Wolfgang Huste Polit- Blog

Republikweite antifaschistische Aktionen. Demonstration gegen Geheimdienst

Montag, 12. November 2012 von Huste

Berlin. Mehrere antifaschistische Aktionen haben in der Bundesrepublik am Wochenende verschiedene rassistische und neonazistische Aufmärsche und Kundgebungen verhindert oder verzögert. In Frankfurt/Oder gelang es am Samstag einem breiten Bündnis, eine Demonstration des NPD-Kreisverbands Märkisch-Oderland unter dem Motto »Wiedereinführung der Grenzkontrollen« zu blockieren. Die Allianz bezog auch Aktivisten aus dem benachbarten Polen mit ein. »Der Antifaschismus hat die Menschen heute erneut beiderseits der Oder vereint«, kommentierte Janek Lassau, Sprecher des Bündnisses, die erfolgreichen Blockaden. Ebenfalls am Samstag verhinderten rund 40 Antifaschisten in Essen eine rassistische »Mahnwache« gegen eine neue Flüchtlingsunterkunft im Stadtteil Kupferdreh. Sie forderten Solidarität mit den Migranten und eine menschenwürdige Unterbringung in regulären Wohnungen. Bereits am Freitag hatten mehr als 1100 Menschen im vorpommerschen Wolgast gegen einen Aufzug von rund 220 NPD-Mitgliedern und -Sympathisanten demonstriert, der sich gegen ein im August eröffnetes Asylbewerberheim im Norden der Stadt richtete.

In Köln haben am Samstag nach Polizeiangaben etwa 1000 Menschen vor dem Bundesamt für Verfassungsschutz demonstriert (siehe Foto). Sie waren einem Aufruf des Bündnisses »Verfassungsschutz auflösen! Rassismus bekämpfen« gefolgt. Die Allianz wirft den Sicherheitsbehörden gezielte Verschleierung bei der Aufklärung der Jahre währenden Mordserie der Organisation »Nationalsozialistischer Untergrund« (NSU) vor und fordert die Offenlegung aller Informationen über das Verhältnis von Verfassungsschutz und NSU.

Quelle: www.jungewelt.de vom 12. November 2012

Sie sind nicht willkommen, Frau Merkel!

Montag, 12. November 2012 von Huste

Nur zwei Tage vor dem Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel haben in Portugal Tausende Militärs aller Ränge gegen die ihrem Land oktroyierte Sparpolitik protestiert. Man werde alles tun, »um nicht an der Unterdrückung der Proteste der empörten Bürger« gegen die »ungerechten Kürzungen« teilnehmen zu müssen, heißt es in einer am Samstag abend in Lissabon per Akklamation angenommenen Erklärung. Mit Blick auf die heutige Visite Merkels haben 100 Intellektuelle, darunter die Kinderbuchautorin Alice Vieira und der Filmregisseur António-Pedro Vasconcelos einen offenen Brief veröffentlicht. Sie bezeichnen die Bundeskanzlerin als »Hauptförderin der neoliberalen Doktrin, die Europa ruiniert«. Bis Sonntag war der Brief an Merkel von 3700 Unterstützern unterzeichnet worden.

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin Merkel,

zuallererst möchten wir darauf hinweisen, daß wir uns nur an Sie als Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland wenden. Wir haben Sie nicht gewählt, erkennen keine Kanzler/in Europas an. In diesem Sinne möchten wir, die Unterzeichner dieses offenen Briefes, diesen Weg nutzen, um an Sie, Frau Bundeskanzlerin, zu schreiben. Wir, die Unterzeichner, sind Bürgerinnen und Bürger des Landes, welches Sie am 12. November besuchen werden, Bürgerinnen und Bürger, die sich solidarisch mit den von den Sparprogrammen attackierten Ländern verbunden fühlen.

Aufgrund des Charakters Ihres angekündigten Besuches und vor dem Hintergrund der katastrophalen ökonomischen und sozialen Lage Portugals, betonen wir, daß Sie hier nicht willkommen sind. Sie sollten sich auf portugiesischem Territorium als Persona non grata betrachten, denn Sie mischen sich eindeutig in innere Angelegenheiten ein, für die Sie kein demokratisch von den hier lebenden Menschen ausgestelltes Mandat haben.

Weil unsere Regierung seit einiger Zeit aufgehört hat, den Gesetzen und der Verfassung dieser Republik Folge zu leisten, müssen wir uns daher mit diesem Brief direkt an Sie wenden. Die Anwesenheit diverser Großunternehmer in Ihrer Gefolgschaft ist empörend. Sie, Frau Kanzlerin, bringen eine Reihe von Personen mit, die unter dem Deckmantel ausländischer Investitionen die Ruinen einer Wirtschaft begutachten sollen, die Ihre Politik hier sowie in Griechenland, Irland und Spanien hinterlassen hat. In Ihrer Delegation sind nicht nur solche Kräfte, die mit Zustimmung unserer Regierung den portugiesischen Staat gezwungen haben, sein Eigentum und seine wertvollsten Güter zu veräußern, sondern auch solche, die als potentielle Käufer derselben von den Ramschpreisen heute profitieren.

