aber es gibt großen Druck auf die Abgeordneten des Parlaments. Ungebetene Gäste besuchen nachts Parteimitglieder. Einige Journalisten, die mich begleiteten, haben tagsüber gesehen, wie ein Abgeordneter vor dem Parlamentsgebäude zusammengeschlagen wurde von diesen Typen mit Gewehren auf der Straße.

Der ganze Schlamassel ist noch da. Leute wie diese Olga aus der Zivilgesellschaft sind sich absolut sicher, daß die Menschen die Straße nicht verlassen werden, bevor sie nicht sehen, daß wirkliche Reformen beginnen. Der Regierungswechsel ist nicht genug. Das ist der wichtigste Eindruck.

Aus der Sicht der EU und der estnischen Regierung sollten wir bereit sein, das Finanzpaket zu schnüren – auch zusammen mit anderen. Wir brauchen eine klare Botschaft, daß es nicht genügt, die Regierung zu wechseln, sondern wirkliche Reformen, echte Aktionen, um das Vertrauen zu stärken. Ansonsten wird es schlimm enden.

Die Partei der Regionen sagte auch, nun, Sie werden sehen, daß die Leute aus dem Osten der Ukraine aufwachen und ihre Rechte einfordern werden. Einige sagten, sie waren in Donezk, und Leute dort sagen, wir können nicht warten, wie lange die Okkupation der Ukraine noch anhalten soll in Donezk. Das ist wirklich eine russische Stadt, und wir möchten, daß Rußland übernimmt … Eindrücke in Kürze.

Ashton: Sehr, sehr interessant. Ich hatte gerade ein großes Treffen hier mit Olli Rehn und den anderen Kommissaren, um darüber zu sprechen, was wir tun können. Wir arbeiten an einem Finanzpaket, kurz-, mittel- und langfristig. Wie wir dort schnell Geld hineinschaffen können, wie wir den IWF unterstützen können und wie wir Investmentpakete und Wirtschaftsführer bekommen etc. Auf der politischen Ebene haben wir aussortiert, welche Mittel wir haben, und ich habe der Zivilgesellschaft ein Angebot gemacht und Jazenjuk und Klitschko und allen anderen, die ich gestern traf. »Wir können euch Leute anbieten, die wissen, wie man politische und wirtschaftliche Reformen durchführt. Die Länder, die der Ukraine am nächsten sind, haben dramatische politische und wirtschaftliche Reformen durchgemacht. Wir haben große Mengen an Erfahrungen, die wir euch gerne geben können.«

Ich habe den Leuten auf dem Maidan gesagt: »Ihr wollt echte Reformen, aber ihr müßt erst das Kurzfristige machen. Ihr müßt Wege finden, wie ihr einen Prozeß beginnen könnt, um Antikorruption ins Zentrum zu stellen, mit Leuten zusammenarbeiten bis zu den Wahlen und ihr auf den Prozeß vertrauen könnt.« Und ich habe Olga gesagt, »vielleicht werden Sie nicht gleich Gesundheitsministerin, aber Sie sollten sich überlegen, in der Zukunft Gesundheitsministerin zu werden. Denn Leute wie Sie werden gebraucht, um sicherzustellen, daß das alles passiert.« Aber ich habe ihnen auch gesagt, »wenn ihr jetzt nur die Gebäude verbarrikadiert und die Regierung funktioniert nicht, dann können wir kein Geld hineinschaffen. Wir brauchen einen Partner, mit dem wir handeln können.«

Paet: Absolut.