Diese Ausführungen können nicht und dürfen nicht als nationalistische oder chauvinistische Forderungen angesehen werden – sie sind direkt an Sie gerichtet, und zwar solange, wie Sie als die Hauptförderin der neoliberalen Doktrin, die Europa ruiniert, agieren. Wir wenden uns auch nicht an das deutsche Volk, das das demokratische Recht hat, jeden zu seinem Vertreter zu machen. In unserem Land stand Ihr Name jedoch auf keinem Stimmzettel. Wir haben Sie nicht gewählt. Wir räumen Ihnen nicht das Recht ein, uns zu repräsentieren und noch weniger, politische Entscheidungen in unserem Namen zu treffen.

Und wir sind nicht allein. Am 14. November, zwei Tage nach Ihrem angekündigten Besuch, werden wir zusammen mit unseren Brudervölkern aufbegehren. Es wird zu einem Generalstreik in vielen Ländern Europas kommen. Dies soll ein Streik gegen all die Regierungen werden, die das Vertrauen ihrer Bürgerinnen und Bürger verraten haben und immer noch verraten, und gegen die von diesen Regierungen eingeleiteten Sparprogramme. Aber täuschen Sie sich nicht, Frau Kanzlerin. Es wird auch ein Streik gegen die durch die Troika auferlegten Sparmaßnahmen sein, und gegen die Kräfte, die versuchen, diese Maßnahmen als dauerhafte Regelungen durchzusetzen. Also auch gegen Sie. Und wenn wir unsere Brüder in Griechenland, Spanien, Italien, Malta und Zypern grüßen, grüßen wir auch das deutsche Volk, das mit uns leidet. Wir wissen genau, wie das deutsche Wirtschaftswunder zustande kam, nämlich auf Basis einer sukzessiven Schuldenerlassung seitens der Kreditgeber. Wir wissen, die angeblich florierende deutsche Wirtschaft beruht auf brutalen Gehaltseinschnitten seit mehr als zehn Jahren, auf der Ausweitung von kurzfristiger bzw. geringfügiger Beschäftigung, welche weite Teile der deutschen Bevölkerung in Sorge stürzt. Das zeigt, welche Perspektiven Sie auch für das deutsche Volk in petto haben.

Es ist anzunehmen, daß Sie nicht antworten. Und es ist wahrscheinlich, daß die unterwürfige, schwache und charakterlose portugiesische Regierung Sie mit Beifall und Blumen empfängt. Aber in Wahrheit wird die Art und Weise, wie diese Regierung, unterstützt von der Troika und von Ihnen, dieses Land zerstört, von der Mehrheit der portugiesischen Bevölkerung äußerst mißbilligt. Auch wenn Sie einen geheimen Weg und einen privaten Flughafen wählen, um den Demonstrationen und Protesten gegen Ihren Besuch zu entgehen, seien Sie versichert, diese werden überall in diesem Land stattfinden. Diese Aktionen werden auch gegen Sie und das, was Sie darstellen, gerichtet sein. Ihre Delegation kann versuchen uns zu ignorieren. Die Europäische Union, der Internationale Währungsfonds und die Europäische Zentralbank können versuchen, uns zu ignorieren. Aber wir werden immer mehr, Frau Merkel. Hier und in all den anderen Ländern. Unsere Demonstrationen und Proteste werden machtvoller. Wir erlangen zunehmend besseres Wissen über die Realität. Die Geschichten, die man uns erzählte, waren nie ganz stimmig, und jetzt wissen wir, sie sind glatte Lügen.

Wir sind aufgewacht, Frau Merkel. Seien Sie in Portugal unwillkommen.