»Es gibt sehr wenig Vertrauen« Urmas Paet

»Es gibt sehr wenig Vertrauen« Urmas Paet
Foto: EPA/ – dpa – Bildfunk

Ashton: Und ich sagte zu den Oppositionsführern, die sicherlich die Regierung stellen werden: »Sie müssen auf den Maidan zugehen, Sie müssen sich mit ihm einlassen. Sie müssen wieder normale Polizisten auf die Straße bringen, mit einem neuen Gefühl ihrer Rolle, damit die Menschen sich sicher fühlen.« Ich habe zu den Leuten der Partei der Regionen gesagt: »Sie müssen Blumen dort hinlegen, wo Menschen gestorben sind. Sie müssen zeigen, daß Sie verstehen, was Sie – was hier passiert ist. Was Sie hier erfahren, ist die Wut der Leute, die gesehen haben, wie Janukowitsch lebte und die Korruption. Und sie denken, daß Sie alle gleich sind. Und das sind Leute, die Menschen verloren haben, und sie denken, daß er das befohlen hatte.« Es gibt viel Betroffenheit in der Stadt. Traurigkeit und Betroffenheit. Und das wird sich in seltsamer Weise äußern, wenn sie nicht vorsichtig sind. Ich denke, wir müssen an all dem arbeiten. Ich hatte ein großes Treffen hier heute, um das alles einzuleiten. Ja, Ihre Beobachtungen sind sehr interessant.

Paet: In der Tat der einzige Politiker, den die Leute der Zivilgesellschaft positiv erwähnen, ist Poroschenko.

Also er genießt so eine Art Vertrauen bei all diesen Maidan-Leuten. Und was in der Tat sehr beunruhigend war, diese gleiche Olga sagte, daß alle Indizien darauf hinweisen, daß Menschen, die von Scharfschützen auf beiden Seiten getötet wurden, Polizisten und Demonstrierende, daß es die gleichen Scharfschützen waren, die Leute auf beiden Seiten erschossen.

Sie zeigte mir dann auch ein paar Fotos und sagte, daß sie als Ärztin sagen kann, daß es die gleiche Handschrift ist, die gleiche Art von Munition, und es ist wirklich besorgniserregend, daß die neue Koalition nicht gewillt ist zu untersuchen, was genau passiert ist. Somit wird der Verdacht verstärkt, daß hinter den Scharfschützen nicht Janukowitsch stand, sondern jemand aus der neuen Koalition.

Ashton: Ich denke, wir wollen untersuchen. Ich meine, ich wußte das nicht, das ist interessant, meine Güte …

Paet: Es war sehr beunruhigend, daß wenn das jetzt beginnt, ein starkes Eigenleben anzunehmen, daß es schon von Anfang an diese neue Koalition in Mißkredit bringt.

Ashton: Ich denke, davor müssen sie sich auch hüten. Sie müssen große Änderungen fordern, aber sie müssen die Rada auch arbeiten lassen. Wenn die Rada nicht funktioniert, dann gibt es totales Chaos. Also, Aktivist und Arzt zu sein ist sehr wichtig, aber es bedeutet nicht, daß man Politiker ist. Sie müssen sich irgendwie damit arrangieren für die kommenden Wochen, wie das Land tatsächlich regiert werden kann. Und dann kommen wir zu den Wahlen, und Dinge können sich ändern. (…) Ich werde nächste Woche wieder dorthin gehen, wahrscheinlich am Montag.

Paet: Es ist wirklich sehr wichtig, daß sich nun Leute aus Europa und aus dem Westen dort zeigen, damit es absolut…

Ashton: Nun, Miroslaw wird mit der Visegrad-Gruppe am Freitag kommen, William Hague am Sonntag und ich am Montag.

Paet: Ich hörte, daß auch der kanadische Minister am Freitag kommt, und wir haben William Burns gestern in Kiew getroffen …

Ashton: Ich wußte nicht, daß er kommt … Okay, mein Freund. Gut, mit Ihnen zu sprechen.

Paet: Danke für Ihre Anmerkungen. Gute Reise nach Australien.

Ashton: Was?

Paet: Genießen Sie Australien.

Ashton: Ich habe die Reise aufgeschoben, denn ich gehe statt dessen in die Ukraine …

Übersetzung: Doris Pumphrey/weltnetz.tv

Quelle: www.jungewelt.de vom 07.03.14

 

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Reaktionäre und arbeiterfeindliche politische Kräfte

Donnerstag, 06. März 2014 von Huste

Erklärung des Weltgewerkschaftsbunds (WFTU) zur Lage in der Ukraine:

Der Weltgewerkschaftsbund informiert die internationale Arbeiterklasse, daß die jüngsten Entwicklungen in der Ukraine kein »Sieg der Demokratie« sind, wie es die NATO, die Europäische Union, die USA und ihre Verbündeten verlogen behaupten.

Die jüngsten Entwicklungen in der Ukraine sind eine gefährliche Entwicklung zuerst und vor allem für die Arbeiterklasse der Ukraine, die Völker der Region und den Weltfrieden.

Die Ukraine ist ein reiches Land mit großen, Wohlstand schaffenden Ressourcen. Sie ist ein Land mit entscheidenden Energiepipelines, ein Land mit einer wichtigen Position auf der geostrategischen Landkarte.

Die neue ukrainische Regierung, die aus reaktionären und arbeiterfeindlichen politischen Kräften besteht, hat die Macht mit Unterstützung der US-Imperialisten und ihrer Verbündeten übernommen. Die neue Regierung ist eine Marionette der Imperialisten, die sie eingesetzt haben, um bestimmte geopolitische und geostrategische Pläne umzusetzen.

Zugleich bestätigen die Ereignisse in der Ukraine, daß Nazi- und Neonaziorganisationen Instrumente des kapitalistischen Systems und Feinde der Arbeiterklasse und der Volksschichten sind. Die internationale klassenorientierte Gewerkschaftsbewegung erklärt ihre internationalistische Solidarität mit den in der Ukraine lebenden Arbeitern. Sie unterstützt das Recht der in der Ukraine lebenden Arbeiter, gegen die kapitalistische Barbarei und gegen die durch die Rivalität zwischen USA/Europäischer Union und Rußland entstandenen Gefahren zu kämpfen.

Übersetzung: www.redglobe.de
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Ukraine im Infokrieg. Vom Westen unterstützte Regierung in Kiew blockiert Empfang russischer Sender. Telefonat mit EU-Außenbeauftragter Ashton belastet Janukowitsch-Gegner. Von Reinhard Lauterbach und Rüdiger Göbel

Donnerstag, 06. März 2014 von Huste

Gespräche über die Krim-Krise: US-Außenminister

Gespräche über die Krim-Krise: US-Außenminister Kerry (2. v. r.) und sein russischer Amtskollege Lawrow (Mitte) am Mittwoch beim französischen Präsidenten Hollande (l.)
Foto: REUTERS/Alain Jocard/Pool

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) wird eine Beobachtermission auf die Krim schicken. Sie ist aus Militärs aus 15 Mitgliedsstaaten zusammengesetzt und soll unter anderem klären, welchen Aktivitäten das russische Militär auf der Halbinsel nachgeht. Nach russischer Darstellung befinden sich die Soldaten der Schwarzmeerflotte in ihren Stützpunkten. Die ukrainische Seite behauptet, vom Festland herangeführte russische Truppen belagerten weiterhin ukrainische Militärbasen und Dienststellen. So sei der Grenzposten in Kertsch am Ostende der Krim von 100 Soldaten umstellt. Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu bezeichnete im Internet kursierende Aufnahmen, auf denen Soldaten zugeben, aus Rußland zu sein, als Provokationen.

Im Internet sorgt derweil ein geleaktes Telefonat für Furore: In dem mitgeschnittenen Gespräch unterhalten sich die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton und der estnische Außenminister Urmas Paet am 26. Februar auch über die Toten bei den Auseinandersetzungen auf dem Maidan in Kiew. Der Minister berichtet, ihm sei von einer Ärztin auf dem Platz gesagt worden, daß die Opfer auf seiten der Polizei und der Demonstranten von denselben Tätern erschossen worden seien und daß die neue Regierung die Vorfälle bislang nicht untersuche. Laut Paet verbreite sich die Einschätzung, daß nicht – der inzwischen entmachtete – Präsident Wiktor Janukowitsch dahinter stecke, sondern »jemand aus der neuen Koalition«. Paet zufolge ist das Vertrauen in die neue Führung in Kiew gleich null. Laut Stimme Rußlands hat der Minister das Telefongespräch bestätigt, sich zum Inhalt aber nicht weiter geäußert. Äußerst bedauernswert sei, »daß es so ein Abhören gegeben hat«.