Liste der Unterzeichner: carachancelermerkel.blogspot.pt

Quelle: www.jungewelt.de vom 12. November 2012

Arsch hoch, Zähne auseinander!! DIE Hymne – Übersetzt von Chrischi 1998

Sonntag, 11. November 2012 von Huste

Du machst das Frühstücksfernsehen an und – selbstverständlich wie die Wetterkarte – kommt unter „ferner liefen“, wo sie wie viele Asylanten platt gemacht. Na klar, der Mob hat wieder randaliert, der Bürger applaudiert: „Die Kanaken sind schon umquartiert, die Nacht hat sich rentiert.“ Du gehst deine Brötchen holen, so wie jeden Morgen wartest du an der Theke. Da läßt ein Typ im Blaumann Sprüche ab, bei denen es dir nur kotzschlecht wird. Du denkst: „Nur raus hier. Was ist bloß passiert, daß keine Sau reagiert? Wieso ist ein ganzes Land am Kuschen, als wäre es paralysiert?“
Wie wäre es, wenn du dem „Blaumann“ jetzt sagst, daß du Rassistensprüche gar nicht verträgst? Wenn du ihn vor den Leuten blamierst, indem du ihn einfach auflaufen läßt? Und überhaupt: Wenn man selbst mal was tun würde. Wenn man die Zähne mal auseinander kriegen würde. Wenn wir den Arsch nicht hochkriegen, ist es eines Tages zu spät. Warst du das nicht, der seinem Vater nie das Stillhalten verzeihen konnte, weil der sich damals arrangiert hat bis er schließlich vor den Trümmern stand? Wie wär’s, wenn du deine Ideale langsam mal vertreten würdest, oder willst du im Ernst darauf warten, daß das irgendeiner für dich macht?
Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem die Nazibrut herauskroch. Jetzt gilt es: Arsch hoch, Zähne auseinander! Jetzt, nicht nächste Woche!

Totale Gleichsetzung. Von Rüdiger Göbel

Sonntag, 11. November 2012 von Huste

Bundesweit ist am Freitag auf Gedenkveranstaltungen an die Reichspogromnacht am 9. November 1938 und die Verbrechen des deutschen Faschismus erinnert worden. Bei dem vom Hitler-Regime orchestrierten Terror vor 74 Jahren waren 1200 Synagogen in Brand gesteckt, Tausende Geschäfte geplündert, Wohnungen und jüdische Friedhöfe zerstört worden. Die Pogrome waren der Auftakt zur systematischen Verfolgung und Vernichtung von sechs Millionen Juden.

Während in Greifswald zum Jahrestag der Pogromnacht gewaltsam »Stolpersteine« entwendet wurden, die in der Stadt zur Erinnerung an die Opfer des deutschen Faschismus verlegt waren, entsorgte die Staatsspitze die deutsche Geschichte auf ihre Art. »Die Ereignisse der Pogromnacht vom 9. November 1938 und der Fall der Mauer vor 23 Jahren sollten nach Ansicht von Bundespräsident Joachim Gauck nicht getrennt voneinander betrachtet werden«, meldete dapd am Freitag. Es sei zwar richtig, niemals zu vergessen, »was die Nazibarbarei gemacht hat«. Ebenso wichtig ist laut Gauck jedoch, »die glückhafte Geschichte des Mauerfalls« am 9. November 1989 darzustellen. Wenn Jugendliche ausschließlich die Geschehnisse im Dritten Reich betrachteten, »dann würden sie die Wirklichkeit Deutschlands verfehlen«, so der Bundespräsident beim Besuch eines jüdischen Gymnasiums in Berlin-Mitte. Der Zufall wollte es dann auch, daß er beim Besuch der Ausstellung »7 x jung« des Vereins »Gesicht zeigen!« einen Stoffhocker mit der Aufschrift »Glück« zum Sitzen bekam.

Später sagte Gauck laut dapd, er habe die Schüler »mit Blick auf die Geschehnisse von damals« zu Zivilcourage aufgerufen. Einige hätten aber Bedenken geäußert, ob »ich als einzelner überhaupt fähig bin, mich Schlägertypen in den Weg zu stellen«. Man könne nicht immer stark genug sein, »um eine fünfköpfige Clique in ihre Grenzen zu weisen«, soll der Bundespräsident geantwortet haben. Dies könne der Staat auch nicht verlangen: »Aber wir können Zeuge sein.« So war in der Gauck’schen Geschichtsstunde alles zusammengerührt, der deutsche Faschismus und die Totschläger vom Berliner Alexanderplatz …

Es oblag am Freitag Stefan Kramer vom Zentralrat der Juden in Deutschland, an den organisierten rechten Terror der Gegenwart zu erinnern. Den Ermittlungsbehörden warf er die mangelhafte Aufklärung der Mordserie des »Nationalsozialistischen Untergrunds« (NSU) vor. Statt für eine umfassende Untersuchung des Falls zu sorgen, werde »vertuscht, beschönigt und geschreddert«, rügte Generalsekretär Kramer bei einer Gedenkveranstaltung in Erinnerung an die Pogromnacht von 1938 in Weißenfels in Sachsen-Anhalt. Es gebe bislang auch kein schlüssiges Konzept, wie derartige Fälle künftig verhindert werden könnten.