Als Bestandteil des Informationskrieges will die von der EU und den USA unterstützte neue ukrainische Regierung den Empfang russischer Sender über die Kabelnetze des Landes blockieren lassen. Ausgerechnet ihr Beauftragter für die »Redefreiheit«, Mikola Tomenko, begründete dies damit, daß die Sender systematisch Falschinformationen verbreiteten. Auch der Chef der faschistischen Freiheitspartei, Oleg Tjagnibok, forderte, den »ukrainischen Informationsraum« von russischen Programmen zu säubern. Das dürfte im Ostteil des Landes auf weiteren Unmut stoßen, auch wenn die prorussischen Demonstrationen der letzten Tage abgeflaut sind und die Polizei inzwischen die Besetzung der Regionalverwaltung in Donezk durch Demonstranten beendet hat. Abgeordnete der Vaterlandspartei von Julia Timoschenko brachten derweil einen Gesetzesentwurf ins Parlament in Kiew ein, der NATO-Mitgliedschaft der Ukraine zum Ziel hat.

Die EU verhängte am Mittwoch Sanktionen gegen 18 hohe Beamte der entmachteten Janukowitsch-Regierung und den aus dem Amt geputschten Präsidenten selbst. Sie sollen keine Visa mehr bekommen, und ihre Konten werden gesperrt. In der Frage von Sanktionen gegen Rußland wegen der Krim-Krise ist die Position der EU-Staaten nach wie vor uneinheitlich. Differenzierungen sind insbesondere auch in Osteuropa zu beobachten. So hält sich Lettland merklich zurück. Die dortige Regierung setzt auf den Finanzplatz Riga, der wesentlich von russischem und ukrainischem Fluchtgeld gespeist wird. Polen fährt eine Doppelstrategie: einerseits wortmächtige Verurteilungen Rußlands in Politik und Presse; andererseits hat Ministerpräsident Donald Tusk angekündigt, nur im EU-Geleitzug zu agieren.

Quelle: www.jungewelt.de vom 06.03.14
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Kampf um die Krim. Russen entwaffnen Ukrainer – Kiew ruft Generalmobilmachung aus. Moskau: Westen unterstützt illegitimes Regime. Von Reinhard Lauterbach

Montag, 03. März 2014 von Huste

Auf der Krim haben russische Truppen am Wochenende etliche ukrainische Militäreinheiten entwaffnet. Eine Meldung der russischen Nachrichtenagentur RIA vom Mittag behauptete, es gebe auf der Krim keine handlungsfähigen ukrainischen Verbände mehr. Ukrainische Quellen halten dagegen, in einer Basis bei Simferopol habe sich der ukrainische Kommandeur geweigert, eine Entwaffnung zu akzeptieren. Die russische Seite versuchte offenbar nicht, sie zu erzwingen.

Unklar ist, in welchem Umfang das russische Angebot an ukrainische Polizisten und Militärs zum Überwechseln angenommen wurde. Russische Quellen berichteten, solche Übertritte gebe es »in Massen«; von ukrainischer Seite wurde dies dementiert. Festzustehen scheint, daß zahlreiche Angehörige der aufgelösten ukrainischen Sonderpolizeieinheit Berkut in russische Dienste übertreten. Im russischen Konsulat in der Krim-Hauptstadt Simferopol wurden im Eilverfahren russische Pässe an die Ukrainer ausgegeben. Ehemalige Berkut-Soldaten haben an den Straßen zwischen der Krim und dem ukrainischen Festland Straßensperren errichtet. Journalisten werden angeblich nicht durchgelassen. Der Flughafen von Simferopol funktioniert dagegen offenbar normal.

In Kiew beschloß die Regierung die Generalmobilmachung und berief alle Reservisten zum Dienst ein. Der als »Präsident« amtierende Olexander Turtschinow sprach in einer Fernsehansprache von einer »unprovozierten Aggression« Rußlands gegen die Ukraine. Er rief das ukrainische Militär auf, sich nicht auf Schußwechsel mit russischen Truppen einzulassen. Der Aufruf entspricht einerseits dem realen Kräfteverhältnis, hat andererseits aber eine propagandistische Dimension. Denn gleichzeitig versuchen die Kiewer Machthaber alles, um den Konflikt um die Krim zu internationalisieren. So riefen sie UN und EU auf, Beobachter ins Land zu schicken und bei der Bewachung von Atomkraftwerken und ähnlichen Anlagen zu helfen. Auch die NATO erhielt von Kiew eine Bitte um »brüderliche Hilfe«. Die Außenminister des Bündnisses wollten sich noch am Sonntag zu einer Sondersitzung treffen.

Zwei Debatten des UN-Sicherheitsrates zur Lage in der Ukraine blieben am Wochenende ohne Ergebnis. Westliche Vertreter riefen Moskau auf, die Lage zu entspannen und seine Truppen in die Kasernen zurückzuschicken. US-Präsident Obama telefonierte 90 Minuten lang mit seinem russischen Kollegen Putin und drohte ihm mit »schwerwiegenden Konsequenzen«. Rußland warf dem Westen vor, in Kiew ein illegitimes Regime zu unterstützen, das die Rechte der russischsprachigen Bevölkerung in der Ostukraine unterdrücke. Eine indirekte Bestätigung hierfür kommt aus Kiew. Ein Pressesprecher von »Präsident« Turtschinow kündigte an, dieser werde sein Veto gegen das diskriminierende Sprachgesetz einlegen, das das Parlament in den ersten Tagen der Machtergreifung verabschiedete. Das Gesetz hat offenbar dazu beigetragen, die bisher weitgehend passiven russischsprachigen Ukrainer gegen die neue Macht zu mobilisieren.

Am Freitag und Samstag hatte es in mehreren Städten der Ost- und Südukraine prorussische Demonstrationen gegeben. In Charkiw eroberten etwa 5000 Demonstranten einige staatliche Verwaltungsgebäude zurück, die zuvor von Anhängern des »Euromaidan« besetzt worden waren. Anschließend holten die Besetzer die ukrainischen Flaggen ein und setzten russische.

Quelle: www.jungewelt.de vom 03.03.14
Category: Blog | Kommentare deaktiviert für Kampf um die Krim. Russen entwaffnen Ukrainer – Kiew ruft Generalmobilmachung aus. Moskau: Westen unterstützt illegitimes Regime. Von Reinhard Lauterbach

Gezielte Provokation. Venezuela: Agenten der Geheimpolizei SEBIN verhaftet. Verwicklung von Beamten in Gewalt ­erinnert an Putschversuch 2002. Von André Scheer

Freitag, 28. Februar 2014 von Huste

In Venezuela sind am Montag fünf Beamte des Nationalen Bolivarischen Nachrichtendienstes (SEBIN) unter Mordvorwurf festgenommen worden. Sie sollen in den Tod von Bassil Da Costa und Juan Montoya verwickelt sein, hieß es dazu in einer am Mittwoch (Ortszeit) verbreiteten Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft in Caracas. Die beiden jungen Männer waren am 12. Februar am Rande einer Oppositionsdemonstration erschossen worden – offenbar aus derselben Waffe, wie erste Untersuchungen ergaben. Allerdings war Juan »Juancho« Montoya ein Mitglied der linken Basisgruppe »Widerstandsfront Tupamaro« aus dem Stadtviertel 23 de Enero – einer Hochburg der Regierungsanhänger –, während Da Costa oppositionelle Studentenvereinigungen unterstützte. Der Mörder der beiden so unterschiedlichen Männer hatte seine Opfer also offensichtlich nicht wegen ihrer politischen Orientierung ausgesucht – oder bewußt nach Zielen aus beiden Richtungen gesucht.

Kurz nach dem Tod der beiden hatte die Tageszeitung Últimas Noticias Fotos und Videoaufnahmen ins Internet gestellt, die eine Verwicklung des SEBIN in die Vorfälle nahelegten. Auch Staatspräsident Nicolás Maduro hatte eingeräumt, daß die Beamten sich am Tatort aufgehalten hätten. Damit hatten sie gegen seine Anordnung verstoßen, daß die Angehörigen dieser politischen Polizei nicht ausrücken durften. Wenige Tage darauf hatte er SEBIN-Chef Manuel Gregorio Bernal Martínez von seinem Posten abberufen.