Das frühere Mitglied des Zentralrats der Juden, Michel Friedman, machte eine »Enthemmung in der Mitte der Gesellschaft« aus. Rassisten und Antisemiten agierten heute »unverschämter, sie sind lauter und sichtbarer«, sagte Friedman dem Kölner Stadt-Anzeiger (Freitagausgabe). Namentlich griff der Publizist die Schriftsteller Martin Walser und Günter Grass scharf an: »Früher hat der Spießbürger seinen Rassismus und Antisemitismus in verrauchten Hinterzimmern ausgetobt. Mittlerweile macht er das beim Champagner-Empfang oder verfaßt – wie Martin Walser und Günter Grass – Pamphlete in Rede- oder Gedichtform.« Damit wiederum waren Pogromnacht und Israel-Kritik gleichgesetzt.

Quelle: www.jungewelt.de vom 10. November 2012

Erinnerung an Pogromnacht. Die »Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes–Bund der Antifaschisten« (VVN-BdA), Kreisverband Kassel, erklärte am Mittwoch zum heutigen Jahrestag der Pogromnacht von 1938:

Freitag, 09. November 2012 von Huste

Etwa 40 Teilnehmende beteiligten sich an dem traditionellen Gedenkgang der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) vom Rathaus zur ehemaligen Synagoge. Er fand statt zur Erinnerung an den 74. Jahrestag der Pogromnacht und die damit verbundenen Verbrechen gegen jüdische Bürger dieser Stadt. Dieses Gedenken war verbunden mit der Warnung vor Antisemitismus und Rassismus heute. »Wenn wir heute an die Reichspogromnacht erinnern, dann vergessen wir auch nicht, daß vor genau einem Jahr der neofaschistische Terror in Form der NSU öffentlich geworden ist, ein Terror, der hier in Kassel mit Halit Yozgat im Jahre 2006 eines seiner zehn Todesopfer gefunden hat«, betonte Dr. Ulrich Schneider bei der Auftaktkundgebung.

Niemand wolle das staatlich organisierte Verbrechen vor 74 Jahren und die darauf folgende Massenvernichtung mit dem neofaschistischen Terror heute gleichsetzen, aber der Terror der NSU und die anderen über 180 Opfer der rassistischen Politik in unserem Lande seit 1990 zeigten, daß Rassismus und Antisemitismus keine historischen Phänomene sind, sondern eine gegenwärtige Bedrohung unserer demokratischen Gesellschaft und der hier lebenden Menschen, die als Fremde angesehen werden, bedeuten.

Quelle: www.jungewelt.de vom 09. November 2012

Merkel rastet aus. Von Arnold Schölzel

Freitag, 09. November 2012 von Huste

Am Mittwoch abend beschloß das griechische Parlament weitere Massenentlassungen, Steuererhöhungen, drastische Kürzungen von Gehältern und Renten sowie Einschnitte im Sozial- und Gesundheitswesen. Gegen das sogenannte Sparpaket richteten sich ein 48stündiger Generalstreik und eine Kundgebung mit mehr als 70000 Menschen in Athen (siehe Seite 6). Fast zur gleichen Zeit hielt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor dem Europaparlament in Brüssel eine »Grundsatzrede«. In der Aussprache beantwortete sie von Abgeordneten geäußerte Kritik an ihrer Haltung zu Griechenland mit einem Ausbruch über »die Griechen«: »Man muß ihnen sagen: Es ist nicht in Ordnung, daß ich jedes Mal einen Streik mache, wenn eine Privatisierung erfolgen soll; es ist nicht in Ordnung, daß ein Eisenbahnsystem über die Fahrkartenpreise nicht mal so viel einbringt, daß man davon die Beschäftigten bezahlen kann; es ist nicht in Ordnung, wenn die Regierungsministerien nicht miteinander zusammenarbeiten; es ist nicht in Ordnung, wenn man ein Steuersystem hat, aber keine Steuern zahlt.«

Der Fraktionschef der EU-Sozialdemokraten, der Österreicher Hannes Swoboda, hielt ihr vor: »Sie verlangen mit Unterstützung der Troika etwas, was sie in Deutschland nie verlangen würden: nämlich die Zerstörung von sozialen Netzen!« Die Linke-Abgeordnete Gabi Zimmer ergänzte: »Austerität tötet! Was nützt uns Wettbewerbsfähigkeit, wenn dabei Menschen zugrunde gehen?« Die Grünen-Vorsitzende Rebecca Harms sprach von der Knechtung Unschuldiger und Merkels griechischer »Schande«. Deren Replik: Wer bestreite, daß die Schuldigen für das griechische Drama in Griechenland selbst zu suchen seien, der »versündigt sich an den Gewerkschaftern und Arbeitnehmern in Europa. Ich werde da sehr leidenschaftlich!« Was den Griechen abverlangt werde, sei schmerzhaft, hart und nicht immer fair, weil die Vermögenden mit ihrem Geld »längst über alle Berge« getürmt seien. Auch Deutschland habe Hartz IV, Sozialproteste, Wutbürger, Abwahl von SPD und Grünen nach der Agenda 2010 gehabt. Aber: »Wir haben fünf Jahre abwarten müssen, dann haben sich die Wirkungen eingestellt.«