Erinnerungen an 2002

Mit der Festnahme der fünf Beamten am Montag sitzen bereits acht Angehörige des SEBIN in Haft, nachdem drei schon wenige Tage nach den Ereignissen festgenommen worden waren. Die mutmaßliche Verwicklung der Behörde in die Unruhen weckt düstere Erinnerungen. Schon für den Putsch am 11. April 2002 gegen Hugo Chávez hatten Polizisten den Vorwand geliefert. Beamte der damaligen, unter dem Befehl des Oppositionellen Alfredo Peña stehenden Hauptstadtpolizei Policía Metropolitana hatten damals sowohl auf Unterstützer als auch auf Gegner der Regierung das Feuer eröffnet. 19 Menschen wurden getötet, verantwortlich dafür gemacht wurde von den privaten Fernsehsendern umgehend Hugo Chávez. Das diente dem Oberkommando als Begründung für den Staatsstreich.

Auch die Wurzeln des SEBIN sind wenig vertrauenserweckend. Er ging 2009 aus der 1969 gegründeten »Nationalen Direktion der Präventions- und Nachrichtendienste« (DISIP) hervor. Diese politische Geheimpolizei hatte hauptsächlich dem Kampf gegen die Guerilla und andere linke Organisationen gedient. Zu ihren Chefs gehörte etwa der heute unbehelligt in Miami lebende CIA-Terrorist Luis Posada Carriles, dessen Auslieferung Venezuela wegen Folterungen an politischen Gefangenen und wegen seiner Verantwortung für den Bombenanschlag auf ein kubanisches Verkehrsflugzeug seit Jahren betreibt. Bei dem Attentat 1976 waren 73 Menschen getötet worden. Der daraufhin in Venezuela inhaftierte Posada Carriles konnte 1985 mit Hilfe der CIA aus dem Gefängnis fliehen.

War das Verhalten der SEBIN-Agenten also eine gezielte Provokation? Der Tod der zwei jungen Männer und eines weiteren mehrere Stunden später war für die rechte Opposition in Venezuela der Anlaß, der Regierung eine brutale Unterdrückung »friedlicher Demonstranten« vorzuwerfen. Doch so friedlich waren die Proteste schon am 12. Februar nicht, denn kurz nach Abschluß der damaligen Kundgebung versuchten militante Regierungsgegner, das Gebäude der Generalstaatsanwaltschaft zu stürmen. Seither reißt die Serie gewaltsamer Proteste vor allem kleinerer Gruppen, die immer wieder brennende Barrikaden errichten, nicht ab. Von diesen in Venezuela »Guarimbas« genannten Provokationen distanzieren sich inzwischen sogar gemäßigte Oppositionspolitiker. So erklärte Leopoldo Puchi, einer der führenden Köpfe der rechtssozialdemokratischen Partei »Bewegung zum Sozialismus« (MAS), am Mittwoch, Straßenschlachten seien keine friedlichen Demonstrationen und müßten sofort beendet werden, »das ist die Verantwortung der politischen Kräfte der Opposition«. Diese hätten sich bislang nicht eindeutig genug von den Ausschreitungen distanziert. Tatsächlich hatten der inzwischen festgenommene Politiker Leopoldo López von der Rechtspartei »Volkswille« (VP) und die parteilose Abgeordnete María Corina Machado die Ausschreitungen sogar offen unterstützt. Auf ihrer Homepage jubelte Machado etwa: »Wieviel haben wir in diesen Tagen doch erreicht. Das Volk auf der Straße hat seine eigene Kraft und das Ausmaß unserer Kampfentschlossenheit erkannt.« Ziel sollten nicht nur einzelne Zugeständnisse des »Regimes« sein, sondern der »politische Wechsel«.

Diese Orientierung auf einen Sturz der Regierung hat dazu geführt, daß nicht nur Venezuelas Linke, sondern auch zahlreiche Staaten der Region die Gewalt der Opposition als versuchten Staatsstreich brandmarken. Demonstrativ nahmen am Mittwoch in Berlin die Botschafterin Boliviens, Elizabeth Salguero, und ihr Amtskollege aus Ecuador, Jorge Jurado, an einer Pressekonferenz in der venezolanischen Vertretung teil. »Bolivien unterstützt die Regierung Venezuela uneingeschränkt gegen den laufenden Putschversuch«, betonte Salguero und erinnerte daran, daß auch ihr Staatschef Evo Morales sowie Ecuadors Präsident Rafael Correa Opfer von Umsturzversuchen geworden waren.