Ganz im Sinn der damit gemeinten Umverteilung von unten nach oben hatte sie sich zuvor für »Durchgriffsrechte« der EU-Kommission gegenüber dem Haushaltsrecht nationaler Parlamente eingesetzt. Wörtlich: »Ich bin dafür, daß die Kommission eines Tages so etwas wie eine europäische Regierung ist.« Sie wolle, daß eine vertiefte Währungsunion »nicht zu einem Europa der zwei Geschwindigkeiten führt, sondern eine Union mit doppelter Kraft schafft«.

Linksparteichef Bernd Riexinger kritisierte am Donnerstag in Berlin den Auftritt der Kanzlerin: »Noch nie hat Merkel so offen gezeigt, daß sie nichts mit den demokratischen Wurzeln der europäischen Idee am Hut hat.« Ihre Vision von Europa sei »ein Kontinent ohne Sozialstaat und Demokratie«. Unter ihrer Führung sei es ein Kontinent geworden, »in dem Politik mit Erpressungen, Drohungen und Angst gemacht wird. Das ist Europa zum Abgewöhnen.« Er forderte »einen demokratischen Neuanfang für Arbeit und soziale Gerechtigkeit« und fügte hinzu: »Europa braucht mehr Demokratie und weniger Merkel.«

Quelle: www.jungewelt.de vom 09. November 2012

»Die Behörde ist heillos in die Neonaziszene verstrickt«. Über 100 Gruppen rufen für Samstag zu einer Demonstration vor dem Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln auf. Gespräch mit Rolf Gössner. Rolf Gössner ist Rechtsanwalt und Vizepräsident der Internationalen Liga für Menschenrechte Interview: Gitta Düperthal

Freitag, 09. November 2012 von Huste

Über 100 Organisationen und Gruppen rufen angesichts des Skandals um die neofaschistische Terrorzelle NSU für Samstag zu einer Demonstration vor dem Bundesamt für Verfassungsschutz (VS) in Köln-Chorweiler auf. Sie fordern, diese Behörde aufzulösen – mit welchen Argumenten?

Die langjährige Nichtaufklärung der Neonazimordserie und die Ausblendung ihres rassistischen Hintergrunds sind Belege dafür, daß dieser Inlandsgeheimdienst – »Verfassungsschutz« genannt –, grandios versagt hat, ebenso wie die Polizei. Unfähigkeit und Pannen haben dabei sicher eine Rolle gespielt – wir müssen aber in erster Linie von den ideologischen Scheuklappen der traditionell antikommunistisch geprägten Sicherheitsorgane ausgehen, von institutionellem Rassismus, von Ignoranz und systematischer Verharmlosung des Neonazispektrums. Aber nicht nur das: Der VS war und ist heillos in die Neonaziszene verstrickt. Er hat sie über seine bezahlten Spitzel letztlich mitfinanziert, gegen polizeiliche Ermittlungen geschützt. Er hat sie gestärkt, statt zu schwächen.

In Deutschland gibt es 16 Landesämter und ein Bundesamt für Verfassungsschutz – was werfen Sie diesen Organen konkret vor?

Der VS wußte in Sachen NSU weit mehr als zunächst vermutet; er war hautnah dran an den mutmaßlichen Mördern, ihren Kontaktpersonen und Unterstützern. Die Mordserie hätte möglicherweise verhindert werden können, wenn diese angeblichen Verfassungsschützer schwerwiegende Erkenntnisse hinsichtlich verbrecherischer Straftaten und der Wohnorte der Untergetauchten und ihrer Unterstützer rechtzeitig an die Polizei weitergegeben hätten. Angesichts der Schwere des Verdachts wären sie dazu gesetzlich verpflichtet gewesen. Aber sie haben statt dessen aus Gründen des »Quellenschutzes« ihre V-Leute in der Szene geschützt und sie gegen Ermittlungen der Polizei abgeschirmt.

Ist die Forderung nach Auflösung dieser Inlandsgeheimdienste nicht unrealistisch? Aus der Politik heraus wird es dafür doch kaum Unterstützung geben.