Der Botschafter der Bolivarischen Republik, Rodrigo Chaves, führte die Kampagne der Rechten zudem auf interne Auseinandersetzungen unter den Regierungsgegnern zurück. Es gehe auch darum, wer bei einer künftigen Präsidentschaftswahl für das Oppositionslager ins Rennen gehen werde. Der zweifache Kandidat Henrique Capriles Radonski, der 2012 Hugo Chávez und 2013 Maduro unterlegen war, gilt vielen als verbraucht. Zudem distanzierte er sich in den vergangenen Wochen mehrfach von der Strategie seiner Gesinnungsgenossen, die er als chancenlos ansah.

Setzen auf Straßenkampf

Doch Leopoldo López und Marina Corina Machado setzen unverdrossen auf den Straßenkampf. Dem schon in den Putsch gegen Chávez 2002 verwickelten López war 2008 wegen einer Korruptionsaffäre aus seiner Zeit als Bürgermeister von Chacao in Caracas bis Ende 2013 das passive Wahlrecht entzogen worden. Erst seit Januar darf er überhaupt wieder ein öffentliches Amt übernehmen. Trotzdem war er 2012 bei den damaligen Vorwahlen der Opposition angetreten, hatte sich später angesichts für ihn negativer Umfragewerte jedoch zugunsten von Capriles zurückgezogen. Inzwischen wird er von rechten Medien als der eigentliche Oppositionsführer und »bessere« Kandidat gehandelt. Dagegen bringt sich bereits Machado in Stellung, die bei den Vorwahlen mit nur 3,7 Prozent abgeschlagen ausgeschieden war und wegen ihrer radikalen Linie sogar im Oppositionsbündnis MUD isoliert ist. Da sie trotz ihres Extremismus als Abgeordnete bislang Immunität genießt und ihr Konkurrent im Gefängnis sitzt, könnte sie nun jedoch nach oben gespült werden.

Maduro seinerseits vertraut auf die Mobilisierung seiner Anhänger. Am Mittwoch demonstrierten in Caracas Tausende Bauern, Fischer und Indígenas, zeigten ihre Unterstützung für die Regierung und forderten ein entschlosseneres Vorgehen. »Dies ist der Moment der Vertiefung der Revolution, der Vertiefung des Sozialismus. Wir werden die Bolivarische Revolution radikalisieren«, erklärte der Sprecher der Bauernbewegung Movimiento Campesino, Luis Hernández, in seiner Rede. Wie schon in den Tagen zuvor Erdölarbeiter, Frauen, Rentner, Motorradfahrer und Beschäftigte des staatlichen Telekommunikationsunternehmens CANTV wurden auch die aus allen Teilen des Landes angereisten Landarbeiter von Präsident Nicolás Maduro begrüßt. Der Staatschef verurteilte in seiner über alle Rundfunk- und Fernsehsender übertragenen Ansprache die Gewalt und bezifferte die Zahl der Menschen, die direkt oder indirekt infolge der »Guarimbas« getötet wurden, auf 50.

Am Mittwoch abend eröffnete Maduro außerdem eine Nationale Friedenskonferenz, an der neben Ministern und Vertretern linker Organisationen auch Repräsentanten der katholischen, evangelischen und islamischen Religionsgemeinschaften, Künstler, Unternehmer und Angehörige der gemäßigten Regierungsgegner teilnahmen. So sprach sich der oppositionelle Abgeordnete Ricardo Sánchez dafür aus, einen Vorschlag des Präsidenten aufzugreifen und mit einer »Wahrheitskommission« die tatsächlichen Hintergründe der gewaltsamen Auseinandersetzungen der vergangenen Tage zu untersuchen.

Solidaritätsveranstaltung für Venezuela: Sonnabend, 1. März, 18.00 Uhr, Begegnungszentrum »Treff 203«, Torstr. 203, 10115 Berlin

Quelle: www.jungewelt.de vom 28.02.14

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