Dieser »Verfassungsschutz« ist weder reformierbar noch kontrollierbar. Denn er trägt in Wirklichkeit einen Tarn­namen, hinter dem sich ein gemeiner Geheimdienst versteckt – mit gesetzeswidrigen Strukturen, Mitteln und Methoden und der Lizenz zu Gesinnungsschnüffelei, Infiltration und Desinformation. Gerade in seiner Ausprägung als Geheimdienst ist er ein Fremdkörper in der Demokratie: Er widerspricht demokratischen Prinzipien der Transparenz und Kontrollierbarkeit. Solchen letztlich demokratiewidrigen Institutionen sollten schleunigst alle nachrichtendienstlichen Mittel und Methoden entzogen werden und damit auch die Lizenz zur Gesinnungskontrolle, zum Führen von V-Leuten und zum Infiltrieren. Solchen Überlegungen steht das Grundgesetz keineswegs entgegen, denn danach muß der VS nicht als Geheimdienst ausgestaltet sein.

Die offiziellen Reformvorschläge aus Bund und Ländern sind allenfalls Placebos, weil sie sich nicht an die Geheimstrukturen des VS wagen. Nur die Linkspartei ist dafür, ihn ein für alle mal aufzulösen – die Grünen hingegen plädieren für die Auflösung und einen anschließenden Neuaufbau.

Wen gilt es von ihrer Forderung zu überzeugen und mit ins Boot zu nehmen?

Wir müssen nicht nur die Öffentlichkeit von der Richtigkeit dieser Forderung überzeugen, sondern auch jene Parteien, die den VS nach den vielen Skandalen endlich kritischer einschätzen, ihn für überflüssig oder sogar schädlich halten. Es ist doch so, daß inzwischen immer weniger Menschen an das Märchen glauben, daß diese Behörden Verfassung und Demokratie schützen. Immer mehr erkennen, daß dieser ideologische Apparat durch sein reguläres Wirken der politischen Kultur in der Bundesrepublik wesentlich mehr geschadet hat, als er vorgeblich der Verfassung nützt.

Wer steht in der Mitverantwortung dafür, daß der Verfassungsschutz jahrelang auf diese Weise in neonazistische Szenen und Straftaten verwickelt war?

In letzter Konsequenz sind das die politisch verantwortlichen Innenminister und Regierungen, die es sehenden Auges über Jahrzehnte zugelassen haben, daß der VS über sein kriminelles V-Leute-Netz Teil des Neonaziproblems geworden ist.

Demo, Samstag, 14 Uhr, Pariser Platz, Köln-Chorweiler
vsaufloesen.noblogs.org
Rolf Gössner, Geheime Informanten. V-Leute des Verfassungsschutzes: Neonazis im Dienst des Staates, München 2003; Akt. Neuauflage als e-book 2012 bei Knaur-Verlag, München. Download-Direktlink: bit.ly/J8XWNC

Quelle: www.jungwelt.de vom 09. November 2012

Augen zu vor alltäglichem Rassismus. Ein Jahr nach dem NSU-Terror. Von Claudia van Laak, Deutschlandradio

Donnerstag, 08. November 2012 von Huste

Heute vor einem Jahr flog sie auf, die Zwickauer Terrorzelle, die zehn Menschen auf dem Gewissen haben soll, neun Migranten und eine Deutsche. Am 4. November 2011 fand die Polizei zunächst zwei tote Bankräuber in einem Wohnmobil im thüringischen Eisenach, zwei Stunden später flog ein Haus im sächsischen Zwickau in die Luft.
Es brauchte einige Tage, bis sich die Erkenntnisse Bahn brachen und anschließend wie Schockwellen ausbreiteten. Mitglieder einer rechten Terrorzelle hatten 14 Banken überfallen, 2 Sprengstoffanschläge verübt, 10 Menschen getötet – bei all diesen Taten blieben sie fast 13 Jahre unentdeckt.

Und um es noch einmal klar zu sagen: Diese drei mutmaßlichen Rechtsterroristen Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos, sie fielen nicht vom Himmel. Sie waren sowohl dem Verfassungsschutz als auch Polizei und Justiz einschlägig bekannt – als gefährliche rechtsextreme Gewalttäter, die im thüringischen Jena eine Bombenwerkstatt betrieben hatten, bis sie Anfang 1998 abtauchten. Mit internationalem Haftbefehl wurden sie bis 2003 gesucht, dann waren die ihnen vorgeworfenen Straftaten verjährt und niemand interessierte sich mehr für das Trio.

Soweit die Täter – und die Opfer? Es handelte sich um die größte unaufgeklärte Mordserie Deutschlands – ein griechischer und neun türkischstämmige Gewerbetreibende, am helllichten Tag in ihren Geschäften regelrecht exekutiert. Offensichtlich von Profikillern. Sie hinterließen keine DNA-Spuren, keine Bekennerschreiben. Allerdings war die Mordwaffe in allen Fällen dieselbe, eine Ceska 83.

Die Ermittler stellten alles Mögliche an: In erster Linie verdächtigten sie die Hinterbliebenen. Ihren Hinweisen, es könne sich vielleicht um ausländerfeindlich motivierte Taten handeln, gingen sie kaum nach. Stattdessen befragten sie eine Hellseherin. In Nürnberg betrieben Polizeibeamte ein halbes Jahr einen Dönerimbiss, um vermutete Verbindungen zur Organisierten Kriminalität aufzudecken. Nein, das ist kein Witz. Von 100 Morden in Deutschland werden 97 in absehbarer Zeit aufgeklärt – warum versagten die Ermittler in diesen Fällen?

Ein Grund ist die Herkunft der Opfer. Hätten die Mordopfer blonde Haare und blaue Augen gehabt, Namen getragen wie Müller oder Schmidt und nicht unaussprechliche wie Özüdogru oder Tasköprü, wären sie deutsche Unternehmer gewesen und nicht türkischstämmige, die Suche nach den Tätern wäre anders verlaufen. Türke gleich Drogenmafia gleich Organisierte Kriminalität, lautete die Gleichung, nach der die Polizeibeamten vorgingen.

Nicht deutsche, US-amerikanische Ermittler – zum Erfahrungsaustausch in Deutschland – gaben den Kollegen von der bayerischen Sonderkommission den Tipp, Ausschau zu halten nach Tätern, die Türken hassen. Das Gutachten wurde abgeheftet, der Ordner zugeschlagen. Jetzt fordert der Chef des Bundeskriminalamtes Jörg Ziercke: Wir brauchen mehr Migranten in der Polizei. Er hätte sie längst einstellen können.

Die Ausländerfeindlichkeit, der Rassismus, vielleicht auch die Angst vor dem Fremden zeigen sich bis heute, ein Jahr danach. Machen Sie einfach die Probe auf’s Exempel. Wie heißen die Täter? Klarer Fall: Mundlos, Böhnhardt, Zschäpe. Und wen haben sie umgebracht? Natürlich Michele Kiesewetter, die deutsche Polizistin. Und die anderen? Mmmmhh. Türkische Namen mit vielen ös und üs. Und war da nicht auch ein Grieche dabei? Wie hieß der noch mal?

Ein Jahr danach wissen wir viel, sehr viel über die drei Mitglieder des NSU. Wir konnten Dokumentationen über sie im Fernsehen sehen, ihre Eltern kamen zu Wort. Wir können Bücher über sie lesen, fünf oder sechs sind bislang erschienen. Darin steht, welche Schuhe Beate Zschäpe trug, welche Fahrräder Böhnhardt und Mundlos fuhren. Warum wissen wir nichts über Familie Boulgarides, nichts darüber, wie es den Yozgats in Kassel geht oder den Kubasiks in Dortmund?

Weil es einfacher ist, sich drei böse Neonazis zu imaginieren, sich einen wohligen Horrorschauer über den Rücken laufen zu lassen und vermeintlich zu wissen: Damit haben wir nichts zu tun. Die Westdeutschen können sagen: Wäre bei uns nicht passiert, ist ein ostdeutsches Problem. Die Politiker können sagen: Die Polizei ist schuld. Die Polizei wiederum: Der Verfassungsschutz hat versagt. Dann macht man eine Reform, die zwar Strukturen und Zuständigkeiten verändert, aber nichts in den Köpfen. Das ist das Problem.

Warum reden wir nicht über das R-Wort, fragt der Opferanwalt Mehmet Daimagüler. Fangen wir an, reden wir über den alltäglichen Rassismus, der den Nährboden bildet für die drei Terroristen des NSU. Ohne Fremdenfeindlichkeit kein Rechtsextremismus, ohne Rechtsextremismus kein Rechtsterrorismus und kein Nationalsozialistischer Untergrund.

Fragen wir doch die Simseks, Kubasiks und Yozgats, wie es ihnen heute geht, lassen wir uns ihre Geschichte erzählen. Und Ali, bei dem wir immer den Döner kaufen, sollten wir auch fragen. Er hat schon damals gesagt: Warum schreibt ihr Dönermorde? Es wurden doch Menschen umgebracht.

Quelle: www.dradio.de , http://www.dradio.de/dlf/sendungen/kommentar/1911820/ vom 04.11.2012

Politische Willkür. Das »Bündnis Nazifrei – Dresden stellt sich quer« nahm am Dienstag in einer Pressemitteilung zur Einstellung des Verfahrens wegen Blockierung einer genehmigten Demonstration von Neonazis 2010 gegen den ehemaligen Chef der Fraktion Die Linke im sächsischen Landtag, André Hahn, Stellung:

Donnerstag, 08. November 2012 von Huste

Unserer Einschätzung nach zeigt die Tatsache, daß hier ein Verfahren, welches offensichtlich jeglicher juristischer Grundlage entbehrt, mit aller Macht vorangetrieben werden soll, daß es der Staatsanwaltschaft nicht um die Aufklärung angeblicher Straftaten geht, sondern um die Einschüchterung der Öffentlichkeit. Die Staatsanwaltschaft Dresden ist Teil des Systems, das auch als »Sächsische Demokratie« bekannt ist: Sie geht mit politischer Willkür gegen unliebsame Personen und Strukturen vor, die von weiterem zivilen Ungehorsam abgehalten werden sollen. Diesmal ist sie aber einen Schritt zu weit gegangen. Um ihr Gesicht zu wahren und dem eigentlich folgerichtigen Freispruch zu entgehen, muß sie sich nun auf eine Einstellung des Verfahrens einlassen. (…) Nach dieser großen Blamage für die Staatsanwaltschaft fordern wir daher die sächsische Justiz auf, alle noch laufenden Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit den erfolgreichen Blockaden der Naziaufmärsche 2010 und 2011 umgehend einzustellen – unabhängig von der Prominenz der betroffenen Personen! Wer so vehement auf die Einhaltung rechtsstaatlicher Standards pocht wie die Dresdner Strafverfolgungsbehörden, darf nicht so handeln, als existierten für ihn Beschuldigte erster und zweiter Klasse!

Quelle: www.jungewelt.de vom 08. November 2012

Ford-Arbeiter sauer. Protest gegen Schließung: Belgische Beschäftigte stürmen Firmengelände in Köln

Donnerstag, 08. November 2012 von Huste

Die flämischen Ford-Arbeiter sind sauer auf den US-Automobilkonzern. Aufgebrachte Beschäftigte einer von Schließung bedrohten belgischen Produktionsstätte des Unternehmens haben am Mittwoch das Firmengelände des Ford-Werkes in Köln gestürmt und ihrem Unmut Luft gemacht. Medienangaben zufolge gingen dabei auch einige Fenster zu Bruch.

Bis zu 200 Mitarbeiter des vor dem Aus stehenden Werks in Genk hätten zunächst den Eingang zum Werksgelände blockiert und Reifen angezündet, sagte ein Polizeisprecher. Nach Darstellung der Behördenvertreter sei die Situation dann eskaliert, etwa 20 bis 40 Personen seien auf das Firmenareal vorgedrungen und hätten Fenster beschädigt und Knallkörper gezündet. Verletzt wurde nach ersten Angaben niemand. Die Polizei habe die Personalien der Demonstranten aufgenommen. Bis zum Mittag habe sich die Lage beruhigt und die Arbeiter hätten das Werksgelände wieder verlassen, sagte der Sprecher. Mehrere Beschäftigte des Kölner Betriebs solidarisierten sich mit ihren belgischen Kollegen. Ob Ford einen Strafantrag stellen wird, wollte ein Sprecher des Unternehmens nicht sagen.

Für Mittwoch und Donnerstag waren nach Angaben der Polizei internationale Betriebsratssitzungen der Ford-Mitarbeiter in Köln geplant. Die Versammlung vor dem Gelände sei als Spontandemonstration gewertet und deshalb nicht aufgelöst worden, sagte der Polizeisprecher.

Spontan kann die Wut allerdings kaum entstanden sein. Das Werk in Flandern soll Ende 2014 dichtgemacht werden. Rund 4500 Beschäftigte von Ford verlören so ihren Job. Weitere 5000 Stellen dürften dann auch bei Zulieferern wegfallen. Die enorm sinkende Kaufkraft von fast zehntausend Haushalten würde weitere Probleme für Dienstleister und Händler schaffen.

Derzeit laufen noch Gespräche zwischen Ford und belgischen Regierungs- und Gewerkschaftsvertretern, die die Unternehmensentscheidung nicht akzeptieren wollen. Bereits Ende Oktober hatten die Beschäftigten in Genk protestiert und vor dem Werk Autos angezündet.

Vorstandschef Alan Mulally schloß am Mittwoch schärfere Schritte zur Sanierung des hohe Verluste schreibenden Europageschäfts nicht aus: »Wenn man sich vor den Entscheidungen drückt, wird man weiter Geld verlieren und irgendwann vom Markt verschwinden.«

Der nordamerikanische Automobilkonzern scheint – wie fast alle großen Hersteller – Probleme mit der Profitabilität zu haben. Ford leidet seit geraumer Zeit unter Absatzeinbrüchen und rechnet im Europageschäft für das laufende Jahr mit einem Verlust von umgerechnet mehr als 1,5 Milliarden US-Dollar (1,2 Milliarden Euro).

(dapd/jW)

Quelle: www.jungewelt.de vom 08. November 2012

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